Von hell- bis dunkelgrün – Nachhaltigkeit in allen Schattierungen und Facetten war das zentrale Thema beim 8. Finanzplaner Forum Rhein-Ruhr am 16. und 17. Mai in Düsseldorf. Das Finanzplaner Forum ist eine Initiative für rund 6.000 Finanzplaner und -berater in Deutschland, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich und der Schweiz. Im Gebiet Rhein-Ruhr gehören gut 600 Financial Planner dem Forum an – und viele von ihnen hatten sich zum Netzwerk-Treffen eingefunden. FONDS professionell war als Medienpartner vor Ort dabei.

Das zentrale Thema des 8. Finanzplaner Forums trifft den Nerv der Zeit. Nicht nur, dass Nachhaltigkeit sich in der Fondsbranche innerhalb weniger Jahre zum Megatrend entwickelt hat. Der 2. August 2022 markiert auch einen Einschnitt in der Anlageberatung bei Banken und Vermögensverwaltern. Von diesem Datum an müssen Finanz-Profis ihre Kunden fragen, wie nachhaltig die Investments denn sein dürfen. Je nach Antwort könnte es allerdings schwierig werden, die passenden Produkte für ein grünes Portfolio zu finden, erklärte Christian Waigel, Partner der Münchner Kanzlei Waigel Rechtsanwälte, in seinem Vortrag.

Vermutlich keine Verschiebung
"Im August 2021 ist die Neufassung für die Delegierte Verordnung 2017/565 zur Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie Mifid II im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden", sagte Waigel. Diese sieht für die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz den 2. August 2022 als Starttermin vor. Zwar war in der Branche immer wieder einmal über eine Verschiebung des Starts spekuliert worden, doch danach sieht es inzwischen nicht mehr aus.

Auf Berater und Vermögensverwalter kommen damit schon in wenigen Wochen neue Aufgaben zu. "Sie müssen ermitteln, ob und wenn ja inwieweit sie nachhaltige Finanzprodukte für ihre Kunden beziehen sollen", erläuterte Waigel. Wünscht sich ein Anleger ESG im Depot, so haben die Berater zu fragen, welcher Anteil in "hell-, mittel- oder dunkelgrüne" Investments fließen soll. "Hellgrüne Finanzprodukte sind solche, bei denen die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden", so Waigel. "Solche Investments lassen sich am Markt durchaus finden", sagte der Branchenkenner.

Kein Problem mit Artikel-8- und Artikel-9-Fonds 
Gewählt werden können auch "etwas grünere" Finanzinstrumente mit einem Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen im Sinne von Artikel 2, Nummer 17 der Offenlegungsverordnung. Dabei handelt es sich um wirtschaftliche Tätigkeiten, die zur Erreichung eines Umweltziels beitragen. "Berater können hier bestimmte Produkte nach Artikel 8 oder nach Artikel 9 der Offenlegungsverordnung wählen", so Waigel. Auch solche Finanzprodukte seien recht leicht zu finden.

Schwierig werde es aber, wenn ein Kunde "dunkelgrüne" Anlageprodukte in sein Depot wählen möchte. "Dabei handelt es sich um Investments wie Fonds, die dem 'Prime-Standard' entsprechen", erklärte Waigel. Als "Prime-Standard" in Sachen nachhaltige Geldanlage bezeichnet der Jurist die EU-Taxonomie-Verordnung. Das Regelwerk klassifiziert, welche Wirtschaftsaktivitäten künftig als nachhaltig gelten sollen, weil sie ökologische, soziale und ethische Aspekte berücksichtigen. Klare Vorgaben hat ein delegierter Rechtsakt Anfang 2022 für die grüne Taxonomie definiert. Für eine soziale Variante gibt es bisher nur einige Empfehlungen.

Über 200 Seiten 
"Die Taxonomie legt fest, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit als ökologisch nachhaltig eingestuft werden darf, wenn sie mindestens zu einem von sechs Umweltzielen beiträgt, ohne gegen ein anderes zu verstoßen", sagte Waigel. Zu den Umweltzielen zählen etwa Klimaschutz, eine nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen oder der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft. "Zu jedem Umweltziel wird nun ein delegierter Rechtsakt erarbeitet und keiner wird weniger als 200 Seiten umfassen", vermutet Waigel. 

"Dort findet man dann quasi jede wirtschaftliche Tätigkeit mit Grenzwerten, die festlegen, wann sie ökologisch ist und wann nicht", sagte er in seinem Vortrag. Das führt nun direkt zum Problem: Da die Grenzwerte sehr streng ausfallen werden, wie sich bereits an den Entwürfen für einige delegierte Rechtsakte zeigt, sei davon auszugehen, dass ein Großteil der deutschen Wirtschaft die Werte nicht einhalten kann. "Man geht davon aus, dass Deutschland im Moment zwischen sechs und acht Prozent taxonomiekonform produziert", berichtete Waigel. In anderen EU-Ländern dürfte es nicht viel besser aussehen. 

Orientierung am Verbändekonzept
"Daher werden Berater vorerst keine Finanzprodukte empfehlen können, wenn sich ihre Kunden Investments wünschen, die der Taxonomie entsprechen", sagte er. Anlageberatern rät er, sich ab dem 2. August bei der Empfehlung von nachhaltigen Finanzprodukten am "ESG-Zielmarktkonzept" zu orientieren. Dieses haben Branchenverbände der Fondsgesellschaften (BVI), Banken (DK) und Zertifikatehäuser (DDV) gemeinsam entwickelt und mit der Finanzaufsicht Bafin abgestimmt. 

Wie Finanz-Profis das Verbändekonzept in ihrer Praxis anwenden können, erklärte Frank Kühn von Allianz Global Investors. Professor Dirk Söhnholz, Honorarprofessor für Asset Management an der Universität Leipzig und Geschäftsführer des ETF-Experten Soehnholz ESG, erläuterte, wie Greenwashing leicht zu erkennen ist. Über die Entwicklungen der Sozialen Taxonomie informierte Kristina Jeromin vom Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung.

Finanzplatz Liechtenstein im Fokus
Hoher Besuch stellte sich am Abend des ersten Veranstaltungstages ein. Die Liechtensteinische Botschafterin in Deutschland, Isabel Frommelt-Gottschald, David Gamper, Geschäftsführer des Liechtensteinischen Anlagefondsverbandes, Simon Tribelhorn, Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands, und Marcel Müller, Vorstand des Vereins unabhängiger Vermögensverwalter, erläuterten ausführlich die Transformation und die Möglichkeiten des Finanzplatzes. 

Spannende Vorträge zu weiteren aktuellen Entwicklungen wie die Rückkehr der Inflation, die Frage, ob Rentenfonds wirklich noch ins Depot von Privatanlegern gehören, oder welche Themenfonds derzeit die besten Renditechancen versprechen, rundeten das zweitägige Programm ab. Und in den Pausen blieb viel Zeit für interessante Experten-Gespräche und einen regen Austausch unter Kollegen.

Um einige Impressionen vom 8. Finanzplaner Forum in Düsseldorf zu erhalten – klicken Sie sich durch unsere Fotostrecke oben. (am)