In den Depots, die die Vermittler des Haftungsdachs NFS Netfonds betreuen, liegen Anteile von insgesamt 8.184 Fonds – und bei mehr als 5.000 dieser Anteilsklassen fehlen in der Datenbank des Dienstleisters WM Datenservice wichtige Angaben, die seit Jahresbeginn eigentlich vorgeschrieben wären. Konkret fehlt bei 5.239 Anteilsklassen die Zielmarktdefinition, und bei 5.479 Tranchen finden sich keine Angaben zu den laufenden Kosten. Das zeigt eine Auswertung von NFS für FONDS professionell ONLINE zum Stichtag 8. Januar.

Seit Jahresbeginn dürfen Bafin-regulierte Finanzinstitute Fonds und andere Wertpapiere nur noch innerhalb definierter Zielmärkte vertreiben – das schreibt die deutsche Umsetzung der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II vor. Verpflichtet zur Definition eines Zielmarktes ist in erster Linie der Vertrieb – also die Bank oder das Haftungsdach. In der Regel geben jedoch die Emittenten eine Zielmarktdefinition vor, schließlich haben sie ein Interesse daran, dass ihre Produkte auch verkauft werden. In Deutschland werden diese Angaben von WM Datenservice verteilt. Das Frankfurter Unternehmen dient quasi als "Daten-Hub" der Branche.

Schon zu Jahresbeginn hatte es Meldungen gegeben, dass fehlende Fondsdaten den Vertrieb behindern (FONDS professionell ONLINE berichtete). Der Branchenverband BVI entgegnete, er habe sich bei den großen deutschen Fondsanbietern umgehört und dort erfahren, dass Handel und Vertrieb reibungslos liefen – Berichte von massiven, branchenweiten Problemen seien daher übertrieben (FONDS professionell ONLINE berichtete).

Für Fonds einiger Anbieter gibt es Daten – für andere nicht
Eine stichprobenhafte Auswertung von NFS für den eigenen Bestand zeigt nun, dass der Teufel im Detail steckt: Für die Fonds der Deutschen Asset Management und von Allianz Global Investors lagen in der WM-Datenbank am Stichtag 8. Januar beispielsweise zwar die Zielmarktdefinitionen vor, die Angaben zu den laufenden Kosten aber fehlten. Bei den beiden anderen großen deutschen Anbietern Deka und Union Investment waren alle Felder ausgefüllt, das gleiche gilt für Blackrock, Franklin Templeton und Flossbach von Storch.

Für Carmignac-Fonds dagegen waren keine Einträge zum Zielmarkt oder zu den laufenden Kosten zu finden – obwohl der Anbieter die entsprechenden Daten seinen Vertriebspartnern längst zur Verfügung gestellt hat. Auch bei anderen bekannten Häusern wie Columbia Threadneedle, DJE Kapital, Fidelity, J.P. Morgan Asset Management oder M&G sind die Felder bislang leer. Bei Fonds von Amundi und UBS sind nur vereinzelt Mifid-II-relevante Einträge zu finden. Offensichtlich klemmt es mitunter noch beim Austausch der Daten zwischen WM und den Investmentgesellschaften (lesen Sie hierzu auch das Interview mit WM-Datenservice-Geschäftsführer Torsten Ulrich).

"Die Angaben sind zum Teil irreführend"
"Es ist klar, dass es bei einem gigantischen Regulierungsprojekt wie Mifid II anfangs Reibungsverluste gibt", sagt NFS-Geschäftsführer Christian Hammer. "Doch die schlechte Qualität der Daten hat mich ehrlich gesagt überrascht." Ende vergangenen Jahres hatten er und seine Kollegen noch die Hoffnung, dass nur bei einzelnen Fonds oder kleinen Anbietern die nötigen Angaben fehlen. "Dann hätten wir diese Produkte für den Vertrieb sperren können, bis die Daten vorliegen", sagt Hammer. Doch das sei realistisch nicht möglich gewesen: "Hätten wir das durchgezogen, hätten wir überhaupt kein Geschäft machen können. Also haben wir begonnen, die Angaben zu den wichtigsten Fonds aus verschiedenen Quellen selbst zusammenzutragen und in unsere Datenbank einzupflegen."

Auch bei Fonds, für die in allen für Mifid II wichtigen Feldern Einträge vorliegen, sind mitunter Nacharbeiten nötig. "Die Angaben sind zum Teil irreführend", sagt Hammer. "Es gibt Aktienfonds, die laut Zielmarktdefinition nur für einen mittelfristigen Anlagehorizont geeignet sind, obwohl sie natürlich auch als langfristiges Investment taugen. In solchen Fällen müssen wir noch einmal Hand anlegen, was sehr mühsam ist." Seiner Beobachtung nach verbessert sich die Qualität der Daten zwar von Tag zu Tag – der Start verlief aber alles andere als rund.

Die Zielmarktdefinitionen sind nicht nur für den Vertrieb einzelner Produkte relevant, sondern auch für Beratungsgespräche, die auf das gesamte Depot des Kunden abzielen. "Wenn ein Berater sich zu Jahresbeginn mit einem Kunden über dessen Depot unterhält, muss er überprüfen, ob das Portfolio zu dessen Profil und Anlagezielen passt oder nicht. Dafür muss für jeden einzelnen Fonds im Depot eine Zielmarktdefinition vorhanden sein." Deshalb ist es so wichtig, dass die Mifid-II-Daten nicht nur für die aktuellen Bestseller vorliegen, sondern auch für die alten Fonds. "Andernfalls kann der Vermittler nicht rechtskonform beraten."

Zielmarktdefinition oft enger als vermutet
Auch abseits des Ärgers über die schlechte Datenqualität konnte Hammer in den ersten Tagen unter Mifid II einige neue Erkenntnisse gewinnen. Überrascht hat ihn beispielsweise, dass viele Fondsanbieter nicht nur einen positiven, sondern auch einen negativen Zielmarkt definieren – also Vertriebskanäle oder Zielgruppen angeben, für die ein Fonds ihrer Meinung nach nicht geeignet ist.

"Die Fondsanbieter sind nicht dazu verpflichtet, einen negativen Zielmarkt anzugeben. Dass sie es trotzdem tun, erstaunt mich, weil es den Vertrieb erschwert", sagt Hammer. Möchte ein Berater einen Fonds nämlich an einen Anleger verkaufen, für den das Kriterium "negativer Zielmarkt" zutrifft, muss er das dem Anbieter melden – ein aufwendiger Prozess, für den noch kein Standard gefunden ist. "Die Zielmarktdefinitionen der Fondsgesellschaften sind oft enger, als wir das vermutet hatten. Unsere Erwartung war, dass der Anbieter eine recht breite Definition vorgibt, die der Vertrieb bei Bedarf dann enger fassen kann. Derzeit ist es in einigen Fällen sogar anders rum." (bm)