Der Wirecard-Skandal beschäftigt inzwichen auch den Deutschen Bundestag. Der Finanzausschuss des Parlaments plant für den 29. Juli eine Sondersitzung zu den Vorgängen bei dem insolventen Zahlungsdienstleister und der Rolle, die die Politik und vor allem das Bundesfinanzministerium (BMF) bei den Vorgängen um die in Aschheim bei München ansässige Firma spielten. Die Sondersitzung beschlossen die Obleute der Bundestagsfraktionen am Montag.

"Die parlamentarische Aufklärung des Wirecard-Skandals auf die lange Bank zu schieben ist keine Option", zitiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) aus einer Antwort der Grünen-Obfrau Lisa Paus an die Deutschen Presse-Agentur. Neben Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sollten auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Vertreter der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung geladen werden. Der Bundestagspräsident müsse die Sondersitzung noch genehmigen.

BMF schon seit Februar 2019 über Probleme bei Wirecard informiert
Die Causa Wirecard zieht in Berlin immer weitere Kreise. Vergangene Woche war bekannt geworden, dass das BMF schon im Februar 2019 Kenntnis über den Verdacht auf mutmaßliche Manipulationen bei Wirecard informiert war. Bereits am 14. Februar 2019 hatte die Finanzaufsichtsbehörde Bafin dem Ministerium mitgeteilt, dass sie "wegen mutmaßlicher Marktmanipulation in alle Richtungen" untersuche, schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Sie bezieht sich auf einen ihr vorliegenden Bericht des Ministeriums zu den Vorgängen, der dem Bundestag am Donnerstag (16. Juli 2020) übergeben wurde. 

Selbst das Bundeskanzleramt ist in die Vorgänge verstrickt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vergangenen Herbst bei einem China-Besuch persönlich mit der dortigen Staatsführung auch über einen geplanten Zusammenschluss von Wirecard mit dem Pekinger Finanzunternehmen Allscore Payments gesprochen. Das berichtet "Der Spiegel". Pikant: Das Bundeskanzleramt war vom BMF informiert worden, dass Wirecard offensichtlich in den Fokus der deutschen Aufsichtsbehörden geraten war. "Das Bundesministerium der Finanzen hat an das Bundeskanzleramt auf Arbeitsebene auf im Übrigen öffentlich bekannte Vorwürfe gegen das Unternehmen Wirecard hingewiesen", zitiert das Nachrichtenmagazin einen Sprecher des Finanzministeriums. Übermittelt worden seien Bundestagsdrucksachen mit Parlamentsanfragen zu den Anschuldigungen gegen Wirecard.

Scholz schiebt Verantwortung auf EY ab
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat die Kritik der Opposition am Vorgehen seines Hauses bei Wirecard zurückgewiesen. Seit zehn Jahren sei der Zahlungsabwickler von einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft worden, die einen guten Ruf habe, aber in den zehn Jahren nicht rausgefunden habe, was los sei, betont er. "Das Erste ist, wir müssen prüfen, warum es passiert ist, dass die Wirtschaftsprüfer das zehn Jahre lang nicht rausgefunden haben", zitiert die FAZ aus einem Gespräch des SPD-Politikers am Sonntagabend im ZDF-"Heute Journal". "Warum wird Jahr für Jahr die Bilanz angeguckt, werden die Rechnungen betrachtet, und es kommt nicht raus, was ja doch ziemlich erheblich ist, was wir mittlerweile wissen. Und da müssen wir dafür sorgen, dass das besser wird", zitiert ihn die Zeitung weiter

Das Unternehmen, bei dem mittlerweile der Insolvenzverwalter Michael Jaffé das Sagen hat, musste am 18. Juni einräumen, dass Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von insgesamt 1,9 Milliarden Euro "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen". Die Staatsanwaltschaft München ermittelt nun wegen des Betrugsverdachtes. Ein Ex-Manager sitzt bereits in Untersuchungshaft. Die Bafin steht seit Bekanntwerden der Vorgänge in der Dauerkritik, weil sie angeblich nicht rechtzeitig eingegriffen habe – insbesondere bei der ihr direkt unterstellten Wirecard Bank. (jb)