"Eine neue Zeitrechnung" – so überschreibt die Ratingagentur Scope ihre aktuelle Studie, in der sie zum dritten Mal den Markt für European Long-Term Investment Funds (ELTIFs) untersucht und Anbieter befragt hat. Tatsächlich hat für europäische Langfristfonds am 10. Januar 2024 eine neue Zeitrechnung begonnen. Denn seit diesem Tag ist die überarbeitete ELTIF-Verordnung, auch ELTIF 2.0 genannt, anzuwenden. 

"Aktuell elektrisiert die neue ELTIF-Verordnung die Märkte", schreiben die Autoren. Der Grund: Sie bringt Erleichterungen sowohl für Produktanbieter als auch für den Vertrieb. "Der Großteil der Akteure erwartet, dass sich das Angebot an ELTIFs und die Nachfrage dadurch ausweiten", erklären die Scope-Experten. 

Die aktivsten Anbieter
Das wird im zehnten Jahr, seit das Fondsvehikel 2015 von der Europäischen Union (EU) zugelassen wurde, auch Zeit. Lange war das Angebot an ELTIFs hinter den Erwartungen deutlich zurückgeblieben. Mittlerweile bringt jedoch ein Asset Manager nach dem anderen einen europäischen Langfristfonds heraus. Zu den aktivsten Anbietern gehören der Scope-Studie zufolge Amundi, Azimut, Blackrock, BNP Paribas, Commerz Real, Generali Investments, Muzinich, Neuberger Berman und die Partners Group. Alle Gesellschaften, die Scope befragt hat, geben an, dass sie Privatanleger mit ihren ELTIFs im Blick haben. 

Die Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass Anzahl und Volumen von ELTIFs 2023 um rund ein Viertel zugelegt haben. Aktuell sind europaweit 95 Fonds dieser Art am Markt, die von 41 Investmentgesellschaften stammen. 20 davon sind im vergangenen Jahr aufgelegt worden. Eine ähnliche Anzahl war bereits 2022 hinzugekommen. Von den 95 ELTIFs werden bislang 85 aktiv an Anleger vertrieben. 

13,6 Milliarden Euro in ELTIFs investiert
Scope beziffert das Gesamtvolumen von ELTIFs per Ende 2023 auf 13,6 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahr ist das verwaltete Vermögen um rund 2,7 Milliarden Euro gestiegen, was einem Zuwachs von 24 Prozent entspricht. Weitere Fonds sind Scope zufolge für 2024 und darüber hinaus in Planung. In Bezug auf die Assetklassen verteilt sich das Fondsvolumen recht gleichmäßig auf Private Equity (31%), Infrastruktur (31%) und Private Debt (30%). Die restlichen Assets under Management entfallen auf gemischte Strategien und Immobilien.

"Der Zuwachs des verwalteten Vermögens im vergangenen Jahr ist zwar solide, erfüllt jedoch noch nicht die immensen Erwartungen und Hoffnungen, die mit ELTIFs verbunden sind", stellen die Scope-Experten fest. Es sei vor allem auf zwei Gründe zurückzuführen, dass das Volumen und die Zahl der ELTIFs im vergangenen Jahr nicht stärker gestiegen sind: Zum einen war 2023 kein gutes Jahr für Privatmarktinvestments, da viele Anleger attraktive Renditen mit Zinsanlagen erzielen konnten. Zum anderen haben sich Fondsanbieter zurückgehalten und gewartet, bis das ELTIF-2.0-Regime anzuwenden war.

Warten auf die RTS
Vollständige Klarheit über die exakte Ausgestaltung einiger neuer Regeln herrscht allerdings immer noch nicht, was die Auflage zahlreicher Produkte weiter verzögert. Trotz des Wartens auf die definitive Ausgestaltung der technischen Regulierungsstandards (RTS) durch die europäische Finanzmarktaufsicht ESMA sind die Marktakteure Scope zufolge aber zuversichtlich, dass die Zukunft von Privatmarktanlagen für breite Anlegerschichten dem ELTIF gehört. 

Wie in den beiden Vorjahren ist der größte europäische ELTIF-Markt Frankreich. Hier ruhten Ende 2023 4,7 Milliarden Euro in Fonds dieser Art. An zweiter Stelle folgt Italien, wo sich die Assets under Management von ELTIFs auf 3,3 Milliarden Euro belaufen. Deutschland hinkt im europäischen Vergleich mit 1,9 Milliarden Euro in Langfristfonds noch etwas hinterher. 2023 lag das Wachstum hier bei rund 400 Millionen Euro. Der Großteil des Gesamtzuwachses (40 Prozent) entfällt allerdings auf den Klimavest der Commerz Real. Dieser ist mit einem Fondsvolumen von rund 1.270 Millionen Euro per Ende 2023 der größte ELTIF in Europa, der auch an Privatanleger vertrieben wird. 

Deutscher Markt in Bewegung
Aktuell kommt aber Bewegung in den deutschen Markt für europäische Langfristfonds. So wurden im laufenden Jahr Scope zufolge bereits mehrere ELTIFs von deutschen Asset Managern aufgelegt. Union Investment etwa hat im März 2024 mit dem Uni Privatmarkt Infrastruktur den ersten ELTIF für Privatkunden herausgebracht, der breit diversifiziert in Infrastrukturanlagen investieren soll. Die Hansainvest hat als Service-KVG im April den Dachfonds Porta Equity ELTIF mit Fokus auf Private Equity, Venture Capital und Private Debt aufgelegt. Zudem haben im laufenden Jahr viele andere Anbieter ELTIFs mit Vertriebszulassung in Deutschland gestartet.

"Auch bei den zentralen Abwicklungsplattformen zeigt sich ein gewisses Momentum, da neue Anbieter an die Plattformen herantreten, um über die Aufnahme von in Vorbereitung befindlichen ELTIFs zu diskutieren", schreiben die Studienautoren. Es dürfte daher nur eine Frage der Zeit sein, bis die großen Abwicklungs- und Fondsplattformen ELTIFs als Produkt abbilden können.

Optimistisch gestimmt
Für die weitere Entwicklung am europäischen ELTIF-Markt zeigt sich das Analysehaus Scope optimistisch: Nach Einschätzung der Experten könnten sich die Assets under Management der Langfristfonds bis 2026 in Summe auf 30 bis 35 Milliarden Euro belaufen. Scope erwartet, dass in Europa in den kommenden zwölf Monaten mindestens 20 neue Langfristfonds hinzukommen werden. (am)