Der drastische Kursverfall an den Börsen hat auch bei börsengehandelten Indexfonds (ETFs) Spuren hinterlassen. In den USA kam es bei ETFs, welche die Entwicklung von Unternehmensanleihen widerspiegeln, zeitweilig zu Differenzen zwischen dem Kurs, zu dem die ETF-Anteile gehandelt werden, und dem Wert des Fondsportfolios. Betroffen waren einem Bericht der "Financial Times" zufolge auch milliardenschwere Vehikel der Blackrock-Tochter iShares sowie der Konkurrenten Vanguard und State Street.

So lag dem Artikel zufolge der Tagesschlusskurs des 55 Milliarden Dollar schweren Total Bond ETF von Vanguard am 12. März rund sechs Prozent unter dem Nettoinventarwert. Bei dem iShares US Aggregate Bond ETF klaffte eine Spanne von mehr als vier Prozent. Üblicherweise hangeln sich die Kurse des ETF relativ nah am fortlaufend berechneten Fondswert entlang, dem sogenannten indikativen Nettoinventarwert (iNAV). Auch bei europäischen ETFs kam es zu Differenzen. Der Kurs des iShares Euro High Yield Corporate Bond beispielsweise wich stärker als gewöhnlich vom indikativen Nettoinventarwert ab – nach oben wie nach unten. Diese Spannen engten sich zuletzt aber wieder ein.

"Unfaire Behauptung"
Angesichts des drastischen Preisverfalls an den Börsen und des einhergehenden, hohen Handelsvolumens aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus' erscheinen solche Differenzen wenig überraschend. In solchen Stressphasen nimmt die Handelbarkeit im Anleihehandel deutlich ab, insbesondere bei Hochzinsbonds. Die Spanne zwischen An- und Verkaufskursen weitet sich. Nach der Finanzkrise haben zudem viele Banken aufgrund der verschärften Eigenkapitalvorschriften ihre Handelsaktivitäten zurückgefahren, was diesen Trend verschärft.


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Kritiker sehen im Auseinanderklaffen von ETF-Kurs und Fondswert jedoch einen Beleg, dass das zunehmende Wachstum von passiven Investments die Finanzmarktstabilität erschüttern könne. Die Branche wehrt sich dagegen. "Die Behauptung, dass es zu Verwerfung zwischen ETFs und dem Hochzinsmarkt kommt, ist unfair", sagt Marcus Miholich, Leiter des europäischen ETF-Bereichs bei State Street Global Advisors, der "Financial Times". "Hochzins-ETFs sind liquider und einfacher zu handeln als die zugrundeliegenden Anleihen." Einige der Bonds würden nur sehr selten gehandelt. Deren Kurse verharren also auf der Stelle, während der Rest des Marktes sich rasant verändere.

"Funktionsfähigkeit behalten"
"ETF dienen als Vehikel für die Preisfindung", meint Miholich vielmehr. Denn ETFs seien die Vehikel, auf die die Wahl der Anleger falle, wenn es um die rasche Umsetzung ihrer Investmentstrategien gehe. Die Blackrock-Tochter iShares wiederum betont, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass das erhöhte Handelsvolumen von Hochzins-ETFs zu verstärkten Anteilsauflösungen und dem Verkauf der zugrundeliegenden Anleihen geführt habe.

Anders als bei klassischen Fonds übernehmen bei ETFs sogenannte Authorized Participants die Anteilsausgabe und -rücknahme. Die tatsächliche Aus- und Rückgabe von Fondsanteilen erfolgt aber nur, wenn im Sekundärhandel Angebot und Nachfrage nicht zusammenfinden. Diesen Handel unterstützen bei ETFs die sogenannten Market Maker. "Hochzins-ETFs haben trotz des hohen Handelsvolumens in einem strapazierten Markt ihre Funktionsfähigkeit behalten", teilte der Market Maker Jane Street Group der "Financial Times" zufolge mit. Zudem bewährten sich iShares zufolge in den USA die neu gefassten Regeln zur Aussetzung des Handels. Wegen des rasanten Kursverfalls war der Börsenhandel dort zeitweilig eingestellt worden. Bei früheren Einbrüchen hatte dies bei amerikanischen ETFs die Kurse verzerrt.

"Keine Harry-Potter-Produkte"
Dennoch können auch die passiven Instrumente keine Liquidität aus dem Nichts erschaffen. "ETFs sind keine Harry-Potter-Produkte. Sie können keine magische Liquidität erschaffen", sagt Hector McNeil, Mitgründer der Gesellschaft Han-ETF, der Zeitung zufolge. "Wenn die zugrundeliegenden Vermögenswerte leiden, dann spiegelt sich das in Schwankungen des ETFs wider." (ert)