Nachlassplaner, auch Estate Planner genannt, tauchen viel tiefer in die Vermögens- und Familienstrukturen ihrer Kunden ein als irgendein anderer Berater. Arbeiten sie umsichtig und sensibel, haben sie die besten Chancen, zu einer echten Vertrauensperson zu werden. Und zwar nicht nur für den Kunden selbst: Oft sichern sie sich gleichzeitig dessen Erben als künftige Klientel. Professor Rolf Tilmes, wissenschaftlicher Leiter PFI Private Finance Institute / EBS Finanzakademie in Oestrich-Winkel, erläutert im Interview mit FONDS professionell ONLINE, worauf es beim Estate Planning ankommt und wo Berater sich ausbilden lassen können.


Herr Professor Tilmes, was genau unterscheidet Estate Planning vom Financial Planning?

Rolf Tilmes: Während Financial Planning die Planung sämtlicher finanzieller Fragestellungen entlang des Lebenszyklus eines Kunden umfasst, fokussiert Estate Planning auf die ganzheitliche Vermögensnachfolgeplanung. Diese umfasst nicht nur die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen einer gesetzlichen oder gewillkürten Erbfolge. Sie berücksichtigt auch die erbrechtlichen und erbschaftsteuerlichen Aspekte. Angrenzende Themen sind beispielsweise Vollmachten, Betreuungsverfügungen, Stiftungen oder Testamentsvollstreckung.

Würden Sie Finanzplanern raten, sich zum Estate Planner ausbilden zu lassen?

Tilmes: Ja, denn Estate Planning ist Financial Planning zu Ende gedacht. Der typische Financial Planning-Kunde möchte nicht nur finanzielle Fragestellungen adressiert und gelöst bekommen. Gerade aufgrund der Größe und der Komplexität seines Vermögens tauchen generationenübergreifende Themen auf, die er ebenfalls zu Lebzeiten planen möchte. Insbesondere vermögendere Kunden wollen ihr Lebenswerk ja weitergeben. Für Financial Planner ist es aus geschäftsstrategischen Überlegungen wichtig, die nachfolgende Generation an Vermögensinhabern frühzeitig kennenzulernen und an sich zu binden. Estate Planning bietet aufgrund der Tragweite und der Intimität des Themas eine hervorragende Möglichkeit, sich bei der abgebenden und der nachfolgenden Generation zu positionieren.

Wo ist eine Ausbildung zum Estate Planner möglich?

Tilmes: Für Estate Planning gibt es verschiedene Ausbildungsträger in Deutschland, wobei nur wenige eine universitäre Anbindung aufweisen können. Diese ist aufgrund der erforderlichen rechtlichen und steuerlichen Schwerpunkte jedoch sinnvoll, sofern der notwendige Praxisbezug nicht vernachlässigt wird. Ein derartiger Anbieter ist beispielsweise die EBS Executive Education der EBS Universität für Wirtschaft und Recht. Der 25. Jahrgang des Intensivstudiums Generationenmanagement & Estate Planning startet am 25. Februar 2019. Unabhängig von einer qualitativ hochwertigen Ausbildung ist aber auch eine international anerkannte externe Zertifizierung wichtig und hilfreich. 

Wer nimmt eine solche Zertifizierung vor?

Tilmes: Das Financial Planning Standards Board Deutschland (FPSB Deutschland) zertifiziert Estate Planner nach einem weltweit etablierten Säulenkonzept, der sogenannten "4-E-Regel". Diese umfasst: qualifizierende Ausbildung (Education), umfangreiche Prüfungen (Examination), langjährige Erfahrungen in der Finanzdienstleistungsbranche (Experience) und Einhaltung ethischer Regeln (Ethics).

Darf ein Estate Planner neben der Beratung eigentlich auch Produkte vermitteln?

Tilmes: Die Erbringung von Estate-Planning-Leistungen ist abgesehen von den gesetzlichen Leitplanken des Rechtsdienstleistungsgesetzes regulatorisch nicht weiter reglementiert. Insofern ist auch eine nachgelagerte Vermittlung von Finanzprodukten unproblematisch. Das gilt zumindest, sofern anderweitiges Standesrecht dem nicht entgegensteht und die für die Vermittlung von Finanzprodukten erforderliche Genehmigung vorliegt. Darüber hinaus wünschen Kunden vielfach auch die Umsetzung der Strategie zur Übertragung des Lebenswerks. Denn ansonsten bleibt sie nur ein "Stück Papier".

Und wie werden Estate Planner vergütet? 

Tilmes: Es gibt wie so oft nicht das eine Vergütungsmodell. Die Vergütung von Estate Plannern erfolgt in aller Regel für eine unabhängige, neutrale Beratungsleistung auf Honorarbasis – ähnlich der Vergütung von Financial Plannern. Dabei kommen meist Stunden- oder Pauschalhonorare zur Anwendung, die sich an denen spezialisierter Rechts- und Steuerberater orientieren.

Vielen Dank für das Gespräch. (am)


Einen ausführlichen Artikel über Estate Planning und die Möglichkeiten, sich zum Nachfolgeplaner ausbilden zu lassen, finden Sie in der aktuellen Heftausgabe 4/2018 von FONDS professionell, die Ende November erschienen ist. Angemeldete KLUB-Mitglieder können den Bericht auch ab Seite 268 im E-Magazin lesen.