Die Deutschen gehen häufiger ins Netz. Etwa 78 Prozent aller Deutschen nutzen demnach digitale Technik, um ihre Bankgeschäfte zu Hause oder unterwegs zu erledigen. Vor einem Jahr waren es erst 60 Prozent, zeigte jüngst eine Umfrage des Bundesverbandes deutscher Banken unter mehr als 1.300 Teilnehmern. Die Nutzung von Online- und Mobile-Banking hat demzufolge besonders unter den Älteren stark zugenommen: Bei den 50- bis 59-Jährigen stieg der Anteil der Online-Banker von 60 auf 81 Prozent, bei den über 60-Jährigen von 39 auf 65 Prozent.

Dennoch stehen die Institute vor der Frage, wie sie mit Senioren umgehen, denen der Schritt in die digitale Welt schwer fällt. "Die Finanzindustrie hat diese Frage noch nicht ausreichend durchdrungen", zieht Oliver Geiseler, Seniorpartner der Beratungsgesellschaft Capco, als ernüchterndes Fazit. "Die Branche läuft Gefahr, eine Kundengruppe zu verlieren", warnt Geiseler. "Denn wenn die Banken im Zuge einer Digitalisierung Kunden vom Angebot abschneiden, ohne Alternativen aufzuzeigen, berauben sie sich einer wichtigen Ertragsquelle.“ Die ältere Generation sei durchaus wohlhabend, betont der Branchenkenner.

Unangenehme Aspekte
Wie gelingt den Geldhäusern aber der Spagat zwischen der Digitalisierung einerseits und der Bedienung onlineferner Kunden andererseits? Die Antwort hält für beide Seiten unangenehme Aspekte parat. Denn die Senioren kommen über kurz oder lang nicht darum herum, den Schritt ins Netz zu wagen. "Die Bankbranche steht unter einem enormen Kostendruck", erläutert Geiseler. Ausgaben für Mieten, Energie oder Gehälter steigen, demgegenüber klettern die Erträge nicht im gleichen Maße. "Die Digitalisierung eröffnet einen wichtigen Weg, die Kosten zu reduzieren", betont der Unternehmensberater.


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Die Banken wiederum werden nicht darum herumkommen, Investitionen vorzunehmen, um den Senioren den Umgang mit Online-Banking und Apps zu erleichtern. "Eine Generallösung in der Online-Ansprache für alle Kundengruppen, wie sie bisher praktiziert wurde, wird dabei nicht funktionieren", sagt der Capco-Experte. "Die Banken müssen eine Ansprache entwerfen, die auf die Bedürfnisse der jeweiligen Kundengruppe abgestimmt ist." Eine Möglichkeit wäre, eine entschlackte Variante des Online-Bankings für Senioren anzubieten. "Manche Kunden wollen auf sämtliche Funktionen zugreifen, andere nur die Kerninformationen wie die Kontoübersicht sehen und Basisfunktionen wie Überweisungen nutzen", erläutert Geiseler.

Entschlackte Variante
Für ältere Menschen wäre so eine übersichtlichere Version enorm hilfreich. "Neben einem reduzierten Funktionsumfang im Online-Banking und den Apps wäre mit weniger Feldern, dafür größeren Schriften sowie besseren Kontrasten und Farben schon viel gewonnen", erklärt der Experte. "Oftmals genügen schon ganz einfache Lösungen, um das Angebot anzupassen."

Die Bedeutung der Senioren als Kundengruppe wird jedenfalls zunehmen – allein wegen der demografischen Entwicklung. "Momentan ist der Druck auf die Banken noch nicht groß genug, dass sie ältere Menschen mit maßgeschneiderten Angeboten bedienen", urteilt Branchenkenner Geiseler. "Doch früher oder später wird ein Fintech diese Zielgruppe erkennen und passende Angebote entwickeln." Schlägt eine Bank jedoch früh diesen Weg ein, könne sie den Bonus als "First Mover" einstreichen und das Geschäft vielleicht sogar deutlich ausbauen – dank der zahlungs­kräftigen Senioren. (ert)