Zahlreiche Sparkassen haben wegen der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II ihre Anlageberatung eingeschränkt. Die Umstellung auf die seit Jahresbeginn geltenden Regeln war zudem mit hohen Kosten verbunden und sorgte bei vielen Kunden für Frust.

Zu diesen Ergebnissen kommt eine Online-Umfrage des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) unter 140 Instituten der Gruppe. Die Ergebnisse, die einer breiten Öffentlichkeit bislang nicht präsentiert wurden, liegen FONDS professionell ONLINE vor. Die Umfrage belegt erstmals mit harten Zahlen, was bislang nur aus einzelnen Berichten von Bankmanagern und Anlageberatern hervorging: Mifid II schießt an einigen Stellen offensichtlich über das gut gemeinte Ziel des Verbraucherschutzes hinaus.

Abschied aus der telefonischen Anlageberatung
So haben gut 20 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Sparkassen ihr Produktangebot in der Anlageberatung wegen Mifid II verringert. Über die Hälfte dieser Institute gab an, die Reduzierung beziehe sich auf einfache Anleihen und Inhaberschuldverschreibungen sowie auf Misch- und Aktienfonds. Auch das Angebot an Zertifikaten und strukturierten Produkten ging zurück. Als Gründe für die Einschränkung wurden die neuen Anforderungen an die Produktüberwachung und das Produktfreigabeverfahren ("Product Governance") genannt. Zudem haben 43 Institute einzelne Finanzinstrumente gänzlich aus dem Vertrieb genommen.

Die neuen Vorgaben führten auch dazu, dass 13 Häuser die telefonische Beratung im Wertpapierbereich komplett eingestellt haben. Mehr als die Hälfte der teilnehmenden Sparkassen schränkte die Telefonberatung ein: Sie wird künftig nur ausgewählten Kunden zuteil oder es sind aus Kostengründen nicht alle Berater aufzeichnungsberechtigt.

Kostenschätzung des Gesetzgebers weit übertroffen
Die Umsetzung der neuen Richtlinien erforderte einen hohen Aufwand: Durchschnittlich waren 15 Mitarbeiter pro Institut in den verschiedenen Mifid-Projekten beschäftigt. Der Schulungsaufwand für alle Mitarbeiter eines Institutes lag bei durchschnittlich 128 Tagen, das entspricht rund vier Monaten.

Die veranschlagten Kosten, die der Gesetzgeber im zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz für die gesamte deutsche Wirtschaft noch auf rund 61,6 Millionen Euro taxiert hatte, wurden bei weitem übertroffen. Allein 61 der teilnehmenden Sparkassen bezifferten die Einmalkosten für die Umsetzung der Richtlinie in Summe auf rund 26 Millionen Euro. Zur Erinnerung: In Deutschland gibt es 385 Sparkassen, der Gesamtbetrag wird also entsprechend höher liegen. Bei zwei Zentralinstituten der Sparkassen-Gruppe entstanden zudem Kosten von rund 75 Millionen Euro. Hinzu kamen Sondereffekte. So führte die einjährige Verschiebung von Mifid II und der PRIIPs-Verordnung bei rund einem Fünftel der Sparkassen zu Budgeterhöhungen.

Unmutsäußerungen der Kunden
Auch von Kundenseite gab es Beschwerden zu den neuen, teils sehr komplexen Vorschriften. Rund 58 Prozent äußerten ihren Unmut über die Verlängerung der Orderprozesse. Etwa die Hälfte der Institute berichtet, dass sie mit dem Wunsch von Kunden konfrontiert wurde, auf den Ex-ante-Kostenausweis und die Informationsblätter zu verzichten. Auch mit der Sprachaufzeichnung der Telefonate haderten die Kunden (siehe Grafik). (mh)