Das zum Jahresbeginn in Kraft getretene Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) wird die Vergütung vieler Makler drücken. Die Vermittler müssen sich überlegen, wie sie die Ausfälle kompensieren. Branchenexperten empfehlen Maklern, sich verstärkt auf das Kompositgeschäft zu konzentrieren und Cross-Selling-Potenziale auszunutzen. Ein weiterer oft gegebener Ratschlag ist, die Effizienz in allen Bereichen des Vermittlungsprozesses zu erhöhen.

FONDS professionell ONLINE sprach mit Klaus Möller, dem Geschäftsführer der Defino Deutsche Finanznorm, über die Chancen, die ein strukturierter Beratungsprozess und eine geplante DIN-Norm für die Finanzanalyse den Maklern eröffnen.

Herr Möller, durch das LVRG stehen die Vergütungen der Makler unter Druck, die bislang vor allem Lebenspolicen vermittelten. Wie können diese reagieren?

Klaus Möller: Das LVRG erhöht den Druck auf die Qualität und auch die Quantität in der Beratungspraxis der Makler, wobei die Versicherungsunternehmen Qualität unter dem Gesichtspunkt Stabilität sehen, was sie wiederum an den Stornoquoten festmachen. Daher wirkt sich ein strukturierter Beratungsprozess, der systematisch unter Berücksichtigung der Kundenwünsche alle Versorgungslücken eines Kunden aufdeckt und mit geeigneten Produkten schließt, sowohl positiv auf den Kunden wie auch auf den Vermittler aus. Der Versicherungsnehmer erhält die nötige, auf ihn abgestimmte Absicherung, und der Vermittler hat zumindest die Chance auf den Abschluss mehrerer Policen, nicht nur einer Lebensversicherung – also das, was gemeinhin unter dem Stichwort Cross Selling läuft. Noch wichtiger ist aber, dass für den Vermittler wesentlich weniger Stornos entstehen und so auch seine laufenden Bestandsvergütungen stabil bleiben.

Nimmt ein solcher Prozess nicht zu viel Zeit in Anspruch?

Möller: Je strukturierter ein Beratungsprozess ist, desto höher ist auch die Effizienz – das dürfte jedem einleuchten. Der Makler kann die Beratung schneller durchführen und auch alle relevanten Punkte wie eine Haftpflicht-, Berufsunfähigkeits- oder Pflegeabsicherung berücksichtigen. Man darf auch nicht vergessen, dass es aufgrund der demografischen Entwicklung immer weniger Vermittler geben wird, während gleichzeitig der Bedarf an Versicherungen nicht wesentlich sinkt. Die verbleibenden Vermittler müssen also ohnehin schneller und damit strukturierter arbeiten.

Defino hat dafür ein Regelwerk entwickelt und die DIN SPEC 77222 "Standardisierte Finanzanalyse für den Privathaushalt" initiiert. Dieser Standard für die Finanzanalyse soll nun in eine "richtige" DIN-Norm überführt werden. Wie kann eine Norm für den Analyseteil des Prozesses den Vermittlern helfen?

Möller: In der Vergangenheit haben die Vermittler wegen der hohen Provisionen oft das Lebensgeschäft nach vorne gestellt, das Kompositgeschäft ist erst seit Kurzem wegen der stabilen Bestandsvergütung gesucht. Durch die DIN-Norm wird genau dieses Sachgeschäft ohne Wenn und Aber an den ihm gebührenden Platz gerückt. Die Grundlagen für eine ordentliche Absicherung sind nun einmal an erster Stelle Haftpflichtversicherungen. Die Branche kann sich zudem mithilfe einer normierten Bedarfsanalyse flächendeckend vom reinen Produktverkauf entfernen, auch wenn es immer wieder vorkommen wird, dass ein Kunde einfach nur eine neue Hausratspolice und nichts anderes haben möchte.

Sollte ein strukturierter Beratungsprozess nicht ohnehin das Gegenteil eines Produktverkaufes sein?

Möller: Das stimmt. Eine Norm als Grundlage des Analyseprozesses kann aber darüber hinaus helfen, den Ruf der Branche zu verbessern, da die Berater so gegenüber ihren Kunden einen geringeren Rechtfertigungsdruck haben. Die Kunden werden merken, dass ihre Interessen im Vordergrund stehen und nicht die finanzielle Interessen des Vermittlers.

Wird die Norm auch zu einer höheren Effizienz in der Beratung führen?

Möller: Ja, das kann sein. Standardisierung ist immer auch Prozessoptimierung. Noch wichtiger ist, dass sie eine höhere Vergleichbarkeit ermöglicht. Bei Investmentprodukten existieren beispielsweise verschiedene Risikoklassifizierungen. In der Regel sind es fünf bis sieben, mitunter aber auch 50. Mit einer Normierung wäre es überdies möglich, dass ein Kunde mit dem Ergebnis einer Finanz- und Bedarfsanalyse zu verschiedenen Banken und Beratern gehen und dort das beste Angebot einholen kann oder diese bei anderen Vermittlern als Basis für eine Produktanalyse nimmt.

Was ist denn der aktuelle Stand bezüglich der Entwicklung der Norm?

Möller: Dazu kann ich nur sagen: Das Interesse der Branche an der Normierungsarbeit ist riesengroß. Der im November 2014 konstituierte Ausschuss bei dem Deutschen Institut für Normung ist ein wirkliches Spiegelbild der gesamten Branche. In dem Ausschuss haben wir uns auf einvernehmlich auf das weitere Vorgehen geeinigt.
 
Viele Experten und Trendforscher sehen das Internet als den Vertriebskanal der Zukunft. Kann ein normierter Beratungsprozess auch für den direkten Onlinevertrieb genutzt werden?

Möller: Die Meinung im DIN-Ausschuss ist, dass dies möglich sein muss.

Die Übergabe eines Bestands auf andere Vermittler ist für viele Makler ein immer dringender werdendes Problem. Kann ein Beratungsprozess auch hier hilfreich sein?

Möller: Unsere Defino-Beratungssoftware ermöglicht es zum einen zu sehen, welche Lücken ein Kunde in den einzelnen Sparten hat. Darüber hinaus kann man eine solche Übersicht auch für den gesamten Bestand eines Vermittlers aufstellen. Damit ist ein Soll-/Ist-Abgleich für einen kompletten Bestand möglich, und ein potenzieller Käufer kann schnell erkennen, wie viel Potenzial ein Bestand  bietet.

Wir danken für das Gespräch. (jb)

___________________________________________________________________

Einen ausführlichen Bericht zu den Änderungen der Provisionen im Zuge des LVRG finden Sie in der eben erschienenen Printausgabe 1/2015. FONDS professionell KLUB-Mitglieder können den Artikel "Weniger Provision" auch hier im E-Magazin lesen.