Die Fondsboutique H2O Asset Management hat in einem Schreiben an Kunden das "signifikante und in vielen Fällen zutiefst unfaire Medieninteresse an einem kleinen Teil unseres verwalteten Vermögens" beklagt. Durch einen Artikel des Blogs "FT Alphaville" der britischen Wirtschaftszeitung "Financial Times" war bekannt geworden, dass die zum Boutiquendach Natixis Investment Managers zählende Gesellschaft mehr als eine Milliarde Euro in zum Teil illiquide Anleihen gesteckt hatte. Die Papiere stammen von Unternehmen, die dem Umfeld des schillernden deutschen Investors Lars Windhorst zuzurechnen sind.

Nachdem diese Investments bekannt geworden waren, zogen Anleger rund acht Milliarden Euro aus den H2O-Fonds ab, wie die Boutique feststellt. "Nun erholen wir uns und erhalten neue Zeichnungen von Anteilsscheinen", heißt es in dem nun auf der Internetseite veröffentlichten Schreiben. Die Zuflüsse bezifferten sich seit dem 18. Juni demnach auf 869 Millionen Euro – brutto, wie die Gesellschaft angibt. Der erste FT-Artikel war an jenem Datum veröffentlicht worden. Das Nettomittelaufkommen nennt die Gesellschaft nicht. Vor Bekanntwerden der Windhorst-Engagements verwaltete die in London ansässige Boutique ein Vermögen von mehr als 30 Milliarden Euro.

Kein Kommentar
Die "Financial Times" sowie Nachrichtenagenturen wie "Bloomberg" und "Reuters", die den Bericht aufgriffen, hatten nach eigenem Bekunden H2O dabei stets um eine Stellungnahme gebeten. Gründer und Fondsmanager Bruno Crastes lehnte jedoch eine Wiedergabe seiner Sichtweise in allen Fällen ab – zum Teil mit dem lapidaren Verweis, dass einzelne Positionen des Fonds nicht kommentiert würden. Die Fondsanalysegesellschaft Morningstar setzte in Folge das Rating von einem der Publikumsfonds aus, um die Note zu überprüfen. Später stufte sie den Fonds herunter.

Als Anleger begannen, Mittel aus den H2O-Fonds abzuziehen, äußerte sich die Boutique doch zu dem Fall. Zunächst betonte Crastes gegenüber dem Branchendienst "Citywire", dass er an den umstrittenen Windhorst-Bonds festhalten wolle und von dem Investment überzeugt sei. Weiterhin veröffentlichte das Haus ein fünfseitiges Frage-und-Antwort-Papier nebst Video, in dem Crastes seine Einschätzungen darlegte.

Kehrtwende
Über das Wochenende 22./23. Juni entschieden sich die Manager um Crastes und Investmentchef Vincent Chailley dann jedoch um. Am 24. Juni verkündete H2O in einer knappen Mitteilung, einen Teil der Windhorst-Papiere zu verkaufen. Damit werde deren Quote auf unter zwei Prozent des gesamten verwalteten Vermögens sinken. Die übrigen Anleihen würden zudem im Wert abgeschrieben. Dies würde den Nettoinventarwert der Fonds um drei bis sieben Prozent reduzieren.

In einer weiteren Kurznotiz schilderte das Haus den Fortschritt des Verkaufs. In einem zweiten Video erklärten sich Crastes und Chailley dann noch einmal.

Ursachen für den "Amoklauf"
In dem nun veröffentlichten Schreiben wollen die H2O-Manager den Ursachen für den "Amoklauf", wie sie es nennen, auf die Spur gehen. "Die Liquidität unserer Fonds infrage zu stellen kommt der Feststellung gleich, dass eine Bank die Einlagen nicht bedienen kann", heißt es. Dies habe verheerende Konsequenzen, wie die Wirtschaftsgeschichte zeige. "95 Prozent unserer Strategien waren und bleiben absolut liquide", betont das Haus weiterhin. Zudem bestehe keine Beziehung zwischen der täglichen Liquidität der Fonds und den Geschäften mit Windhorsts Investmentgesellschaft Tennor.

Windhorst hatte in den 1990er-Jahren eine steile Karriere als Jungunternehmer begonnen. In der Ära des Altbundeskanzlers Helmut Kohl galt Windhorst als Wunderkind. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase geriet seine Firma in Schieflage. Windhorst musste Insolvenz anmelden. Seither wechseln sich Comeback-Versuche mit Pleiten ab. Dazu gesellen sich Rechtsstreitigkeiten mit ehemaligen Partnern und Investoren.

"Schneeball-Effekt"
Als Auslöser für die enormen Mittelabzüge der Anleger aus den Fonds machen die H2O-Manager der Boutique drei Faktoren aus. Erstens: Die Liquidität eines Fonds anzufechten, erschaffe einen "Schneeball-Effekt" – insbesondere in der heutigen, "über-mediatisierten" Welt, so die H2O-Lenker. Zweitens sei ein großer Teil der Investoren durch die massiven Mittelabzüge und Einfrierungen bei anderen Asset Managern verunsichert gewesen und hätte ein ähnliches Ereignis bei H2O befürchtet.

Die Autoren spielen damit auf die Irritationen um den britischen Asset Manager Neil Woodford und den schon länger zurückliegenden Rauswurf von GAM-Manager Tim Haywood an, die in beide illiquide Papiere investiert hatten und deren Portfolios eingefroren werden mussten. Drittens, führt das H2O-Team aus, habe sich aufgrund der hervorragenden Wertentwicklung der Portfolios den Kunden eine gute Gelegenheit eröffnet, mit Gewinn zu verkaufen.

Welche Lektionen gelernt?
Die vergangenen Tage seien "eine konstruktive" Erfahrung für das H2O-Team gewesen, berichten die Manager in dem neuesten Schreiben, das an Investoren gerichtet ist. Unter einem Abschnitt mit der Überschrift "Welche Lektionen haben wir gelernt?" halten Crastes & Co. fest: "Sie schätzen unseren Kundenservice, die Transparenz und die Manager-Berichte und die detaillierten Rückmeldungen. Wir streben danach, diese noch besser zu machen." Die Vertriebsteams von Natixis IM und H2O würden die Kunden mit "derselben Dynamik, Nähe und einer noch stärkeren Due Diligence" begleiten.

Weiterhin verweisen die Manager darauf, dass die Publikumsfonds zwar 30 Prozent ihres Volumens verloren hätten. Dennoch dürften Anleger immer noch mit einer guten Performance rechnen. Zusätzlich heißt es: "Wir bleiben überzeugt, dass wir die richtigen Entscheidungen für unsere Strategien getroffen haben." Das Management müsse weiterhin zum Markt konträre Haltungen einnehmen, um Leistung abzuliefern. "Dennoch sind wir realistisch und werden uns anpassen können." Daher würde das Haus die Empfehlungen der laufenden Untersuchungen genauestens prüfen.

Untersuchung eingeleitet
Die französische Bank Natixis, die hinter dem Boutiquendach steht, hatte eine Untersuchung des Risikomanagements sowie der Verfahren zur Vermeidung von Interessenkonflikten eingeleitet. Im deren Zuge soll geklärt werden, ob und wie Investments in diesem Ausmaß in Unternehmen zu rechtfertigen waren, die alle auf eine Person, nämlich Windhorst, zurückzuführen sind. Zudem dürften dabei im Zuge des FT-Berichts bekannt gewordene, mögliche Interessenkonflikte begutachtet werden. So hatte etwa H2O-Manager Crastes einen Aufsichtsratsposten in Windhorsts Investmentfirma Tennor eingenommen. (ert)