Bundesfinanzminister Olaf Scholz möchte die Finanzaufsichtsbehörde Bafin als Reaktion auf den ausufernden Wirecard-Skandal mit zusätzlichen Mitteln ausstatten. Der SPD-Politiker will eine "schlagkräftige Behörde" aufbauen, wie das "Handelsblatt" unter Berufung auf ein Gespräch der Wochenzeitung "Die Zeit" mit dem Minister schreibt. "Daher ist mir wichtig, dass die Bafin gut ausgestattet wird. Und wir werden hier weiter draufsatteln", wird Scholz dort zitiert. Vorbild sei die US-Finanzaufsicht SEC, "die umfassendere Befugnisse hat und gegenüber den Finanzunternehmen mit einem großen Selbstbewusstsein auftritt".

Bei Wirtschaftsprüfern sieht Scholz ebenfalls erheblichen Reformbedarf. "Es stellt sich schon die Frage, wie es sein kann, dass hoch qualifizierte, exzellent ausgebildete und teuer bezahlte Wirtschaftsprüfer einer Gesellschaft, die schon seit fast zehn Jahren die Abschlüsse von Wirecard geprüft hat, von all den jetzt augenscheinlichen Betrügereien nichts mitbekommen haben", wird er in dem Gespräch mit der Zeit zitiert. Daher sollen die kontrollierten Firmen künftig keinen Druck mehr auf ihr Prüfer ausüben können.

EY in der Kritik
Der mittlerweile insolvente Zahlungsdienstleister musste am 18. Juni einräumen, dass Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von insgesamt 1,9 Milliarden Euro "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen". Die Bafin steht seit Bekanntwerden der Vorgänge in der Dauerkritik, weil sie angeblich nicht rechtzeitig eingegriffen habe – insbesondere bei der ihr direkt unterstellten Wirecard Bank. Auch die EU-Finanzaufsicht ESMA prüft das Verhalten der Bafin. Zudem werden die Wirtschaftsprüfer von EY scharf kritisiert, die die Wirecard-Bilanzen in den vergangenen Jahren unter die Lupe genommen und trotz Ungereimtheiten immer wieder Testate ausgestellt hatten.

Die Staatsanwaltschaft München ermittelt seit einiger Zeit wegen des Betrugsverdachtes. Nachdem ein Ex-Manager vor knapp einer Woche in Untersuchungshaft genommen wurde, haben die Ermittler gestern (22.7.) inzwischen auch Ex-Wirecard-Vorstandschef Markus Braun erneut festgenommen. Ende Juni war er bereits einmal festgesetzt worden, dann aber gegen Kaution wieder auf freien Fuß gekommen. Zwei weitere andere hochrangige Ex-Manager des immer noch im Dax gelisteten Konzerns wurden auch verhaftet. Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) und fügt an, dass Brauns Anwalt für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war. 

"Korpsgeist" bei Wirecard
Laut SZ-Bericht werfen die Ermittler den Top-Managern des Zahlungsdienstleisters konkret gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor. "Die bisherigen intensiven Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I haben ergeben, dass der den Beschuldigten zur Last zu legende Sachverhalt erheblich erweitert werden muss", zitiert die SZ die Staatsanwaltschaft. Dies habe insbesondere mit Aussagen eines Kronzeugen zu tun, aber auch mit neuen Unterlagen.

Mittlerweile stehe damit fast die gesamte frühere Führungsspitze des in Aschheim bei München ansässigen Konzerns im Verdacht, den Bilanz-Schwindel nicht übersehen, sondern mit aufgebaut zu haben. Die Staatsanwaltschaft berichtet nach Darstellung der SZ, dass Wirecard ein streng hierarchisches System gewesen sei, "geprägt von Korpsgeist und Treueschwüren gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden als Führungsperson." Die Ermittlungen hatten sich zunächst auf Konzernchef Braun, den weiterhin flüchtigen Vorstand Jan Marsalek sowie einen weiteren Manager konzentriert.

Untersuchungsausschuss ante portas
Der Wirecard-Skandal hat auch die Spitze der Bundesregierung erreicht. So musste das Bundeskanzleramt bestätigen, dass Kanzlerin Angela Merkel vergangenen Herbst bei einem China-Besuch persönlich mit der dortigen Staatsführung auch über einen geplanten Zusammenschluss von Wirecard mit dem Pekinger Finanzunternehmen Allscore Payments gesprochen hat – ohne allerdings von den Bilanzungereimtheiten gewusst zu haben. Die SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe geht mittlerweile davon aus, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss unumgänglich ist. Mit Blick auf die am kommenden Mittwoch (29. Juli) angesetzte Sondersitzung des Finanzausschusses sagte sie im ARD-Morgenmagazin: "Das wird nicht die erste und letzte Sitzung sein, und ich glaube, es läuft alles auf einen Untersuchungsausschuss hinaus." (jb)