Der Präsident des Genossenschaftsverbandes, Michael Bockelmann, hat vor den Folgen der Niedrigzinspolitik für das Sparverhalten der Deutschen gewarnt. Dies berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ). "Das Vertrauen der Bürger in die gemeinsame Währung wird durch die extrem niedrigen Zinsen sowie Krisenherde wie Italien und Griechenland geschwächt", sagte Bockelmann am vergangenen Freitag anlässlich der Jahrespressekonferenz des Verbandes, der die Volks- und Raiffeisenbanken in 13 Bundesländern vertritt.

Immer mehr Deutsche legten ihr Geld daher etwa auf Tagesgeldkonten an, obwohl die Inflationsrate in Deutschland mittlerweile deutlich höher liegt als die dort gebotenen Zinsen. Der Sparer werde auf diese Art zum Verlierer der EZB-Politik, erklärte Bockelmann. "Die will ihn in den Konsum treiben, obwohl er eigentlich mehr Geld zurücklegen muss für die Altersvorsorge", sagte er. In einer Umfrage unter den Volks- und Raiffeisenbanken, die der Verband vertritt, hätten 90 Prozent der Institute angegeben, ihre Privatkunden sorgten zu wenig für den Ruhestand vor.

Privatkunden sollen weiterhin keine "Strafzinsen" zahlen
Die Negativzinsen, die europäische Kreditinstitute auf ihre eigenen Einlagen bei der EZB zahlen müssen, würden die Genossenschaftsbanken auch künftig nicht an ihre Privatkunden durchreichen, sagte Bockelmann. Viele Volks- und Raiffeisenbanken nähmen allerdings inzwischen "Strafzinsen" von Unternehmen, institutionellen Kunden und der öffentlichen Hand. Eine Umfrage unter den Mitgliedsinstituten habe ergeben, dass 80 Prozent der Befragten zudem Preisanpassungen vor allem im Zahlungsverkehr und im Wertpapiergeschäft vorgenommen haben.

Viele Genossenschaftsbanken schließen außerdem Zweigstellen. Im vergangenen Jahr seien 203 Filialen von der Bildfläche verschwunden, 4.789 werden noch betrieben. In etwa jeder dritten stehen jedoch nur Automaten zur Selbstbedienung. Bockelmann geht zudem davon aus, dass weiterhin Dienstleistungen in größeren Filialen zusammengefasst und Kleinstfilialen auf dem Lande geschlossen werden. Der Grund dafür, dass immer mehr kleine Institute ihre Eigenständigkeit aufgeben, seien nicht zuletzt die zunehmenden Herausforderungen, die die Regulierung mit sich bringt.

Zahl der Genossenschaftsbanken sinkt weiter
"Das Fusionstempo hat sich mehr als verdreifacht", sagte Bockelmann. Allein im Gebiet des Genossenschaftsverbandes, das außer Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen alle Bundesländer umfasst, ist die Zahl der Volks- und Raiffeisenbanken im vergangenen Jahr von 281 auf 262 zurückgegangen. Seit Januar 2017 seien bereits elf Fusionen angemeldet worden.

Bockelmann erwartet, dass es im Verbandsgebiet bis zum Jahr 2020 nur noch 175 Genossenschaftsbanken geben wird. Besonders kleinere Häuser befänden sich "im Zangengriff sinkender Erträge durch die Niedrigzinsphase und steigender Kosten durch die Regulierung". (am)