Monika Müller, Gründerin von FCM Finanz Coaching in Wiesbaden, stört sich an der inflationären Verwendung des Begriffs "Finanzcoaching" durch die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) und andere Finanzvertriebe. Die DVAG nutzt den Begriff spätestens seit ihrer "Coaching"-Werbekampagne mit Fußballtrainer Jürgen Klopp regelmäßig. Allein im jüngsten Jahresbericht des Frankfurter Unternehmens ist das Wort "Coach" oder "Coaching" 24 Mal zu finden.

"Der Begriff 'Coaching' ist nicht gesetzlich geschützt, darum darf ihn jeder verwenden. Seriös und professionell anbieten kann diese Dienstleistung meiner Meinung nach allerdings nur, wer eine qualifizierte Coaching-Ausbildung absolviert hat", sagt die Diplompsychologin, die seit mehr als zwei Jahrzehnten als Finanzcoach arbeitet und vor zehn Jahren begann, Kollegen in 18-monatigen Lehrgängen zu Finanzcoaches auszubilden. "Meine Überzeugung ist: Ich darf dem Kunden nichts anbieten, was ich ehrlicherweise nicht halten kann."

Berater und Coach haben unterschiedliche Aufgaben
Müller zufolge geht es beim Finanzcoaching darum, einen Menschen in die Lage zu versetzen, selbst souverän Finanzentscheidungen treffen zu können. "Hilfreich ist ein Finanzcoaching oft, wenn ein Kunde, der sich bislang kaum um Geldthemen gekümmert hat, in eine neue Rolle gerät, beispielsweise wenn er ein Erbe antritt", nennt sie ein Beispiel. "Dann geht es zunächst einmal darum, diese Situation zu reflektieren: Was bedeutet mir Geld eigentlich? Welche blinden Flecken habe ich mit Blick auf dieses Thema? Da gilt es viele emotionale und mentale Fragen zu klären, die meilenweit vom Abschluss eines Finanzprodukts entfernt sind."

Biete ein Vermittler seinen Kunden ein Finanzcoaching an, sei dies eine zusätzliche Dienstleistung. "Sie ist unabhängig von der erlaubnispflichtigen Finanzberatung zu sehen", betont Müller. Sie trennt scharf zwischen den Aufgaben eines Beraters und denen eines Coaches. "Der Berater tritt als Experte auf, er sammelt Informationen, verarbeitet diese, steuert das Gespräch mit seinen Fragen und liefert die Lösung." Die Rolle eines Coaches sei eine völlig andere. "Er ist gewissermaßen der Sparringspartner seines Gegenübers", sagt Müller. "Er unterstützt dabei, das eigene Denken anzuregen. Er bietet keine Lösung an, sondern arbeitet völlig ergebnisoffen. Die Lösung muss aus dem Kunden selbst kommen."

Die Handelsvertreter absolvieren keine Coaching-Fortbildung
Und was versteht die DVAG unter Finanzcoaching? Eine Firmensprecherin erläutert zunächst die Idee der Allfinanzberatung: Auf eine Finanzanalyse folgt ein Konzept zum Vermögensaufbau, zur Absicherung und zur Altersvorsorge. Schließlich werden die passenden Produkte vermittelt. "Um diese Beratungsleistung für die Kundinnen und Kunden greifbarer zu machen, werden die Vermögensberater auch als Finanzcoaches vorgestellt", so die Sprecherin. "Denn sie analysieren die Ist-Situation, klären den Kunden auf, orientieren sich an den Zielen des Kunden und berücksichtigen dabei auch Fördermaßnahmen des Staates." Idealerweise würden die Vermögensberater ihre Kunden ein Leben lang begleiten.

Die Sprecherin betont zwar die "fundierte fachliche und persönliche Aus- und Weiterbildung", die die DVAG anbiete, eine dezidierte Coaching-Fortbildung absolvieren die Handelsvertreter aber nicht. Eine solche Ausbildung sollte übrigens mindestens 150 Zeitstunden in Anspruch nehmen. Darauf hat sich der Roundtable Coaching, in dem verschiedene Branchenverbände kooperieren, in seinen "Mindeststandards für zertifizierte Coaches" geeinigt.

"Trainer ohne Trainerschein"
"Bei manchen Vermittlern, die mit Finanzcoaching werben, habe ich den Verdacht, dass sie das, was sie immer schon tun, einfach mit einem neuen Label versehen", sagt Müller. "Sie sparen sich die Ausbildung und wollen nur vom Marketingeffekt profitieren." Dabei geht es ihr, wie sie betont, nicht darum, das Feld zu begrenzen: "Ich würde mir wünschen, dass es viel mehr qualifizierte Anbieter gäbe, denn der Bedarf an Finanzcoaching ist riesig."

Zu einem Strukturvertrieb passt diese Dienstleistung aber eher schlecht. Das fängt schon damit an, dass ein seriöser Coach nicht kostenfrei arbeitet. "Coaching muss eine Honorardienstleistung sein", betont Müller. "Das ist kein Zuckerstückchen obendrauf." Rückfrage bei der DVAG: Rechnen die Vermögensberater das Finanzcoaching ab? "Die Betreuung der Kundinnen und Kunden erfolgt grundsätzlich im Rahmen des Allfinanz-Beratungskonzepts", so die Sprecherin. "Das Finanzcoaching in den Kundengesprächen ist kostenfrei." Müller ärgert, wie die DVAG und andere Finanzvertriebe den Begriff verwenden. "Das wäre so, als würde ich Jürgen Klopp vorschlagen, in seinem Team einen Trainer ohne Trainerschein anzustellen." (bm)


Der vollständige Artikel ist in FONDS professionell 2/2023 auf Seite 340 erschienen. Angemeldete Nutzer können den Beitrag auch hier im E-Magazin abrufen.