Wer alltägliche Bankgeschäfte gern mit Unterstützung eines Beraters direkt am Schalter in der Filiale tätigen möchte, muss auch in Zeiten von Corona darauf nicht unbedingt verzichten. Zumindest Kunden kleinerer Volks- und Raiffeisenbanken haben obendrein gute Chancen auf persönliche Betreuung aus der Ferne, denn hier kommt seit einiger Zeit die Videoberatung immer öfter zum Einsatz. Diese neue Form der Kundenbetreuung ist nicht nur während der momentanen Kontaktsperre eine clevere Variante. Denn mit Videoberatung gelingt es, nah am Kunden zu sein und gleichzeitig überbordende Personalkosten zu vermeiden.


Einen ausführlichen Bericht zum Thema Videoberatung bei Banken und Versicherern lesen Sie in der aktuellen Heftausgabe 1/2020 von FONDS professionell ab Seite 398.


Vor dieser Aufgabe stand im Jahr 2015 auch die VR-Bank Kaufbeuren-Ostallgäu. Nachdem die Bank ihr Filialnetz gestrafft hatte, dachten Florian Hutter, Leiter Prozess- und Projektmanagement, und seine Kollegen darüber nach, wie es nun weitergehen sollte. Die VR-Bank sollte in der Fläche präsent bleiben. Andererseits lohnten sich Öffnungszeiten von neun bis 16 Uhr und gut besetzte Filialen angesichts weiter sinkender Kundenbesuche immer weniger. In dieser Gemengelage kam Hutter der Zufall zu Hilfe.

Idee entstand auf dem Flughafen München
Am Münchner Flughafen entdeckte er einen großen Monitor in Hochformat. Darauf zu sehen war eine junge Frau, die einem Fluggast gerade live etwas erklärte. "Das könnte doch auch für uns etwas sein", dachte sich Hutter. Ein Modell, bei dem einige wenige Berater in einem zentralen Raum arbeiten und sich auf einen Bildschirm schalten, sobald in einer Bankfiliale ihre Unterstützung benötigt wird – das war die zündende Idee.

Hutter kontaktierte alsbald die Technik-Tochter des Münchner Flughafens Infogate, die den Videoservice entwickelt hatte. Zwei Jahre später gingen die ersten Telepräsenz-Terminals in vier Geschäftsstellen der VR-Bank Kaufbeuren-Ostallgäu an den Start.

Auch im Einkaufszentrum
Inzwischen ist die Pilotphase längst abgeschlossen. Seit 2019 setzt das Institut das Telepräsenzsystem mit Namen "Tellma" in acht Filialen ein, ein weiteres Terminal steht in einem Einkaufszentrum. "In größeren Geschäftsstellen ergänzt die Videoberatung den Schalterbetrieb", erklärt Hutter. Das ist praktisch, wenn in der Bank zu Spitzenzeiten viel Betrieb herrscht. In kleinen Geschäftsstellen gibt es gar keine Bankschalter mehr. Und mit dem Monitor im Einkaufszentrum möchte das Institut seine Dienstleistungen auch Kunden anbieten, die auf ihren täglichen Wegen nicht an einer Filiale vorbeikommen. 

Betritt ein Kunde eine mit dem Tellma-System ausgestattete Filiale der VR-Bank Kaufbeuren-Ostallgäu, ist die Sache ganz einfach. In der Geschäftsstelle Marktoberdorf zum Beispiel befindet sich gleich neben dem Geldautomaten eine offene Tür, die in den Videoraum führt. Passiert ein Kunde den Eingang, meldet ein Sensor an die Haustechnik: "Tür schließen." Im Kundenservice der Bank im 30 Kilometer entfernt gelegenen Pfronten erhält ein Mitarbeiter das Signal, dass ein Kunde jetzt Unterstützung benötigt. Er schaltet sich auf das System auf und erscheint in Lebensgröße auf dem Bildschirm. "Guten Tag, was darf ich für Sie tun?" – und schon kann es losgehen. 

Genau wie am Schalter
Die Geschäfte, die der Kunde mit dem Berater zusammen erledigen kann, entsprechen denen, die am Schalter möglich sind. So können etwa Überweisungen getätigt, Daueraufträge eingerichtet oder geändert, Konten eröffnet und geschlossen werden. Sind Dokumente zu unterschreiben, hat der Kunde dafür ein Glasfeld am Terminal zur Verfügung.

"Alle Beratungen, die in einer Filiale nicht am Schalter, sondern am Schreibtisch eines Mitarbeiters stattfinden, sind auch über das Tellma-Terminal aktuell nicht möglich", sagt Hutter. Wer etwa ein Wertpapierdepot eröffnen oder umschichten möchte, muss daher derzeit noch in die Filiale kommen. Denn bisher bietet die VR-Bank Kaufbeuren-Ostallgäu in den Bereichen Geldanlage oder Finanzierung auch keine Videoberatung per Internet oder App an. Solche Lösungen müssen allen Anforderungen genügen, die Mifid II vorsieht. "Die Entwicklung ist daher anspruchsvoll, aber wir sind in der Planung", berichtet Hutter. 

So macht es die VR-Bank Würzburg
Bei der VR-Bank Würzburg gibt es bereits Wertpapierberatung per Video. "Unser Videoservice 'mein Plan' ersetzt in einigen Filialen den Schalterbetrieb", sagt Christian Scheckenbach, Leiter des Kunden-Dialog-Centers. Dafür nutzt sein Institut ebenfalls die Infogate-Technologie. Am Terminal können Kunden auch einen Termin vereinbaren, wenn sie sich per Video etwa über Geldanlage beraten lassen möchten. Dies geschieht dann via Internet über ein Kommunikationssystem, das so ähnlich funktioniert wie Skype. "Für uns wird gerade diese Variante der Videoberatung seit einigen Jahren immer wichtiger", sagt Scheckenbach.

Auch die Berliner Volksbank bietet seit 2015 Beratung per Terminal und online an. Allerdings können sich Kunden über Geldanlage oder Finanzierungen auf die Distanz lediglich beraten lassen. "Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben findet der Abschluss in aller Regel in Präsenz statt", sagt Michael Thieme, Abteilungsleiter Vertriebsmanagement, Vertriebskonzepte und Marktbearbeitung. Bei der VR-Bank Würzburg hingegen können Verträge auch online abgeschlossen werden. Bei den Berliner Kunden kommt das Videoangebot trotzdem sehr gut an. "Wir wollen es daher weiter ausbauen", berichtet Thieme. (am)