Die Asset-Management-Branche hat nach langen Jahren soliden Wachstums aktuell mit zwei Herausforderungen zu kämpfen. Zu diesem Fazit kommt Thorsten Schrieber, Vorstand des Vermögensverwalters DJE Kapital, in einem Marktkommentar.

"Die veränderte Zinslandschaft hat dazu geführt, dass viele Banken und Sparkassen ihre Vertriebsstrategien neu ausgerichtet haben – sei es freiwillig oder beeinflusst durch die emittierenden Institute, die nun die Zinswende mit Zertifikatsstrukturen und Zinsderivaten begleiten", erläutert Schrieber. "Was dabei häufig vergessen wird, ist die Tatsache, dass die über Jahre hinweg nachhaltig der Altersvorsorge verschriebenen Beraterstrukturen im Fondsbereich auf diese Weise über Bord geworfen werden. Dies kann irgendwann zum Boomerang werden", mahnt der Branchenkenner.

Nur Zinsen reichen nicht
Schrieber untermauert seine These mit Daten: Zum einen hat sich der Nettofondsabsatz der Sparkassen im vergangenen Jahr mehr als halbiert. Zum anderen stieg die Dekabank, das Wertpapierhaus der Sparkassen, zu Deutschlands größtem Zertifikateanbieter auf. Schrieber bemängelt die Transparenz vieler Derivatestrukturen und verweist darauf, dass die Provisionen bei diesen in der Regel kurz laufenden Papieren "durchaus bis zu zwei Prozent betragen" könnten. Der Zertifikatebestand habe mit rund 100 Milliarden Euro erstmals wieder Größenordnungen wie zuletzt in den Jahren 2006 bis 2014 erreicht. "Nun muss man natürlich berücksichtigen, dass trotz aller Zinseuphorie eine einseitige Ausrichtung auf die vermeintliche Zinskomponente bei der aktuellen Inflationsrate immer noch keine positive Realrendite verspricht", betont Schrieber.

Mittel- bis langfristig könne ein Inflationsausgleich wohl nur gelingen, wenn man sich am Produktivkapital beteiligt, argumentiert Schrieber und verweist auf Zahlen des Deutschen Aktieninstituts (DAI). Demnach hat sich der Wert der Aktien aus 16 Industrienationen über einen Zeitraum von 120 Jahren (1900 bis 2020) um den Faktor 750 vervielfacht, während sich der von Anleihen nur verelffachen konnte. "In Rendite umgerechnet waren das 5,7 Prozent pro Jahr für Aktien und 2,1 Prozent für Anleihen", rechnet Schrieber vor. "Setzt sich diese Entwicklung auch in Zukunft so fort, dann ist es zumindest erforderlich, sich einen Mischfonds zuzulegen."

Günstig heißt nicht automatisch gut
Weiteren Gegenwind für die Fondsbranche sieht Schrieber aus Richtung der ETFs aufziehen. Das Volumen in Deutschland handelbarer ETFs sei Daten der Deutschen Börse zufolge von rund 150 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf über eine Billion Euro in diesem Jahr gestiegen. "Die Exchange-Traded Funds haben durchaus ihre Berechtigung, aber in letzter Konsequenz führen sie zu Margenverfall bei den Asset Managern bei stetig steigenden regulatorischen Kosten", so der DJE-Vorstand. "Nun kann man alles ausblenden und – wie einige Verbrauchermagazine – nur über den Preis des Produkts argumentieren." Aus dieser Perspektive ließen sich ETFs zum "Allheilmittel" stilisieren. "Die Erkenntnis, dass Kosten und Qualität unkorreliert sind, wird bei dieser Betrachtungsweise allerdings nicht berücksichtigt", meint Schrieber. "Schließlich läuft man ja auch nicht ins Autohaus und kauft grundsätzlich nur das günstigste Auto, sondern es spielen Service, Sicherheit und Verlässlichkeit eine große Rolle." So sollte es natürlich auch in der Kapitalanlage sein, meint der Vermögensverwalter.

Würde ein Privatkunde bei der Entscheidung, wann er in welche ETFs investiert, alleine gelassen, sei diese Anlage willkürlich den Bewegungen des Marktes ausgesetzt. Als Beispiel verweist Schrieber auf die Entwicklung des S&P 500. Der US-Leitindex liegt zwar seit Jahresbeginn zweistellig im Plus. "Aber dennoch gibt es implizite Risiken wie die Tatsache, dass nur sieben Aktien 40 Prozent des Index ausmachen", betont er. "Werden diese Aktien aus dem Index herausgerechnet und wird zudem noch die Währung berücksichtigt, dann bleibt fast nichts übrig." Das Argument "Performance ist alles" hält Schrieber in diesem Zusammenhang für gefährlich: "Mit Sicherheit wollen Anlegerinnen und Anleger nicht wirklich nur sieben Eisen im Feuer beziehungsweise Aktien im Portfolio haben." (bm)