Für Pimco war das vergangene Jahr sicherlich kein einfaches. Allein in den ersten neun Monaten 2015 zogen Investoren unter dem Strich 114 Milliarden Euro aus Fonds der Allianz-Tochter ab, geht aus Geschäftszahlen des Versicherers hervor. In Deutschland und Österreich war von Abflüssen aber nichts zu spüren, erläutert Pimco-Länderchef Frank Witt im Interview mit FONDS professionell ONLINE.

Herr Witt, global musste Pimco im vergangenen Jahr hohe Mittelabflüsse hinnehmen. Insbesondere aus dem Flaggschifffonds Pimco Total Return flossen Milliarden ab, nachdem Firmengründer Bill Gross vor fast anderthalb Jahren das Unternehmen verlassen hatte. War der "Gross-Effekt" auch in Deutschland und Österreich zu spüren?
 
Frank Witt: Man las zwar auch in der deutschen Presse sehr viel, aber auf der Geschäftsseite waren wir deutlich weniger betroffen, denn der von Bill Gross verwaltete Pimco Total Return spielte in Europa insgesamt und auch in Deutschland und Österreich nie eine so prominente Rolle wie in den USA. Konkrete Zahlen zum regionalen Mittelaufkommen veröffentlichen wir nicht, aber ich darf Ihnen verraten, dass wir in Deutschland und Österreich in den vergangenen Jahren immer Zuflüsse verzeichnen konnten.
 
Bis 2012 wurden die Pimco-Fonds von Allianz Global Investors mitvertrieben, inzwischen gibt es ein eigenes Sales-Team. Wie groß ist dieses?
 
Witt: Im Account-Management arbeiten inzwischen 45 Kollegen. Insgesamt hat Pimco in Deutschland etwa 165 Mitarbeiter, darunter 47 im Portfoliomanagement. Viele, die das Unternehmen nicht so gut kennen, werden gar nicht wissen, dass München nach Newport Beach und London der drittgrößte Standort unseres Portfoliomanagements weltweit ist.
 
Laut BVI-Statistik verwaltet Pimco von München aus rund 282 Milliarden Euro, der weitaus größte Teil davon in Anleihen. Nun scheint die seit vier Jahrzehnten laufende Rally am Rentenmarkt beendet zu sein, Geld ist mit festverzinslichen Papieren kaum noch zu verdienen. Bereitet Ihnen das nicht schlaflose Nächte?
 
Witt: Nein, das Zinsniveau bereitet mir aus Geschäftssicht keine Sorgen. Uns geht es vielmehr darum, mit welchen Lösungen und Strategien wir unseren Kunden in diesem Umfeld helfen können, ihre Anlageziele zu erreichen. Die Nachfrage nach Anleihen ist hoch und wird das auch bleiben, schon aus regulatorischen Gründen. Die "Great Rotation" weg von Anleihen hin zu Aktien, von der vor einigen Jahren viel zu lesen war, hat doch in Wahrheit nie stattgefunden. Wir beobachten eher einen Shift innerhalb des Rentenmarktes. Die niedrigen Zinsen zwingen die Investoren, ihre Portfolios globaler auszurichten, also zum Beispiel auch US-Unternehmensanleihen zu kaufen oder in Spezialitäten zu investieren. Früher hat etwa ein mittelgroßer Versicherer seine Pfandbriefe in Eigenregie verwaltet. Jetzt, wo damit kaum etwas zu verdienen ist, weicht er auf Märkte aus, in denen er sich selbst nicht mehr so gut auskennt. Also vergibt er ein entsprechendes Mandat. Im Ergebnis wird der Teil des Rentenmarktes, der von Asset Managern betreut wird, stark wachsen. Von diesem Trend können wir als globales Haus mit Expertise in zahlreichen Nischen enorm profitieren. Hinzu kommt, dass die Finanzmärkte wieder turbulenter geworden sind. Noch im Dezember haben sich viele Kunden Mandate gewünscht, in denen 20 bis 30 Prozent Aktien beigemischt sind, um die Rendite aufzupeppen. Inzwischen fragen sie wieder vermehrt nach reinen Fixed-Income-Portfolios.
 
Welche Produkte stehen dabei im Vertriebsfokus?

 
Witt: Stark gefragt ist insbesondere im Drittvertrieb unser Pimco GIS Income Fund, der von unserem Group-CIO Dan Ivascyn gemanagt wird. Diese Strategie haben wir 2012 nach Europa geholt, inzwischen verwalten wir darin mehr als zehn Milliarden Euro. Gut angenommen wird auch der Pimco GIS Global Bond Fund, den Andrew Balls steuert. Der Fonds profitiert von der zunehmend globalen Ausrichtung der institutionellen und privaten Investoren, über die wir gerade gesprochen hatten. Als Spezialthema zu nennen ist der Pimco GIS Capital Securities, der im Wesentlichen in Nachranganleihen von Finanzinstituten investiert. In dieser Nische sind noch fünf bis sieben Prozent Rendite möglich. Der Fonds verwaltet inzwischen rund sechs Milliarden Euro. Ein für uns überraschender Erfolg ist der aktiv gemanagte Cash-ETF, den Andrew Bosomworth mit seinem Team von München aus steuert, der Pimco Euro Short Maturity Source UCITS ETF.

Ein Geldmarktprodukt im ETF-Mantel? Warum ist ein solches Produkt in Nullzinszeiten gefragt?

Witt: Ein traditioneller Geldmarktfonds wirft nach Kosten negative Zinsen ab. Wir setzen daher zum Teil auf etwas längere Laufzeiten und managen das Portfolio sehr aktiv, was immerhin eine kleine positive Rendite erlaubt. Der Fonds ist beispielsweise bei Portfoliomanagern beliebt, die auf ihre Kasse bei der Depotbank Strafzinsen zahlen müssten. Investiert sind zudem Family Offices, die Geld für kurze Zeit parken wollen und dafür einen Fondsmantel wünschen. Auch Banken suchen Lösungen für die Kassenhaltung vermögender Kunden. Früher hätten sie Tagesgeld empfohlen, doch dafür müssen sie Eigenkapital vorhalten, was ihnen zu teuer ist. Darum geben sie das Geld lieber außer Haus, etwa in unseren Fonds – vor zwei oder drei Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Zugute kommen uns auch die neuen Regeln zur Einlagensicherung: Seit Jahresbeginn sind nur Beträge bis 100.000 Euro auf dem Konto geschützt. Das bringt einen institutionellen Investor, der 50 Millionen Euro Cash vorhält, in echte Probleme. Da bietet der Fondsmantel einen echten Vorteil. In dem ETF liegen inzwischen 2,5 Milliarden Euro.
 
Die neuen Kapitalvorschriften für Banken hatten auch zur Folge, dass die Liquidität am Rentenmarkt abgenommen hat. Lange wurde davor nur gewarnt, doch Ende vergangenen Jahres wurde das Szenario Realität: In den USA mussten mehrere High-Yield-Fonds schließen, weil die Anleger schneller ihr Geld zurückforderten, als die Portfoliomanager ihre Positionen verkaufen konnten. Drohen uns weitere Nachrichten dieser Art?
 
Witt: Der Markt für Hochzinsanleihen war immer schon illiquide. Manager, die nur auf wenige Titel sehr schlechter Bonität setzen, können da schnell Probleme bekommen. In unseren High-Yield-Fonds finden Sie vorwiegend Papiere höherer Qualität, außerdem streuen wir das Geld über mehrere Hundert Positionen und legen großen Wert auf das Liquiditätsmanagement. Wir hatten bislang nie Probleme, Auszahlungswünschen nachzukommen. Selbst im Jahr der Lehman-Pleite 2008 waren alle unsere Fonds immer offen. Zudem haben wir im gesamten Credit-Bereich auch mit Blick auf die Performance davon profitiert, dass wir frühzeitig Energie- und Rohstoffwerte untergewichtet hatten. Wir halten insbesondere US-Hochzinsanleihen abseits des Energiesektors auch derzeit für interessant.

Wenn die Liquidität noch weiter abnimmt, wird ein kleiner Asset Manager seine Positionen noch irgendwie verkaufen können. Ein großes Haus wie Pimco bekommt jedoch Probleme, oder?
 
Witt: Das vermuten viele, es ist dennoch falsch. Ein Broker wird immer versuchen, mit einem großen Marktteilnehmer wie Pimco im Geschäft zu bleiben, weil er weiß, dass wir auch nach der nächsten Krise noch eine wichtige Rolle für ihn spielen werden.

Vielen Dank für das Gespräch. (bm)


Frank Witt leitet von München aus das Geschäft von Pimco in Deutschland und Österreich. Bevor er 2002 zum Unternehmen kam, war er im Investmentbanking bei Goldman Sachs im kalifornischen Menlo Park und Risikomanager bei der Deutschen Bank in Deutschland, Australien, Hongkong, Großbritannien und den USA. Er hält einen MBA-Abschluss der Stanford Graduate School of Business und hat an der Universität Bonn einen Master-Abschluss erworben.