Eine französische Vereinigung, welche die Interessen von Anlegern der Fondsboutique H2O vertritt, hat eine Anwaltskanzlei engagiert, um die Hintergründe rund um die zeitweilige Schließung und Aufteilung in liquide und illiquide Tranchen mehrerer H2O-Fonds auszuleuchten und Entschädigungszahlungen einzufordern. In der Gruppe "Collectif Porteurs H2O" haben sich sowohl Privat- als auch Profianleger zusammengeschlossen, die in Fonds aus dem Hause des Starmanagers Bruno Crastes investiert hatten.

Die Anleger konnten wegen des zeitweiligen Einfrierens von insgesamt acht Fonds der Gesellschaft nicht über ihr Geld verfügen. Ein Teil des Vermögens steckt nach wie vor in illiquiden Teilfonds fest. Die Gruppe sieht sich, aber auch den französischen Finanzmarkt insgesamt geschädigt. Der Verband engagiert daher die auf Kapitalmarktrecht spezialisierte Kanzlei Cornet Vincent Ségurel. An erster Stelle stehen dem Verband zufolge Verhandlungen mit den betroffenen Parteien über Ausgleichszahlungen. Zudem fordert die Gruppe die Prüfung der Vorgänge durch einen unabhängigen Juristen, wie die Zeitung "Financial Times" und der Branchendienst "Citywire" berichten.

"Vollen Ersatz einfordern"
"In dem Bestreben, den Ruf des Finanzplatzes zu bewahren, wird sich unsere Kanzlei gemeinsam mit dem Verband um eine Verhandlungslösung bemühen, die die Interessen der Kunden, aber auch die der anderen Beteiligten respektiert", erklärt Anlegeranwalt Dominique Stucki von Cornet Vincent Ségurel. Allerdings sind die Vereinigung und die Kanzlei bereit, den Fall auch vor Gericht auszufechten. "Natürlich können die Gespräche jederzeit abgebrochen werden", betont Stucki. "In diesem Fall, bewaffnet mit überzeugenden, eindeutigen und präzisen Beweisen, werden wir bei den Gerichten oder Behörden vollen Ersatz für den erlittenen Schaden einfordern."

Die von Crastes gegründete Gesellschaft H2O hatte massiv in wenig liquide Papiere investiert, die dem Umfeld des schillernden deutschen Investors und einstigen Wunderkinds Lars Windhorst zuzurechnen sind. Als das Engagement im Sommer 2019 bekannt wurde, zogen Anleger Milliarden aus den Fonds ab. Später entwarfen die H2O-Verantwortlichen den Plan, dass Windhorsts Investmentvehikel Tennor Holding die illiquiden Wertpapiere zurückkauft. Das Geschäft konnte jedoch nicht abgeschlossen werden. Berichten zufolge rief das Vorhaben die Finanzaufsicht Bafin auf den Plan.

Dachgesellschaft im Blick
Die französische Finanzaufsicht veranlasste im Sommer 2020 dann die zeitweilige Schließung von einigen der betroffenen H2O-Fonds. Diese wurden in liquide und illiquide Teile aufgeteilt. Die illiquiden Teile, die sogenannten "Side-Pockets", bleiben geschlossen werden abgewickelt. Anleger können ihr Geld nicht abziehen. Die liquiden Parts hingegen sind wieder für Anteilsaus- und Rückgaben geöffnet. Einzelne Fonds wurden wiederum ganz aufgelöst, wie FONDS professionell ONLINE exklusiv berichtete. H2O hatte im Mai angekündigt, die Tennor-Investments zu restrukturieren und die Ausgabe einer Anleihe anzugehen. Seither äußerte sich das Haus nicht mehr dazu.

Die Vereinigung Collectif Porteurs H2O will auch die Rolle der damaligen Dachgesellschaft Natixis Investment Managers prüfen lassen, die unter anderem für die Kontrolle des Risikomanagements verantwortlich war. H2O agierte unter dem Boutiquendach von Natixis IM. Die Turbulenzen rund um die H2O-Fonds setzten zeitweilig auch dem Aktienkurs des Mutterkonzerns Natixis zu. Die französische Großbank kündigte im November 2020 an, ihre Beteiligung an der Boutique verkaufen zu wollen. Das H2O-Management um Crastes übernahm dann den Anteil. Natixis-IM-Chef Jean Raby wurde abgelöst.

Kohls Wunderkind
Windhorst, der zuletzt mit seinem Einstieg beim Bundesliga-Fußballclub Hertha BSC Aufsehen erregte, galt in den 1990ern als Wunderkind der deutschen Wirtschaft. Er gründete als Teenager seine erste Firma. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl zeigte sich gerne an seiner Seite. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase rutschte Windhorsts Firma in die Pleite. Seine Comeback-Versuche sind mit Rechtsstreitigkeiten und weiteren Insolvenzen verknüpft. (ert)