Deutschland wird durch den demografischen Wandel enorme Wachstumseinbußen erleiden. Dadurch drohen auch Probleme für die gesetzliche Rentenversicherung. Zu dem Schluss kommt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Wirtschaftsweise") in seinem aktuellen Halbjahresgutachten, wie das "Handelsblatt" berichtet. Nach aktueller Lage würde etwa der durchschnittliche Beitragssatz von aktuell 18,6 Prozent des Lohns auf 26 Prozent bis 2080 steigen müssen, wenn das Rentenniveau wie geplant nicht sinken soll. 

Um diese Entwicklung aufzuhalten, schlägt der Sachverständigenrat eine Reihe an Maßnahmen vor, unter anderem die Einführung eines staatlich verwalteten Aktienfonds. Die "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm ist eine der Star-Referentinnen auf dem kommenden FONDS professionell KONGRESS am 24. und 25. Januar in Mannheim – Sie können sie also selbst fragen, was die Experten genau planen!

Keine abschlagsfreie Frührente
Der Reihe nach: So plädieren die Wirtschaftsexperten dafür, den Renteneintritt an die Lebenserwartung zu koppeln. Das soll mittels einer "Zwei-zu-eins-Regel" gehen, so das "Handelsblatt": Jedes weitere Jahr Lebenserwartung würde zu zwei Dritteln die Arbeitszeit verlängern und zu einem Drittel die potenzielle Rentenzeit. Aktuell solle so das Renteneintrittsalter bis 2031 von 65 auf 67 Jahre steigen. Im Anschluss, so der Vorschlag, würde es alle zehn Jahre um rund sechs Monate steigen. Das Gremium möchte ferner die abschlagsfreie Frührente streichen. Mit der Abschaffung würden viele dem Arbeitsmarkt weiter zur Verfügung stehen – und Beiträge einzahlen.

Die "Wirtschaftsweisen" möchten auch das Problem angehen, dass die aktiven Arbeitnehmer den Großteil der Rentenlasten tragen: Steigt die Zahl der Rentner schneller als die der Beitragszahler, führt das schon zu einer langsameren Erhöhung der Rentenzahlungen. Allerdings würden die Beitragszahler 75 Prozent der steigenden Lasten schultern, die Rentner nur 25. Die "Wirtschaftsweisen" meinen laut der Wirtschaftszeitung, dass jede Seite die Hälfte tragen sollte. Das Gremium möchte zudem die Rentenerhöhungen künftig an die Inflation knüpfen, nicht mehr wie im Moment an die "Haltelinie": Diese besagt, dass die jährliche Rentenerhöhung nicht mehr geringer ausfallen darf als der allgemeine Lohnanstieg. 

Abschaffung des Äquivalenzprinzips
Radikal mutet der nächste Vorschlag an: Die Experten wollen das sogenannte Äquivalenzprinzip abschaffen, um die Altersarmut zu bekämpfen. Das Prinzip besagt im Grundsatz, dass alle Beitragszahlungen gleich viel wert sind. Wer doppelt so viel einzahlt wie ein anderer, erhält dafür später auch doppelt so viel Monatsrente. Stattdessen sollen Arbeitnehmer mit geringeren Einkommen überproportional hohe Rentenleistungen bekommen. Dafür sollen die Renten für einkommensstärkere Personen gekürzt werden. 

Laut "Handelsblatt" gibt es dafür zwei Modelle: Die über das Leben gesammelten Rentenpunkte werden mit ihrer Anzahl weniger wert. Oder Personen mit einem geringen Einkommen können eine überproportional hohe Anzahl an Rentenpunkten erhalten, Gutverdiener dafür weniger. Die "Wirtschaftsweise" Grimm legte dagegen aber ein Minderheitsvotum ein, sie glaubt nicht an den Erfolg dieses Modells: "Das kann die Erwerbsanreize schmälern und erhöht die Anreize, sich aus dem System zurückzuziehen", wird sie zitiert.

Staatlich verwalteter Aktienfonds
Auch zur privaten Altersvorsorge äußern sich die Experten. Sie fordern statt der Riester-Rente einen zentral verwalteten Fonds. "Zentrales Element könnte nach internationalem Vorbild ein öffentlich verwalteter, stark aktienbasierter Fonds mit breiter Diversifizierung sein. Alle Mitglieder der Zielgruppe würden automatisch einbezogen werden (Auto-Enrolment), jedoch die Möglichkeit erhalten, nicht teilzunehmen (Opt-out). Der Fonds würde dabei als Standard-Anbieter (Default) mit privater Konkurrenz agieren und könnte aufgrund der voraussichtlichen Größe mit geringen Kosten je Versicherten agieren", heißt es in dem Bericht. Damit stellen sich die "Wirtschaftsweisen" gegen die Vorschläge der von der Regierung eingesetzten "Fokusgruppe private Altersvorsorge", die im Juli in ihrem Bericht genau einen solchen Fonds ablehnte. (jb)