Die Vorsitzende der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), Verena Ross, steht Provisionen in der Finanz- und Anlageberatung durchaus kritisch gegenüber. Noch unter ihrem Vorgänger, Steven Maijoor, hatte die ESMA der Europäischen Kommission empfohlen, eine detaillierte Studie zu diesem Thema zu erstellen. Inzwischen liegen die Ergebnisse vor. "Sie zeigen, dass es nicht damit getan ist, Provisionen offenzulegen, um mehr Transparenz zu schaffen", erklärt Verena Ross im Interview mit FONDS professionell. Schließlich seien die Informationen zu den Provisionen komplex und daher für Anleger schwer zu verstehen. Die Kernaussagen finden Sie in der Galerie oben!

"Wenn wir die Offenlegungspflichten weiter ausdehnen würden, würde dies die Angelegenheit noch weiter verkomplizieren", sagt Ross. "Und in der Praxis würde es nichts daran ändern, dass Anleger weiterhin am Ende häufig in Finanzprodukte investieren, die mit Provisionen belastet sind", ist sie überzeugt.

Günstigere Finanzprodukte 
Die Studie habe zudem gezeigt, dass Finanzprodukte in Ländern, in denen es ein Provisionsverbot gibt, für Kleinanleger günstiger sind. "Das führt zu höheren Renditen, auch wenn natürlich ein Beratungshonorar bezahlt werden muss. Daher ist es wichtig, dass wir uns das Thema Provisionen noch einmal gründlich anschauen", so Ross.

Ein EU-weites generelles Provisionsverbot schließt die ESMA-Chefin, die etwas über ein Jahr im Amt ist, nicht aus. In einigen Ländern habe sich gezeigt, dass ein solches Verbot funktionieren kann. "Man muss aber bedenken, dass wir in den EU-Mitgliedsstaaten zum Teil sehr unterschiedliche Beratungsmärkte haben", sagt Ross. In den Niederlanden zum Beispiel werde Altersvorsorge ganz anders betrieben als etwa in Deutschland oder in Österreich. 

Kein Schnellschuss
Daher könne ein generelles Provisionsverbot nicht "mit einem Schnellschuss über Nacht" eingeführt werden. "Wir sollten aber auch nicht leugnen, dass die Funktionsweise des Beratungsmarktes in einigen Ländern ein Problem darstellt", erklärt Ross. "Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, ob dort die richtigen Ergebnisse für die Anleger erzielt werden, und die Frage nach einem möglichen generellen Provisionsverbot weiterhin diskutieren", konstatiert sie. (am)


Das komplette Interview mit Verena Ross lesen Sie in der nächsten Heftausgabe 4/2022 von FONDS professionell, die in wenigen Tagen erscheint.