Die Finanzaufsicht Bafin hat am Montag (8.5.) die endgültige Fassung ihres "Merkblatts zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten" veröffentlicht. Den Entwurf für das Papier, mit dem die Aufsichtsbehörde die Ausreißer bei den Kosten in den Griff bekommen möchte, hatte sie schon Ende Oktober vergangenen Jahres zur Konsultation gestellt. 

Wichtig für Vermittler ist, dass auch in der Endfassung des Papiers kein Provisionsverbot oder Provisionsdeckel bei Lebenspolicen vorgesehen ist – wenngleich das eine sehr große Überraschung gewesen wäre. Im Gegenteil, hinter den Kulissen gab es offenbar Diskussionen darüber, dass die Bafin sogar mit dem Merkblatt zu weit hinsichtlich Vorgaben zu den Vertriebsvergütungen vorgeprescht war. Vermittlerverbände hatten den Entwurf zum Teil sehr kritisiert.

Gestraffter Text
Das endgültige Merkblatt ist kürzer als der Entwurf, einzelne Punkte wurden gestrafft. Dazu gab es eine Reihe an redaktionellen Änderungen: So werden bestimmte Renditeszenarien nicht mehr aufgeführt. Eine Durchsicht ergab ferner, dass keine elementaren Punkte aus dem Entwurf gestrichen wurden – mit einer bemerkenswerten Ausnahme.

Aber von vorne: Die im Merkblatt formulierten Erwartungen richten sich an Produzenten von kapitalbildenden Lebensversicherungen, inklusive staatlich geförderter Altersvorsorgeprodukte. Die Versicherer sollen einen "angemessenen Kundennutzen" im Hinblick auf die Bedürfnisse der Kunden sicherstellen. Dieser Kundennutzen hänge wiederum von den persönlichen Renditeerwartungen des Kunden ab, die die Versicherer erfüllen sollten: "Ein angemessener Kundennutzen setzt voraus, dass das formulierte Renditeziel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreicht wird. Dies ist im Rahmen der Produktprüfung mit geeigneten stochastischen Analysen zu prüfen."

Check der Effektivkosten
Ausgangspunkt für die Prüfung des Kundennutzens sind aus Sicht der Aufsicht insbesondere die Kalkulation der Prämien und die Kosten des Produktes, genauer die Effektivkosten. Diese schließen alle Ausgaben der Gesellschaft ein – natürlich auch die Vertriebsaufwendungen, die einen Großteil der Kosten ausmachen. Welche Vertriebsvergütungen die Gesellschaften unter die Lupe nehmen können, führt die Bafin auch aus. Dazu zählen etwa Abschluss- und Bestandsprovisionen. Zudem mahnt die Behörde, dass die Versicherer die Stornowahrscheinlichkeiten prüfen. Wegen der Zillmerung der Abschlussprovisionen in den ersten fünf Jahren der Vertragslaufzeit werden die Verträge in der Zeit sehr stark belastet.

Ferner erwartet die Behörde, dass die Versicherer die unterschiedlich hohen Vergütungen für verschiedene Vertriebspartner bei ihrer Kosten-Nutzen-Kalkulation berücksichtigen sollen. Es sollen "Quersubventionierungen" bestimmter Vertriebswege durch andere vermieden werden. Bei Fondspolicen sind ferner die Rückvergütungen der Asset Manager an die Versicherer zu prüfen und sicherzustellen, dass die Kunden an diesen mittels Überschussbeteiligungen partizipieren.

Rückvergütungen von Asset Managern an Vermittler
Ein wichtiger Punkt des Merkblattes in der finalen Version sind eventuelle Rückvergütungen, die Asset Manager direkt an die Vertriebspartner der Versicherer zahlen. "Die Lebensversicherer haben sich in ihrer Eigenschaft als Produkthersteller zu vergewissern, ob und in welchem Umfang Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an Vertriebspartner gezahlt werden. Im Fall von Rückvergütungen direkt an ihre Vertriebspartner haben die Versicherer in besonderer Weise auf einen korrespondierenden Kundennutzen solcher Rückvergütungen zu achten. Sie haben dabei ihre eigenen Vergütungszahlungen an ihre Vertriebspartner und die Rückvergütungen insgesamt zu betrachten", heißt es dort wörtlich.

Bemerkenswert ist aber, dass in der finalen Version des Merkblattes der gesamte Abschnitt "E. Risikoorientierter Aufsichtsansatz und Risikoindikatoren" aus dem Entwurf fehlt. In diesem hatte die Behörde unter anderem angekündigt, sich auf die Lebensversicherer fokussieren zu wollen, bei denen die Effektivkosten der meistverkauften Produkte im oberen Viertel (75-Prozent-Quantil) der vergleichbaren Policen liegen. Um welchen konkreten Prozentsatz es sich handelt, legte die Aufsicht nicht strikt fest, er unterscheide sich von Produktkategorie zu Produktkategorie. In einer Anfrage für das Neugeschäft im ersten Halbjahr 2021 kam aber heraus, dass das 75-Prozent-Quantil bei Fondspolicen gegen laufenden Beitrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren und jährlicher Beitragszahlung seinerzeit bei 2,35 Prozent lag.

Keine Hinweise mehr auf Problemfelder
Ferner hat die Aufsicht weitere klare Formulierungen gestrichen, wann sie genauer hinschauen möchte: hohe Abschluss- und Verwaltungskosten und vor allem hohe Abschlussprovisionen. "Hohe Abschlusskostenquoten (= Abschlussaufwendungen in % der verdienten Beiträge) können (...) auf die Zahlung hoher Abschlussprovisionen hinweisen, mit denen gegebenenfalls ein (Fehl-)Anreiz für eine aggressive Verkaufspraxis durch die Versicherungsvermittler gesetzt wird, bei der im Interesse des Vermittlungserfolges keine interessengerechte Beratung stattfindet", schrieb die Bafin in dem Entwurf. (jb)