Die Auflösung von Bausparverträgen nach zehn Jahren ist rechtens, urteilte der Bundesgerichtshof am Dienstag. Der Aufschrei aufseiten der Sparkassenkunden ist unüberhörbar – Bausparkassen dagegen können aufatmen. Das Urteil verschafft ihnen eine kleine Pause im Überlebenskampf wegen der Niedrigzinsen. Der wird für immer mehr Branchenunternehmen existenziell: Viele Anbieter waren auf eine so lange Phase niedriger Zinsen nicht vorbereitet.

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) frisst sich immer tiefer in die Bilanzen der Bausparkassen, urteilt etwa die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ). Inzwischen sei ihr Kerngeschäft ernsthaft bedroht. Bausparkassen versuchen deshalb auf vielen Wegen, ihre Kosten zu senken. Die Auflösung alter Verträge ist nur einer davon. So hat etwa der Marktführer Schwäbisch Hall angekündigt, seine Personal- und Sachkosten um 15 Prozent senken zu wollen. Das heißt, dass von 7.000 Mitarbeitern 15 Prozent ihren Job verlieren.

"Die Bausparkassen sind also im Recht – strahlende Sieger sind sie aber nicht", schreibt auch Spiegel online. Das Magazin meint, dass das Branchenimage nun erst recht beschädigt sei. Schließlich hätten  Anbieter die Bausparverträge vor allem in den Neunzigerjahren offensiv als Geldanlage vermarktet. Das Darlehenselement wurde beinahe zur Nebensache. Einige besonders forsche Vermarkter versprachen sogar Bonuszinsen, wenn das Darlehen nicht in Anspruch genommen werde. Da zerstört eine Kündingungswelle das bisschen Restvertrauen, das noch übriggeblieben war, jetzt komplett.

Verbraucherschützer in Sorge
"Bausparkassen werden nun erst Recht auf massenhafte Kündigung von Bausparverträgen setzen, um Kunden los zu werden", befürchtet denn auch Hartmut Schwarz, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen. "Das Urteil des BGH ist ein Schlag ins Gesicht für alle Bausparer. Es wäre überfällig gewesen, dass Bausparkassen mit ihren verbraucherschädigenden Kündigungen in die Schranken verwiesen werden", kommentiert Susanna Karawanskij, Mitglied im Finanzausschuss für die Fraktion Die Linke. Schließlich hätten diese vor wenigen Jahren noch mit Bausparverträgen als sicherer Geldanlage um die Kundengunst gebuhlt.

Weg mit dem Alten, her mit dem Neuen
Politik und Finanzaufsicht sorgen sich seit längerem um die Zukunft der Bausparkassen. Bereits im Jahr 2015 hatte das Bundeskabinett ein neues Gesetz auf den Weg gebracht, das den Instituten erlaubt, neben ihrem Kerngeschäft mehr Immobilienfinanzierung zu tätigen. Genützt hat es bisher nichts. Im Jahr 2022 entstünden den 22 Bausparkassen in Deutschland Verluste in Höhe von 1,1 Milliarden Euro, wenn die Zinsen so niedrig bleiben wie aktuell, zeigt eine Studie aus dem vergangenen Jahr.

Die Bausparkassen müssen rasch reagieren. Viele werfen nicht nur langjährige Kunden raus, sondern gestalten auch ihre Tarife neu: Schwäbisch Hall etwa bietet seit vergangenem Sommer einen Bausparvertrag an, bei dem Guthaben- und Darlehenszins innerhalb einer Bandbreite schwanken und an das Zinsniveau angepasst werden können. Wüstenrot bietet ein ähnliches Produkt an. (fp)