Seit einzelne Fondsanbieter unter Greenwashing-Verdacht geraten sind, häufen sich die Fragen, ob die gesamte Branche nicht ganz so grün ist, wie sie gerne vorgibt. Dieses Misstrauen haben sich Investmentgesellschaften teilweise selbst eingebrockt, sagt Hans Joachim Reinke, Chef von Union Investment, im Interview mit dem "Handelsblatt". "Manche Anbieter wissen gar nicht genau, worüber sie reden", kritisiert er. "Als Anbieter muss ich transparent zeigen, was ich unter Nachhaltigkeit verstehe."

Reinke betont: "Für uns ist das Thema kein Marketing-Gag." Union Investment bemühe sich als aktiver Fondsmanager, bei seinen Unternehmensbeteiligungen Einfluss zu nehmen. "Wir wollen braune Unternehmen zu grünen machen", sagt Reinke. Ebenso wie andere Fondsanbieter verzeichnet das genossenschaftliche Haus eine deutlich gestiegene Nachfrage nach ökologisch und ethisch korrekten Investments. Vor drei Jahren seien nur neun Prozent des Privatanleger-Geldes in ESG-Produkte geflossen, so der Vorstandschef. "Im ersten Halbjahr dieses Jahres waren es 60 Prozent."

Regulierung ja, aber nicht zu viel
Die Regulierung in puncto ESG muss noch Fortschritte machen, sagt Reinke. "Nehmen wir einmal die EU-Taxonomie, die nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten definiert. Da sind erst zwei von sechs Umweltbereichen abgedeckt. Die sozialen Aspekte und die der Unternehmensführung fehlen noch vollständig", erklärt er im "Handelsblatt"-Gespräch. "So gesehen sind wir erst am Anfang."

Die Regulierung darf die Freiheiten der Anlagemanager allerdings nicht zu stark einschränken, warnt der Union-Investment-Chef. Sonst blieben nur wenige "vollgrüne" Unternehmen als Anlagekandidaten übrig. Sollte die deutsche Finanzaufsicht Bafin die EU-Vorgaben noch strenger auslegen, könnten Fondsgesellschaften dazu motiviert werden, neue Produkte vermehrt in Ländern wie Luxemburg auflegen. (fp)