Die Wende ist eingeleitet, die Zinsen steigen. Damit scheint die lange währende Phase der Niedrig- und Negativsätze passé. So kletterten die Nettozinserträge ausgewählter europäischer Finanzinstitute im ersten Halbjahr 2022 um gut zehn Prozent, zeigt eine Analyse der Ratingagentur Moody’s. Die Zeitenwende zeichnet sich nicht nur im gesamteuropäischen Rahmen ab. Speziell die deutschen Geldinstitute beflügelt der Rückenwind.

"Grundsätzlich profitiert das deutsche Bankensystem von den steigenden Zinsen", sagt Swen Metzler, Analyst bei Moody’s. "Die Banken konnten im ersten Halbjahr Kredite zu höheren Zinsen ausreichen. Demgegenüber waren ihre Zinskosten noch gering." Die schlechten Nachrichten zum Krieg in der Ukraine, zu Konjunktur und Inflation würden sich noch nicht widerspiegeln. "Kennzahlen wie die Profitabilität oder die Kreditqualität sind nach wie vor gut", so Metzler.

Risiko Rezession
Allerdings werden manche Einnahmequellen versiegen. "Die Erträge aus Negativzinsen, die die Banken den Firmen- und zuletzt zunehmend auch den vermögenden Privatkunden in Rechnung stellten, werden zukünftig wegfallen", meint Metzler. Die Institute werden zudem die gestiegenen Leitsätze an ihre Einlagenkunden weiterreichen müssen, was wiederum die derzeit ansehnlichen Zinsmargen schmälern dürfte. "Die entscheidende Frage ist, wann und in welchem Umfang die Privatkunden höhere Zinsen für ihre Einlagen einfordern werden", sagt Metzler. "Der Druck wächst, Einlagen wieder zu verzinsen." So positiv die steigenden Zinsen für die Banken auch seien, dies müsste auch mit Neugeschäft unterfüttert werden.


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Und dahinter stehen zunehmend Fragezeichen. Der drohende Konjunkturabschwung könnte dazu führen, dass einerseits die Nachfrage nach Krediten und Bankdienstleistungen sinkt. Andererseits steigt bei einer Rezession der Anteil der Kreditnehmer, die Zins und Tilgung nicht mehr stemmen können. "Dies stellt keinen erfreulichen Ausblick für die Banken dar. Die Ratings dürften sich verschlechtern", meint Patrick Rioual, der bei der Ratinggesellschaft Fitch die Analyse deutscher und österreichischer Banken leitet. Positiv stellten sich bislang die Kreditqualität sowie die gute Ausstattung mit Eigenkapital dar. "Der Anteil notleidender Kredite ist gering. Die Qualität wird sich zwar verschlechtern, aber von einem hohen Niveau."

Wunder Punkt
Zudem erfassen Inflation und Abschwung weite Teile der Wirtschaft und der Privatkunden, anders als noch in der Corona-Pandemie, als vorwiegend Tourismus, Gastronomie oder das Veranstaltungsgewerbe betroffen waren. "Nun standen zunächst die energieintensiven Branchen im Fokus, doch mit der anhaltenden Teuerung sehen sich nunmehr nahezu alle Wirtschaftszweige betroffen", erläutert Moody's-Analyst Metzler. Die Inflation erfasst auch die Finanzwelt selbst. "Die steigenden Energiepreise und höhere Löhne werden in Zukunft auch die Banken treffen", sagt Metzler.

Dies trifft die heimischen Institute an einem wunden Punkt. "Der nunmehr wieder steigende Kostendruck ist eine Herausforderung für das deutsche Bankensystem", erläutert Metzler. Die Effizienz des deutschen Bankensystems habe seit geraumer Zeit als relative Schwäche gegolten. "Vor einigen Jahren erkannten viele Institute den Weckruf und legten Effizienzprogramme auf", sagt Metzler. Dennoch würden die deutschen Geldhäuser "immer noch nicht auf Augenhöhe mit Systemen anderer Länder agieren". Diese könnten steigende Kosten besser verkraften. Fitch-Experte Rioual ergänzt: "Die Restrukturierung ist in vollem Gange und noch nicht abgeschlossen. Nun kommt noch Gegenwind dazu." Die Freude der deutschen Banken über die Zinswende wird daher abflauen. (ert)