Die kompetente Unterstützung von Kunden bei Fragen zu Versicherungs- oder Finanzprodukten vor dem eigentlichen Produktverkauf ist der Hauptjob von Vermittlern und Beratern. Der Gesetzgeber lässt Kundenbetreuern dabei einen großen Spielraum, wie sie die Beratung durchführen. Ein nicht unbedingt wünschenswerter Nebeneffekt für Kunden ist es daher, dass sie bei zehn verschiedenen Beratern zehn verschiedene Empfehlungen erhalten.

Das könnte ab 2017 der Vergangenheit angehören: Das Deutsche Institut für Normierung (DIN) arbeitet daran, möglicherweise schon im kommenden Jahr Regeln für eine standarisierte Bedarfsanalyse im Rahmen der Anlageplanung vorzulegen und damit – wenn nicht den gesamten Beratungsprozess – so aber doch die davor geschaltete Bestandsausnahme der Vermögenssituation eines ratsuchenden Kunden einer einheitlichen Norm zu unterlegen.

Namhafte Branchenvertreter
Diese Information sowie die Namen einiger beteiligten Gesellschaften, die schon seit 2014 in einem 40-köpfigen Ausschuss über der genauen Definition der Norm brüten, hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) dem DIN-Institut sowie dem Bundesministerium für Verbraucherschutz entlocken können. Darunter finden sich namhafte Akteure aus dem Bankenbereich wie die Deutsche Bank und die Commerzbank, Versicherer wie die Allianz und die Zurich sowie Vermittler wie die OVB und Formaxx.

Hinzu kommen das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz sowie die Stiftung Warentest, so die FAZ. Das Haus von Minister Heiko Maas (SPD) sehe die Arbeit an einer Finanzberatungsnorm als vielversprechende Entwicklung. Solche Standards könnten dazu beitragen, dass sich die Beratungsqualität verbessere, heißt es. Damit soll auch das beschädigte Vertrauen der Kunden in die Finanzberatung wieder hergestellt werden.

Rundum-Analyse
Diskussions-Grundlage für die Norm ist die im März 2014 veröffentlichte DIN Spec 77222 "Standardisierte Finanzanalyse für den Privathaushalt" der Defino Gesellschaft für Finanznorm, die nun unter dem Namen Defino Institut für Finanznorm an die Öffentlichkeit tritt. Die Grundzüge des Regelwerks waren schon 2007 beim Finanzvertrieb Formaxx entwickelt worden. Darauf aufbauend entwickelte Defino 2011 gemeinsam mit Wissenschaftlern die "Deutsche Finanz Norm", aus der schließlich die DIN-Spezifikation entstand, die eine Vorstufe zu einer Norm ist (FONDS professionell ONLINE berichtete).

Die Spec 77222 definiert eine Rundum-Analyse, mit der überprüft wird, ob der Versicherungs- und Vorsorgeschutz einer Person vollständig und ausreichend ist. Ein auf dieser Spezifikation basierendes IT-Tool fragt hintereinander drei vorgegebene Bereiche ab und berechnet die Deckungslücken. Im ersten Teil (Absicherung) werden unter anderem Privathaftpflicht und Hausrat geprüft. Teil zwei durchleuchtet die vorhandene Altersvorsorge. Zuletzt kommt die Vermögensbildung. In jedem Bereich wird priorisiert: Beispielsweise hat eine Privathaftpflicht Vorrang vor anderen Risikoabsicherungen. Auf Basis dieser Analyse kann ein Vermittler dann in die eigentliche Beratung einsteigen und die für den Kunden passenden Produkte suchen.

Kritiker diskutieren mit
Die Spezifikation ist aber unter Fachleuten umstritten. Aufgabe des Ausschusses beim DIN-Institut ist es daher, die Meinungen der Experten unter einen Hut zu bekommen und eine für die Branche inhaltlich ausgewogene und gleichzeitig für den Vertrieb auch in der Praxis umsetzbare Norm zu definieren. Ob das gelingt, soll das kommende Jahr zeigen (lesen Sie dazu auch den Kommentar "Warum sich die Finanzbranche am DIN-Institut zusammenraufen muss" von FONDS professionell-Redakteur Jens Bredenbals). (jb)


Ein detaillierte Darstellung der Spezifikation 77222 und ein Porträt der Defino finden Sie in der Ausgabe 1/2016 FONDS professionell. Angemeldete Mitglieder des FONDS professionell KLUBs können den Artikel auch hier im E-Magazin lesen.