Die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) unter Arbeitnehmern soll langfristig auf 80 Prozent steigen, haben sich die federführenden Ministerien für Arbeit und Soziales (BMAS) und für Finanzen (BMF) auf die Fahnen geschrieben. Dazu wurde ein "Fachdialog zur Stärkung der Betriebsrente" gestartet, der die größten Verbreitungshürden aus dem Weg räumen soll.

Ein maßgebliches Mittel zum Zweck ist dabei das Sozialpartnermodell (SPM), das reine Beitragszusagen (rBZ) auf Basis von Tarifverträgen erlaubt. Die ersten Modelle sind kürzlich in der Energiewirtschaft und der Chemiebranche abgeschlossen worden. Weitere Projekte stehen in den Startlöchern.

Reine Beitragszusage gibt Antwort auf Garantieproblem
Die Politik begleitet solche Projekte wohlwollend und fördert sie mit dem Betriebsrenten-Stärkungsgesetz von 2018. Die neue "Tarifrente", so der Arbeitstitel des BMAS für das SPM statt des antiquierten Begriffs "Nahles-Rente", sei Herausforderung und Chance zugleich für die bAV, urteilte BMAS-Staatssekretär Rolf Schmachtenberg kürzlich auf einer Fachtagung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi (externer Link) in Berlin.

"Das Modell hat das Potenzial, die bAV qualitativ wie quantitativ entscheidend voranzubringen und gibt eine klare Antwort auf das Garantieproblem, indem es Chance und Sicherheit bei kapitalgedeckten Systemen bestmöglich verbindet", sagte Schmachtenberg. Garantien hätten schwere Nebenwirkungen und seien im Hinblick auf Ertragschancen unbestritten suboptimal. "Was die Effizienz der Kapitalanlage betrifft, sehe ich nicht, wer das besser und gleichzeitig sicherer machen könnte", so der Staatssekretär weiter.

Bislang nur mit Tarifvertrag erlaubt – Änderungen geplant?
Das BMAS setzt seit Längerem beim SPM einzig auf starke Sozialpartner und auch Tarifverträge. "Niemand kann glauben, dass die Einführung der rBZ für einzelne kleine Unternehmen zu durchweg guten Ergebnissen für Beschäftigte führt", bleibt Schmachtenberg weiter skeptisch. Eine solche Öffnung des SPM wäre quasi eine "Einladung für Vertriebsleute" und somit offenbar ein Aspekt, der die angestrebte Kostendisziplin gefährden könnte. 

Im Rahmen des angelaufenen Fachdialogs zeichnet sich nun ein liberales Vorgehen ab. Aus den eingegangenen Stellungnahmen der bAV-Akteure schließt das BMAS, dass eine Öffnung des SPM für Dritte begrüßt wird, jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen. Schmachtenberg nannte auf der Tagung zwei Voraussetzungen. Die konkreten Sozialpartner vor Ort müssten der Öffnung zustimmen. Und: Dritte sollen nicht frei unter möglichen SPM wählen können, wenn es einen einschlägigen Tarifvertrag für sie gibt. "Auf dieser Basis sollte sich eine Regelung finden lassen", blickte Schmachtenberg voraus.

Wie weitere Sozialpartnermodelle umgesetzt werden können
Judith Kerschbaumer, Leiterin des Bereichs Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik bei Verdi, zeigte auf der Tagung vier Chancen auf, nun in Deutschland zu mehr SPM-Abschlüssen zu kommen:

  1. Individuelle Verhandlungen (kostet aber zu viel Zeit); 
  2. Andocken an bestehende Tarifverträge durch tarifgebundene Sozialpartner (sinnvoll, aber noch offene Punkte, etwa Kostenbeteiligung, wenn weitere Arbeitgeber beitreten);
  3. Andocken an bestehende Tarifverträge durch tariflich ungebundene Sozialpartner (können Anwendung einschlägiger tariflicher Regelung vereinbaren);
  4. Differenzierungsklauseln nach Mitgliedschaft in Gewerkschaft oder Arbeitgeberverband, wobei aktuell noch Widerspruch besteht zwischen Tarifrecht (Tarifvertragsparteien sollen Nichttarifgebundenen Zugang nicht verwehren und dürfen der Versorgungseinrichtung keine sachlich unbegründeten Vorgaben machen) und Aufsichtsrecht (bei gleichen Voraussetzungen dürfen Prämien und Leistungen nur nach gleichen Grundsätzen bemessen werden).    

Arbeitgeber wollen Öffnung für alle, aber keine Billigmodelle
Die Arbeitgeber signalisierten, beim bisherigen SPM-Qualitätsanspruch nicht nachzulassen. "Ein Tarifvertrag ist für uns als Voraussetzung nicht zwingend, wird aber inzwischen als Voraussetzung akzeptiert", sagte Alexander Gunkel. Jetzt sollten die SPM weiter vereinfacht und für alle auch ohne einschlägigen Tarifvertrag geöffnet werden, so der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA.

Billigmodelle soll es ebenso wenig geben wie einen Einheits-Tarifvertrag für alle, etwa von BDA und DGB, so Gunkel weiter. Verdi fürchtet offenbar, dass bei Andocken tariflich ungebundener Unternehmen ohne die Vereinbarung einer einschlägigen tariflichen Regelung zu wenig Sicherungsbeitrag bezahlt wird und die Neuen auch ohne Kostenbeteiligung an Durchführung und Steuerung bestehender SPM dazukommen könnten.

Politik zur SPM-Öffnung noch gespalten
Da der Fortgang des Fachdialogs womöglich von gesetzlichen Änderungen flankiert wird, sind auch die Auffassungen der Fachpolitiker von Regierung und Opposition nicht unwichtig. SPM mit oder ohne Tarifvertrag, da scheiden sich die Geister: SPD, Grüne und Linke sind aktuell für den Zwang zu Tarifverträgen, CDU/CSU und FDP sind dagegen.

Einig schien man sich auf der Tagung zumindest darüber, dass alle Betriebe künftig attraktive bAV im SPM-Stil anbieten dürfen, ohne dass Gesetzgeber und Finanzaufsicht die Initiative der Sozialpartner ersticken. Einen wichtigen Punkt nannte Finanzberaterin Anja Schulz (FDP), Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales: Für 99 Prozent aller Betriebe, die nicht tarifgebunden sind, bleibt das SPM bisher unzugänglich. Eine Erweiterung würde vor allem Frauen und Geringverdienern zugutekommen. Über die Vergütung der Beratung fiel dagegen von den Politikern kein Wort. (dpo)