Die Vermittlung von Finanz- und Versicherungsprodukten ist oftmals mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden – etwa wenn es um die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen bei Anlageprodukten geht. Dass die Regulierung und die Bürokratie hierzulande und in der Europäischen Union (EU) mittlerweile sehr hoch ist und damit auch den Vertrieb von Produkten hemmt, meint auch Bafin-Präsident Mark Branson. In einem Interview mit dem "Handelsblatt" plädiert er für ein "weniger ist mehr", betont aber auch, dass die Aufsicht bei bestimmten Themen wie dem Vertrieb von Zertifikaten genau hinschaut.

Der oberste Finanzaufseher in Deutschland kritisiert unter anderem die Detailwut der EU. "In der EU gibt es einen Hang, jedes Detail haarklein zu regeln, um EU-weit für eine Gleichbehandlung zu sorgen. Es werden also so viele Regeln aufgestellt, dass am Ende überall das gleiche Ergebnis herauskommen muss", sagt Branson gegenüber dem "Handelsblatt". Auch in Deutschland gebe es den Glauben, dass eine weitere Regel alles noch ein bisschen besser macht. "Ich finde die Detaillierung der Regulierung übertrieben", so seine Meinung.

Mehr Vertrauen in Bafin & Co.
Er fordert daher, dass man den nationalen Aufsichtsbehörden mehr vertrauen und ihnen Freiraum bei der Durchsetzung der Gesetze geben sollte. "Unsere europäischen Gesetze sind ohnehin schon detaillierter als anderswo, da braucht es nicht noch eine Vielzahl zusätzlicher technischer Standards, die alles bis in die letzte Verästelung ausformulieren." Allerdings müsse die Branche dann auch damit leben, dass Politik und Aufsicht nicht alle Punkte im Voraus regeln.

Daher möchte die Bafin selbst mit gutem Beispiel vorangehen und Bürokratie abbauen. Branson nennt dafür die Abschaffung des Anlageberater-Registers (lesen Sie dazu auch den Kommentar "Warum das Aus für das Anlageberater-Register ein Fehler wäre" von FONDS professionell-Chefredakteur Bernd Mikosch). "Dieses Register hat für uns keinen Mehrwert, da wir Beschwerden auch über andere Kanäle erhalten", begründet er den Schritt.

Untersuchung zum Zertifikatevertrieb läuft noch
Das soll aber nicht heißen, dass Bransons Mitarbeiter beim Verbraucherschutz lockerlassen. So betont er, dass die Bafin der Frage nachgehe, ob der massenhafte Verkauf von sogenannten Zinszertifikaten, die vergleichsweise niedrige Zinsen boten, durch Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken im Jahr 2023 vertretbar war und ist. Die Untersuchung zu den Zertifikaten sei allerdings noch nicht abgeschlossen, sodass diese weiter vertrieben werden. 

"Es ist uns bewusst, dass von dem Thema sehr viele Kunden betroffen sind. Wir können allerdings grundsätzlich nur gegen Produkte vorgehen, die falsch beworben werden oder die für die Kunden zweifelsfrei unangemessen sind", stellt Branson klar – und fügt an: "Wichtig ist mir dabei zu betonen: Jeder Kunde hat auch eine eigene Verantwortung, sich über die Kosten und Angemessenheit eines Produkts zu informieren." (jb)