Union Investment will seine vor gut einem Jahr gestarteten Robo-Beratung Visualvest in der persönlichen Beratung in den Bankfilialen einsetzen. Dies kündigte Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender des zentralen Fondsanbieters der Volks- und Raiffeisenbanken, bei der Bilanzpressekonferenz des Hauses in Frankfurt an. Die gesammelten Erfahrungen aus dem Online-Anlage-Planer sollen in eine automatisierte Beratung bei ausgewählten Genossenschaftsbanken einfließen und getestet werden.

"Visualvest hat uns wahnsinnig viel Kommunikation und Interaktion mit den Kunden eingebracht", berichtet Reinke. Am Ende seien aber nur 500 Depots neu abgeschlossen worden. Dies sei dennoch ein Achtungserfolg, so Reinke. Denn immerhin sei Visualvest nicht groß beworben worden, und Fintechs wie Vaamo hätten auch nur 2.000 Depots gewinnen können. "Aber warum lässt sich die große Kommunikation nicht in Abschlüsse ummünzen?", fragte Reinke und fügte seine Schlussfolgerung hinzu: "Weil Menschen auch in digitalen Kanälen das Bedürfnis nach einer Instanz haben, die sie kennen und die sie beraten kann." Reinke hatte bereits im November 2016 im Interview mit FONDS professionell ONLINE angedeutet, die Visualvest-Technologie womöglich auch den Volks- und Raiffeisenbanken anbieten zu wollen.

"Fintechs sind nicht disruptiv"
Anders als von vielen Fintechs angenommen, seien die meisten Menschen gerade in Finanzfragen nicht bereit, auf einen persönlichen Kontakt zu verzichten, argumentiert Reinke. "Der Schwung der Digitalisierung reicht nicht aus, um den Markt grundlegend zu revolutionieren. Fintechs wirken in der Geldanlage nicht disruptiv, da ihnen häufig das erforderliche Vertrauen fehlt", so der Union-Investment-Chef.

Dies sehen die Köpfe hinter den Start-ups völlig anders. "Unsere Kunden wollen nicht mit uns reden", hielt Erik Podzuweit, Gründer und Geschäftsführer von Scalable Capital, auf einer Veranstaltung in Frankfurt fest. Die meisten Kunden hätten durchaus Anlageerfahrung, wollten den Portfolio-Aufbau aber schlichtweg nicht mühselig selbst erledigen. Vor diesem Hintergrund rechnet Podzuweit auch in schwierigen Marktphasen nicht mit einem größeren Erklärungs- und Beratungsbedarf aufseiten der Kunden. Er stellte aber auch klar, dass er mit dem Robo-Angebot auf eine bestimmte Gruppe zielt, die bereit sei, so ein Angebot auszuprobieren. Scalable hatte im Dezember 2016 die Schwelle von 100 Millionen Euro beim verwalteten Vermögen überschritten.

"Das Beste aus zwei Welten"
Union-Mann Reinke hingegen glaubt, dass die Digitalisierung nicht die persönliche Beratung ersetzen werde. Allerdings ließen sich beide künftig auch nicht mehr sauber trennen. "Es geht darum, die bestehenden Beratungskanäle um digitale Bausteine zu erweitern – sozusagen das Beste aus zwei Welten zusammenführen". So werde in den Genossenschaftsbanken eine automatisierte Beratungsstrecke getestet, die Kunden selbst oder mit dem Berater zusammen bedienen könnten.

Visualvest hat neben reinen ETF-Portfolios auch aktive Fonds im Angebot – im Gegensatz zu Fintechs wie Vaamo oder Scalable, die ausschließlich auf die günstigen Indexfolger setzen. Aus Rücksicht auf den exklusiven Vertrieb der Union-Investment-Fonds in den Volks- und Raiffeisenbanken hat Visualvest allerdings bislang nur Produkte von Drittanbietern im Sortiment. Abschalten will Reinke den Robo nicht. "Visualvest wird es weiterhin geben", hielt der Union-Chef fest. (ert)