DIN-Norm für Finanzberatung soll 2017 kommen
Das Deutsche Institut für Normierung (DIN) arbeitet derzeit an einem Standard für die Bedarfsanalyse bei der Beratung. Ab 2017 könnte mit dessen Hilfe die Qualität zum Kundenwohl gesteigert werden. Grundlage der Norm ist eine DIN-Spec der Defino.
Die kompetente Unterstützung von Kunden bei Fragen zu Versicherungs- oder Finanzprodukten vor dem eigentlichen Produktverkauf ist der Hauptjob von Vermittlern und Beratern. Der Gesetzgeber lässt Kundenbetreuern dabei einen großen Spielraum, wie sie die Beratung durchführen. Ein nicht unbedingt wünschenswerter Nebeneffekt für Kunden ist es daher, dass sie bei zehn verschiedenen Beratern zehn verschiedene Empfehlungen erhalten.
Das könnte ab 2017 der Vergangenheit angehören: Das Deutsche Institut für Normierung (DIN) arbeitet daran, möglicherweise schon im kommenden Jahr Regeln für eine standarisierte Bedarfsanalyse im Rahmen der Anlageplanung vorzulegen und damit – wenn nicht den gesamten Beratungsprozess – so aber doch die davor geschaltete Bestandsausnahme der Vermögenssituation eines ratsuchenden Kunden einer einheitlichen Norm zu unterlegen.
Namhafte Branchenvertreter
Diese Information sowie die Namen einiger beteiligten Gesellschaften, die schon seit 2014 in einem 40-köpfigen Ausschuss über der genauen Definition der Norm brüten, hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) dem DIN-Institut sowie dem Bundesministerium für Verbraucherschutz entlocken können. Darunter finden sich namhafte Akteure aus dem Bankenbereich wie die Deutsche Bank und die Commerzbank, Versicherer wie die Allianz und die Zurich sowie Vermittler wie die OVB und Formaxx.
Hinzu kommen das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz sowie die Stiftung Warentest, so die FAZ. Das Haus von Minister Heiko Maas (SPD) sehe die Arbeit an einer Finanzberatungsnorm als vielversprechende Entwicklung. Solche Standards könnten dazu beitragen, dass sich die Beratungsqualität verbessere, heißt es. Damit soll auch das beschädigte Vertrauen der Kunden in die Finanzberatung wieder hergestellt werden.
Rundum-Analyse
Diskussions-Grundlage für die Norm ist die im März 2014 veröffentlichte DIN Spec 77222 "Standardisierte Finanzanalyse für den Privathaushalt" der Defino Gesellschaft für Finanznorm, die nun unter dem Namen Defino Institut für Finanznorm an die Öffentlichkeit tritt. Die Grundzüge des Regelwerks waren schon 2007 beim Finanzvertrieb Formaxx entwickelt worden. Darauf aufbauend entwickelte Defino 2011 gemeinsam mit Wissenschaftlern die "Deutsche Finanz Norm", aus der schließlich die DIN-Spezifikation entstand, die eine Vorstufe zu einer Norm ist (FONDS professionell ONLINE berichtete).
Die Spec 77222 definiert eine Rundum-Analyse, mit der überprüft wird, ob der Versicherungs- und Vorsorgeschutz einer Person vollständig und ausreichend ist. Ein auf dieser Spezifikation basierendes IT-Tool fragt hintereinander drei vorgegebene Bereiche ab und berechnet die Deckungslücken. Im ersten Teil (Absicherung) werden unter anderem Privathaftpflicht und Hausrat geprüft. Teil zwei durchleuchtet die vorhandene Altersvorsorge. Zuletzt kommt die Vermögensbildung. In jedem Bereich wird priorisiert: Beispielsweise hat eine Privathaftpflicht Vorrang vor anderen Risikoabsicherungen. Auf Basis dieser Analyse kann ein Vermittler dann in die eigentliche Beratung einsteigen und die für den Kunden passenden Produkte suchen.
Kritiker diskutieren mit
Die Spezifikation ist aber unter Fachleuten umstritten. Aufgabe des Ausschusses beim DIN-Institut ist es daher, die Meinungen der Experten unter einen Hut zu bekommen und eine für die Branche inhaltlich ausgewogene und gleichzeitig für den Vertrieb auch in der Praxis umsetzbare Norm zu definieren. Ob das gelingt, soll das kommende Jahr zeigen (lesen Sie dazu auch den Kommentar "Warum sich die Finanzbranche am DIN-Institut zusammenraufen muss" von FONDS professionell-Redakteur Jens Bredenbals). (jb)
Ein detaillierte Darstellung der Spezifikation 77222 und ein Porträt der Defino finden Sie in der Ausgabe 1/2016 FONDS professionell. Angemeldete Mitglieder des FONDS professionell KLUBs können den Artikel auch hier im E-Magazin lesen.
Kommentare
Pro Contra DIN Norm
AntwortenDie Diskussion um eine DIN Norm in der Finanzdienstleistungsbranche ist nicht neu. Die Pflichten, die für einem Versicherungsmakler gelten, stehen allerdings bereits weitgehend fest. Ein DIN Norm System wird sich jedoch nicht nur auf die reine Analyse beschränken und objektive Ergebnisse zu den Deckungslücken aufzeigen. Eine objektive Auswertung aller (angeblichen) Deckungslücken kann eben nicht erfolgen. Die abgespeckte Light-Version der DEFINO Software haben wir getestet. Insbesondere im Bereich der Deckungslücke in der Altersvorsorge kam als möglicher gut geeigneter Durchführungsweg häufig die Basisrente heraus, obwohl die Vererbbarkeit als wichtiges Kriterium angegeben wurde und die Mandanten keine hohen Steuersätze hatten. Ich hoffe, dass das nur Einzelfälle waren. Es wäre ebenfalls nicht neu, wenn mit einem neuen Analysetool vor allem gebundenen Beratern ein standardisiertes Verkaufsinstrument zur Verfügung gestellt werden soll, das sich optimal für den Vertrieb eignet, da es eine scheinbar hochoffizielle Norm erfüllt.
AlexK2016 am 08.07.16 um 15:51DIN Norm für Finanzberatung
AntwortenWie bereits angemerkt, ist es schon nützlich, dass es DIN Normen gibt, die helfen - allseits bekannte - Fehler zu vermeiden. Bisher nutzen z.B. mit der DIN ISO 9001 fast alle Branchen, die von Dritten überprüften Maßnahmen für die Herstellung fehlerfreier Produkte/ Dienstleistungen, nur die Finanzmarktbranche praktisch nie.
Frank L. Braun am 07.07.16 um 21:05Ausnahme: Seit 2005 mit der ersten Norm für die Finanzberatung mit inzwischen über 1.500 zertifizierten „Private(n) Finanzplaner(n) DIN ISO 22222“.
Sicherlich interessant auch für jeden Verbraucher, dass sogar die ESMA, Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde diese DIN Norm als „nützlich“ im Abschlussbericht zur Umsetzung der Product Governance Regeln (MiFID II / IDD) für die Verbraucher hervorhebt.
Denn nicht nur der Beratungsablauf und die Inhalte, sondern neben den Fachwissensgrundlagen sind sogar Ethik-Vorgaben im Geschäftsprozess geregelt.
Gerichtsfestere Geschäftsgrundlagen können sich Verbraucher gar nicht wünschen.
Standardisierte Bedarfsanalyse
AntwortenIch halte einen Standard für die Bedarfsanalyse im Sinne von Diagnose für sehr sinnvoll - selbst ein sehr erfahrener Berater kann im Laufe eines Kundengesprächs die eine oder andere Frage vergessen, wenn der Kunde thematisch hin und her springt. Die anschließende Frage nach der Bewertung der Diagnose und vor allem der Therapie ist berater- und vor allem kundenindividuell.
urenner@zsh.de am 07.07.16 um 16:48Robo-Beratung?
AntwortenDass Banken und andere (Struktur-)Vertriebe natürlich ein gesteigertes Intreresse an derlei "Normen" haben, ist verständlich. Wenn schon keine Qualitätsberatung möglich ist, dann wenigstens eine standardisierte Norm, um die Truppe besser schulen zu können...
vriegel am 07.07.16 um 15:59Auch für das Thema Robo-Advisor sind solche Normen natürlich von Vorteil, da kann man besser standardisieren. Verbraucherschützer scheinen offenbar auch daran interessiert zu sein, was ich gar nicht verstehen kann. Letztendlich nützen solche Normen dem Kunden wenig bis gar nichts, enthaften aber alle möglichen Banken und Finanzvertriebe.
Grundsätzlich spricht nichts dagegen eine Beratung durch Software zu unterstützen. Vor allem wenn es um das Erfassen von Daten und das Ermitteln von Defiziten geht. Aber schon bei Letzterem wird es schwierig, weil das immer auch ein Stück subjektiv ist und dann standardisierte Empfehlungen ab zu leiten ist eben meistens nicht zielführend.
Letzendlich bringt so eine Norma vor allem eins: Unmengen von Dokumenationspflichten und haufenweise Arbeit für Wirtschaftsprüfer. Der Kunde wird eher "not amused" sein.
Normen sind in der Industrie in erstet Linie dazu verkommen sich gegen den Markt ab zu schotten. Dieser "Missbrauch" wird dann wohl auch in der Finanzindustrie Einzug halten.
Da kann man nur hoffen, dass eine solche "Beratungsnorm" nie Pflicht wird.