Nicht nur aus Klimaschutzgründen, auch zur Verringerung der Abhängigkeit von Energielieferungen aus politisch problematischen Ländern soll die deutsche Wirtschaft auf mehr Nachhaltigkeit umgebaut werden. Inzwischen stellen Politiker der Regierungsparteien allerdings in Aussicht, dass wir während des Übergangs Wohlstandsverluste aufgrund eines geringeren Wirtschaftswachstums in Kauf werden nehmen müssen.

Was also, wenn es heißt, sich zwischen Umwelt und Wirtschaft zu entscheiden, weil sich beides nicht unter einen Hut bringen lässt? Eine repräsentative ING-Umfrage vom Juni 2022 zeigt, dass eine Mehrheit der Deutschen grundsätzlich dem Umweltschutz den Vorrang gibt. So stimmen 51 Prozent der Deutschen zu, dass Umweltschutz auch zu Lasten von Wirtschaftswachstum priorisiert werden solle. Nur 14 Prozent lehnen das ab.

Nachhaltigkeit statt Wachstum? Die Deutschen sagen "Ja, aber …"
Die Gegenfrage danach, ob die Teilnehmer zustimmen, dass das Wirtschaftswachstum die höchste Priorität haben sollte, auch wenn die Umwelt darunter leidet, scheint das auf den ersten Blick zu bestätigen. Im Gesamtschnitt geben nur 24 Prozent der Befragten der Wirtschaft den Vorrang, 43 Prozent sind dagegen. Eine Mehrheit für diese Forderung zeigt sich überraschenderweise allerdings bei den jüngeren Altersgruppen.

Aber der Reihe nach. "Dem Umweltschutz sollte Vorrang gegeben werden, auch wenn dies das Wirtschaftswachstum dämpft" – mit dieser Aussage kann sich offenbar eine Mehrheit der Deutschen identifizieren. Laut der Studie gibt es dabei auch keine demografischen Ausreißer. Über alle Altersgruppen und Geschlechter liegt die Zustimmung zu dieser Aussage durchweg zwischen 47 und 57 Prozent, die Ablehnung lediglich zwischen 10 und 19 Prozent. Ein überraschendes Altersgefälle zeigt sich jedoch bei der Gegenfrage, wie die Grafik unten belegt.

"Inwieweit stimmen Sie den folgenden Aussagen zu? – Das Wirtschaftswachstum sollte die höchste Priorität haben, auch wenn die Umwelt in gewissem Maße darunter leidet."
Antworten aufgeteilt nach Altersgruppen, Angaben in Prozent


Die öffentliche Diskussion zu Nachhaltigkeitsthemen erweckt oft den Eindruck, als wären es vor allem die älteren Mitglieder der Gesellschaft, die nicht bereit sind, für die Zukunft der jüngeren auf Wohlstand zu verzichten, und dafür von diesen an den Pranger gestellt werden. Vorrang für die Wirtschaft fordern aber vor allem letztere: Die Altersgruppen 18 bis 24 und 25 bis 34 sind die einzigen der Umfrage, in denen die Zustimmung zu "Das Wirtschaftswachstum sollte die höchste Priorität haben, auch wenn die Umwelt in gewissem Maße darunter leidet" höher ist als die Ablehnung. (hh)


Hintergrund zur Umfrage
Ziel der mehrmals jährlich durchgeführten Umfrage ist es, zu einem besseren Verständnis für die finanzielle Entscheidungsfindung von Konsumenten zu gelangen. Die Umfrage wurde vom Ipsos Meinungsforschungsinstitut in Form einer Onlinebefragung gemacht. In Belgien, Deutschland, Polen, Rumänien, Spanien und der Türkei wurden je circa 1.000 Befragungen durchgeführt.