Angesichts steigender Ausgaben für Heizung, Lebensmittel und Wohnen zögern Menschen davor, Geld fürs Alter zurückzulegen. Nur noch 40 Prozent der Deutschen sehen genug Spielraum, um Geld für das Alter zurückzulegen, zeigt etwa eine Umfrage. Der Crash an den Finanzmärkten des vergangenen Jahres könnte zudem Sparer abschrecken. Asset Manager können darauf jedoch reagieren, meinen Maren Schmitz und Benedikt Höck von der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG im Interview mit FONDS professionell ONLINE.

Die beiden Branchenkenner bringen Sparplanpausen oder Garantiefonds als Lösungen ins Spiel. Zudem sollten die Anbieter ihre Kunden zielgerichtet ansprechen und die neue Generation in der digitalen Welt abholen. Dafür müssen sich die Asset Manager aber aus ihrer Rolle als Produktanbieter herauswagen und stärker in den Vertrieb einsteigen, meinen die KPMG-Profis.


Die hohe Inflation verteuert einige Ausgaben deutlich. Weniger Menschen können noch Geld beiseite legen. Macht sich das auch bei den Asset Managern bemerkbar?

Benedikt Höck: Einige Häuser berichten, dass die Kunden nicht mehr in dem Maße Mittel zurücklegen wie früher. Einige Privatanleger haben wirklich weniger Geld für die Anlage zur Verfügung. Manche sprangen auch aufgrund der Unsicherheit an den Börsen während der Corona-Pandemie und dann in der Ukraine-Krise ab, weil der Wert ihres Depots sank. Zum anderen erscheinen Alternativen wie das Tagesgeld wieder attraktiver, gerade für sehr sicherheitsorientierte Anleger.

Was kann ein Asset Manager in dieser Lage unternehmen?

Höck: Zum einen können sich die Anbieter auf die Kundengruppen konzentrieren, die noch über Mittel für die Anlage verfügen. Zum anderen können sie Produkte und deren Vertrieb über die Kanäle so gestalten, dass sie auch Kunden ansprechen, bei denen das Geld knapper ist. Dazu müssen die Asset Manager aber ihre Kunden und deren individuelle Bedürfnisse und Möglichkeiten kennen und verstehen, um Produkte und Kanäle zu personalisieren. Das ist oftmals nicht der Fall.

Wie können solche Produkte aussehen?

Höck: Eine Idee wäre ein Wiederaufleben von Garantiefonds. Damit ließen sich Privatkunden ansprechen, die sich von den Kursschwankungen abschrecken ließen. Ein anderer Weg über die Kanäle wäre, etwa Sparpläne flexibler zu gestalten. Wenn bei Sparern das Geld knapp ist, sollten sich Sparpläne pausieren oder die Sparrate zeitweilig senken lassen. Bevor ein Kunde seinen Sparplan vollständig kündigt, ist dies allemal die bessere Lösung. Aber hier kommt es sehr darauf an, dass ein Anbieter die Kunden zielgerichtet anspricht und deren individuelle Situation besser antizipiert.

Wie gelingt das?

Höck: Viele Asset Manager halten bislang kaum Kontakt zum Kunden. Zwischen dem Abschluss eines Sparplans und dessen Kündigung passiert oft wenig. Dabei bekommen die Anbieter bereits beim ersten Kontakt Daten. Über welche Google-Suchbegriffe kam der Interessent auf die Website? Standort und Geräte verraten zudem potenziell viel über das Alter und das Einkommen. Im weiteren Verlauf sammeln die Anbieter dann immer mehr Daten und die Kunden lassen sich Kleingruppen, sogenannten Microclustern zuordnen. Eine Kundengruppe mit niedrigerem Einkommen erscheint eher gefährdet, einen Sparplan abbrechen zu müssen, wenn die Märkte unruhig werden. Diese können die Asset Manager dann proaktiv mit Lösungsmöglichkeiten wie einer Sparplanpause ansprechen.

Viele Asset Manager vertreiben ihre Fonds aber über Intermediäre. Die Fondsanbieter verfügen dann gar nicht über solche Daten.

Höck: Gewiss, in diesen Fällen ist es ungleich schwerer für die Asset Manager. Hier stehen die Produktanbieter aber vor der Frage, wie sie ihre Vertriebspartner unterstützen können. Und manche Asset Manager führen auch Depots. Hier sind also gewisse Kundendaten durchaus vorhanden.

Maren Schmitz: Die Asset Manager waren sehr auf die Rolle des Produktanbieters ausgerichtet. Doch sie sehen sich viel stärker mit der Frage konfrontiert, wie sie ihre Kunden erreichen. In Zukunft wird ein junger Mensch Mitte 20, der sich im Metaverse bewegt, nicht mehr die nächste Sparkassen- oder Volksbanken-Filiale in der Stadt aufsuchen. Die Asset Manager müssen die neue Generation Kunden dort abholen, wo sie sind.

Das ist stets in der digitalen Welt?

Schmitz: Das kann über klassische Websites erfolgen, aber auch über soziale Netzwerke und völlig neue Kanäle. Gleichwohl wird es Kunden geben, die nach wie vor einen persönlichen Kontakt wünschen. Auf diese Bandbreite müssen die Asset Manager eingehen. Zudem müssen sie ihre Produktwelt anpassen.

Inwiefern?

Schmitz: Die Anbieter konzentrierten sich bisher darauf, als Fondsmanager zu agieren. Doch Fonds sind nur ein Vehikel. Asset Manager müssen sich künftig vielmehr auf ihre Kernkompetenz besinnen, also die vermögensverwaltende Leistung oder das Anlagemanagement. Sie müssen einen umfassenden Service bieten. Dazu wird es auch gehören, direkt mit den Kunden in Kontakt zu treten und auch die Produkte anderer Anbieter einzubinden. Das Asset-Management-Geschäft wird sich zu einer Plattformlösung entwickeln. Die alten Grenzen zwischen Vertrieb und Produktanbieter werden verschwimmen.

Doch die Anbieter werden es sich nicht mit Vertrieben verscherzen wollen.

Schmitz: Auch die Vertriebskanäle werden reagieren. Wie schnell sich die Welt verändern kann, zeigte sich in der Corona-Pandemie. Doch der entscheidende Punkt ist, dass das Asset Management vom technologischen Wandel getrieben wird, wie alle anderen Branchen auch. Die Menschen werden es gewohnt sein, mit ihrem Smartphone alles jederzeit erledigen zu können. Darauf muss auch die Fondsbranche reagieren. Im Zuge dessen werden gewachsene Strukturen aufbrechen.

Vielen Dank für das Gespräch. (ert)