Gut ein Drittel der Banken in Deutschland will aufgrund der immer deutlicher zutage tretenden Auswirkungen der Finanzmarktrichtlinie Mifid II keine oder nur noch eine eingeschränkte Anlageberatung anbieten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Unternehmensberatung PPI unter 50 deutschen Instituten. Demnach kommen 72 Prozent der befragten Geldhäuser zu dem Schluss, dass Beratungsgespräche komplexer geworden und ohne technische Unterstützung kaum noch zu bewältigen seien. Zudem dauern sie länger, weshalb die Berater weniger Gespräche führen können.

Die Finanzmarktrichtlinie war im Januar europaweit in Kraft getreten. Die EU-Kommission erhofft sich davon einen besseren Anlegerschutz und eine höhere Transparenz an den Finanzmärkten. Doch auch mehr als ein halbes Jahr später haben 44 Prozent der Banken in Deutschland die Umsetzung noch nicht vollständig abgeschlossen, so ein weiteres Ergebnis der PPI-Umfrage, die zum siebten Mal stattfand. Zwei Drittel der Geldhäuser erwarten, dass sie an der Baustelle Mifid II noch bis Ende 2019 Arbeiten werden. 60 Prozent der Geldhäuser setzen mehr Personal ein als ursprünglich gedacht.

Kostenausweis schürt Diskussionen
"Offenbar haben die Institute den Aufwand und die benötigten Ressourcen unterschätzt", sagt Christian Appel, Partner bei PPI. "Ein zu später Start oder die Anpassung des Zeitplans hat viele Finanzhäuser unter Druck gesetzt." Als größten Kostentreiber sehen die Institute die Vorgaben über Beratungs- und Telefonprotokolle. Die Technik zur Aufzeichnung und Archivierung von Telefonaten kostet Geld. Ohnehin schürt die Aufzeichnungspflicht von Telefonaten Unmut bei den Kunden, berichten die Geldhäuser.

Der mit Mifid II geforderte, "Ex-ante"-Ausweis der anfallenden Kosten tritt zudem Diskussionen mit den Kunden los, berichtet mehr als die Hälfte der Befragten. Einige Produkte würden nicht mehr an Privatkunden verkauft, weil die Kosteninformationen fehlen. Insgesamt könne in einem Gespräch nur noch eine begrenzte Auswahl an Produkten vorgestellt werden. Und auch das Sortiment wandelt sich: 40 Prozent der Banken verkaufen weniger komplexe, dafür einfachere Produkte.

Mifid II krempelt Vertriebswege um
Die Banken reagieren auf die Auswirkungen der Richtlinie auf verschiedene Weise. Immerhin die Hälfte der Institute will Automatisierungstechnik nutzen oder tut dies bereits, um den Beratungsprozess zu unterstützen. 40 Prozent der Befragten entwickeln neue Preismodelle. 16 Prozent der Banken setzen neben der persönlichen Beratung verstärkt auf Robo Advice, ebenso viele forcieren den Vertrieb hauseigener Produkte.

Insgesamt übersteigen die Probleme, die Mifid II schafft, die sich eröffnenden Chancen, so die nahezu einhellige Meinung. Nach Einschätzung von einem Viertel der Befragten hat der gestiegene zeitliche Aufwand zu höheren Erlöausfällen geführt. Am Ende glauben 88 Prozent der Banken, dass Mifid II die Vertriebskonzepte in der deutschen Finanzwirtschaft umkrempeln wird. (ert)