Die Einführung des Provisionsverbotes in Großbritannien zum 1. Januar 2013 hat im vergangenen Jahr nicht zu einer Absatzkrise der freien Berater geführt. Während der Vertrieb von Fonds über Banken nach Inkrafttreten der "Retail Distribution Review" (RDR) massiv zurückgegangen sei, seien die Absätze der freien Berater stabil geblieben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die der Luxemburger Fondsverband ALFI beim Analysehaus Fundscape in Auftrag gegeben hat.

Die Augen der europäischen Finanzindustrie richten sich seit 2013 regelmäßig auf Großbritannien, weil das Land mit der RDR neben den Niederlanden als "Versuchslabor Europas" für die Honorarberatung gilt. In Deutschland ist nach dem letzten Stand der Mifid-II-Regulierung in den kommenden Jahren nicht mit einem Provisionsverbot zu rechnen (FONDS professionell ONLINE berichtete).

Die 138 Seiten starke Studie, die auch die Situation in den Niederlanden nach dem dort seit Jahresbeginn geltenden Provisionsverbot betrachtet, kommt dabei für Großbritannien zu dem Schluss, dass der Zeitpunkt für die Einführung der RDR schlicht günstig war, weil Anleger aufgrund der anziehenden Wirtschaft im Vereinigten Königreich und in Europa massiv in Fonds investierten. Das habe mögliche negative Auswirkungen aufgefangen.

Kaum Beratung für Kleinanleger
Auch wenn das RDR-Gesetz wegen der Kundennachfrage insgesamt keine negativen Auswirkungen auf die Absatzzahlen von Fonds hatte, haben sich die Absatzkanäle höchst unterschiedlich entwickelt, so die Studie. Die Zuflüsse über Banken seien eingebrochen, während Online-Broker, die keine Beratung, sondern nur Execution-Only-Service bieten, stark profitierten. Das Provisionsverbot habe auch klare Nachteile für viele Anleger mit kleineren Investmentsummen gebracht, die wegen der für sie unverhältnismäßig hohen Honorare kaum noch Beratung in Anspruch nehmen könnten, kritisiert die Studie.

Der Absatz über die freien Berater blieb dagegen stabil, obwohl deren Zahl im Jahresverlauf wegen gestiegener Kosten für Qualifizierungsmaßnahmen und erhöhter Dokumentationsanforderungen um rund 20 Prozent gesunken ist. Zudem seien die freien Berater auch dazu übergegangen, ihre Kundenbasis zu überprüfen und im Durchschnitt nur noch Personen zu beraten, die mindestens 100.000 Pfund anlegen möchten. Mehr als ausgeglichen haben die Vermittler die so entstandenen Einnahmeverluste laut der Studie durch einen verstärkten Fokus und Absatz bei wohlhabenderen Kunden. Damit haben sich frühere Beobachtungen bestätigt (FONDS professionell ONLINE berichtete).

Anstieg von standardisierten Investmentlösungen
Durch die erhöhten Kosten, die sich wegen der wegfallenden Provisionen in den Honoraren wiederspiegeln, sind vor allem Banken dazu übergegangen, standardisierte Investmentlösungen wie Muster-Portfolios oder Dachfonds anzubieten. Deren Absatz ist stark gestiegen. Ein Nebeneffekt dieser Entwicklung ist, dass die Produktentscheider und Manager von Dachfonds seitdem einen wesentlich größeren Einfluss haben. Gleichzeitig hätten Vermittler, die in der Vergangenheit oftmals die Anlageentscheidungen für ihre Kunden getroffen haben, die Asset-Allokation an die Produktanbieter ausgelagert. (jb)

Interessierte Leser finden die vollständige Studie mit dem Titel "Navigating the post-RDR landscape in the UK: assessing the potential impact of an RDR regime on the European fund industry" in englischer Sprache hier.