Klassischen Beratern erwächst eine neue Konkurrenz, und die Angreifer lauern im Internet: Über leistungsstarke Online-Plattformen können sich Anleger ihr eigenes Portfolio quasi vollautomatisch zusammenstellen und überwachen lassen. Immer mehr Asset Manager bauen eigene "Robo-Advisor" auf oder kaufen passende Start-ups dazu. So auch der Branchenprimus Blackrock. Christian Machts, Privatkunden-Vertriebschef für Deutschland, Österreich und Osteuropa, erklärt im Interview die Strategie von Blackrock und verrät, welche Erkenntnisse sich aus Online-Datenquellen gewinnen lassen.

Herr Machts, Finanzberatung über Online-Plattformen entwickelt sich zum Trendthema. Algorithmen erstellen auf die Bedürfnisse der Anleger zugeschnittene Portfolios. Ist die Euphorie um diese sogenannten Fintechs übertrieben?

Christian Machts: Nein, das ist ein Megathema, das die Industrie und uns bewegt. Blackrock hat sich schon immer als Technologieführer verstanden. Wir wollen auch hier künftig Teil der Entwicklung sein. Denn dies bedeutet für uns auch, näher an unseren Partnern zu sein.

Meinen Sie damit auch den Direktzugang zu Endkunden?

Machts: Nein, das ist nicht unser strategisches Ziel. Wir haben jüngst den Robo Advisor Future Advisors übernommen. Uns geht es hierbei vielmehr darum, den Markt und die Mechanismen zu verstehen sowie aus der Technologie und Kultur zu lernen. Wir prüfen derzeit, welche Elemente aus diesen neuen Technologien wir übernehmen und an unsere Vertriebspartner weiterreichen.

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Welche Elemente kämen da infrage?

Machts: Wir arbeiten etwa mit Hochdruck daran, professionelles Risikomanagement auch Endkunden zugänglich zu machen. Die Entwicklungen ermöglichen es etwa, die Risiken in jedem einzelnen Portfolio eines Kunden aufzuschlüsseln, zu zerlegen und transparent darzustellen. Dies können künftig freie Berater sowie Betreuer im Private-Banking, im Wealth Management oder in Family Offices genauso nutzen wie jetzt bereits große institutionelle Investoren.

Wie hilft das im Kundengespräch?

Machts: Berater können ihren Kunden in interaktiven Darstellungen zeigen, wie sich das Portfolio in Stress-Situationen verhält oder wie abhängig es von der Entwicklung einzelner Märkte und Faktoren ist. Schließlich können Berater dann im Gespräch das Portfolio optimieren. Die Werkzeuge dafür wollen wir unseren Vertriebspartnern anbieten.

Welche Einsatzfelder gibt es noch?

Machts: Da wäre etwa das detaillierte Reporting gerade im Bereich der Vermögensverwaltung. Die Anforderungen mit der kommenden Regulierung nach Mifid II werden hier weiter steigen. Zudem eröffnet die Nutzung gesammelter Daten, das sogenannte "Big Data", erhebliches Potenzial. Für uns zählt es zum Kerngeschäft zu prüfen, welche Daten verfügbar sind und wie wir sie nutzen können, um die Portfolios unserer Anleger zu optimieren. Das betrifft unter anderem auch das Informationsmanagement.

Nennen Sie bitte ein Beispiel.

Machts: Selbst ein so großes Haus wie Blackrock kann nicht alle Research-Berichte zu Unternehmen lesen und verwerten, die weltweit verfasst werden. Daher lesen wir sie bereits heute maschinell aus, sammeln die wichtigsten Erkenntnisse und stellen sie komprimiert für unsere Fondsmanager zur Verfügung. Der Aufwand dabei ist groß. Allein um die Berichterstattung nur der US-Unternehmen in einem Jahr zu speichern, muss das Rechenzentrum so groß wie ein Fußballfeld sein.

Werten Sie auch soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook aus?

Machts: Ja, Blackrock hat eine eigene Einheit, die viele verschiedene öffentliche Datenquellen auswertet, deren Qualität bewertet und sich mit der Frage beschäftigt, wie man sie nutzen kann. Die Auswertung der Nachrichten auf Twitter rund um die Griechenland-Krise etwa war hoch spannend. Die dort vorherrschenden Stimmungen lassen Schlüsse für das Portfoliomanagement zu.

Werden Entwicklungen aus dem Fintech-Bereich den Finanzvertrieb umkrempeln?

Machts: Innovation ist nicht aufzuhalten. Wir arbeiten gern und auf vielen Ebenen mit Fintechs zusammen. Stand heute glaube ich nicht, dass bestehende Fintechs den Markt kurzfristig revolutionieren werden. Es gibt noch kein Modell, das überzeugend Kunden klassifiziert und mit Blick auf die individuellen Bedürfnisse ein Portfolio aufbaut. Kein Konzept hat bislang das Potenzial gezeigt, erheblichen Druck auf etablierte Player aufzubauen. Es werden noch viele Fintechs kommen und gehen, bis ein Geschäftsmodell entsteht, das die bisherige Marktstruktur deutlich verändern könnte. (ert)


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