Die große Koalition plant, das Beratungsprotokoll bei Wertpapieranlagegeschäften abzuschaffen. Im Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums (BMF) für ein Finanzmarktnovellierungsgesetz, der FONDS professionell ONLINE vorliegt, ist der Passus über diese Art des Protokolls gestrichen. Stattdessen ist eine Geeignetheitsprüfung mit schriftlicher Erklärung durch den Wertpapierberater vorgesehen. Dies hatte zuvor auch die "Börsen-Zeitung" (BöZ) in ihrer Samstagsausgabe berichetet.

Die Regierung in Berlin reagiert mit dem Entwurf auf die europäische Finanzmarktrichtlinie Mifid II, die bis Mitte 2016 in deutsches Recht umgesetzt werden muss und ab Januar 2017 volle Rechtskraft entfaltet. Die Mifid sieht kein Beratungsprotokoll, dafür aber eine Geeignetheitsprüfung vor. Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen in der Anlageberatung ihren Privatkunden "auf einem dauerhaften Datenträger eine Erklärung über die Geeignetheit der Empfehlung (Geeignetheitserklärung) zur Verfügung stellen". So steht es im Entwurf. Diese Erklärung muss dem Kunden vor dem Geschäft vorgelegt werden und ihn somit darüber informieren, wie die Beratung auf seine Präferenzen, Anlageziele und die sonstigen Merkmale abgestimmt worden ist.

Hoher bürokratischer Aufwand
Der Entwurf dürfte bei deutschen Finanzdienstleistern auf Zustimmung stoßen. Das seit 2010 für Banken und seit 2013 auch für freie Finanzberater geltende Protokoll steht in der Kritik. Vor allem der hohe bürokratische Aufwand hat dazu geführt, dass sich kleinere Banken fast vollständig aus dem Wertpapiergeschäft zurückgezogen haben. Die Bundesregierung hatte im Herbst 2014 auf die Situation reagiert und ein Symposium mit Branchenvertretern veranstaltet, um Erfahrungen und Studienergebnisse abzugleichen. Von einer Abschaffung des Protokolls war damals aber nicht die Rede gewesen.

Bei Fachjuristen und Berliner Politikern ruft die geplante Streichung ein positives Echo hervor. "Das ist definitiv ein Fortschritt", erklärt Norman Wirth, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Finanzwirt und Partner der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte in Berlin. Im Moment herrsche etwa Unklarheit darüber, ob bei Folgeberatungen tatsächlich alle Abfragen erneut vorgenommen werden müssen oder nicht. "Ich halte diese Vorgehensweise ohnehin für unnötig, wenn sie mit der Umsetzung der Mifid II abgeschafft wird, dann ist das richtig", sagt er FONDS professionell ONLINE.

Frage nach dem Protokoll nicht entscheidend
Auch der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick, beurteilt eine Abschaffung des Beratungsprotokolls positiv. "Es dient ohnehin mehr der Absicherung des Beraters als der des Kunden", erklärt er. Allerdings sei die Frage nach der Art des Protokolls für ihn nicht entscheidend. "Was wir mit Mifid II erreichen sollten, ist eine wirklich unabhängige Beratung, die nicht darauf ausgerichtet ist, dem Kunden bestimmte Produkte zu verkaufen", sagt Schick. Dann käme Protokollen ganz von selbst eine wesentlich geringere Bedeutung zu.

"Die Einführung des aktuellen Protokolls war ja ein Reflex auf Fehlberatungen", erklärt Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD. Auch er ist davon überzeugt, dass das Schriftstück weniger dem Kunden als vielmehr dem Berater dient. Es sei daher an der Zeit, ein bedarfsgerechtes Protokoll einzuführen. "Da brauchen wir einfach eine Weiterentwicklung", sagt Binding. Ob der Referentenentwurf in der aktuellen Fassung so auch in ein Gesetz gegossen wird, lasse sich derzeit aber noch nicht beurteilen. (jb/am)