Mit schöner Regelmäßigkeit kommen Umfragen immer wieder zu dem Ergebnis, dass es mit dem Finanzwissen der Bundesbürger nicht gerade gut bestellt ist. Doch im internationalen Vergleich steht Deutschland keineswegs schlecht da, sagt Andreas Hackethal, Professor für Finanzen am House of Finance der Frankfurter Goethe-Universität. 

"Bei diesen Erhebungen werden je nach Variante nur drei oder sieben standardisierte Fragen gestellt", erklärt Hackethal im Interview mit FONDS professionell. Es wird also spezifisches Finanzwissen abgefragt, das dann international verglichen wird. "Interessanterweise findet sich Deutschland hier immer unter den Top 5 weltweit", weiß der Experte. 

Schulkenntnisse reichen nicht
Ein Verständnis von finanziellen Grundzusammenhängen, wie sie in Schulen sehr wohl gelehrt werden, reiche jedoch nicht aus, wenn Menschen mehr und mehr langfristige Finanzentscheidungen selbst treffen müssen. Dafür sei eine Finanzbildung notwendig, die über reines Wissen weit hinaus geht. 

"Zur Finanzbildung gehören auch Kompetenzen, die Menschen dazu befähigen, gute Finanzentscheidungen zu treffen und sie in die Tat umzusetzen", erläutert Hackethal. Nicht zuletzt komme eine Einstellung hinzu, eine generelle Sicht auf das Thema Geld und Finanzen. "Schließlich kann mir klar sein, wie etwa der Aktienmarkt funktioniert. Ich kann auch über das Wissen verfügen, wie man bei einem Onlinebroker Aktien kauft", sagt er. "Wenn meine Einstellung zur Börse aber negativ ist, dann investiere ich trotzdem nicht."

Drei entscheidende Aspekte
Damit eine Finanzbildung, die Wissen, Fähigkeiten und eine positive Haltung kombiniert, entstehen kann, seien drei Aspekte erforderlich: der richtige Moment, die Art der Darreichung und das Persönliche. "Zunächst einmal muss Finanzbildung zur richtigen Zeit, also in einem sogenannten Teachable Moment, erfolgen", so Hackethal. Dieser falle in der Regel aber nicht in die Schulzeit. "Er ist erst gegeben, wenn Menschen ein Problembewusstsein für Finanzfragen haben und daher für entsprechende Informationen auch erreichbar sind", erklärt der Wissenschaftler. 

Bei der Form der Darreichung gehe es darum, über welche Kanäle Wissen am besten vermittelt wird. Sehr gut funktioniere das "Learning by Doing". "Und noch einmal besser ist es, wenn ich in die Rolle versetzt werde, anderen das Erlernte zu erklären", so der Experte. Nicht zuletzt klappe das Lernen dann am besten, wenn es personenbezogen ist. "Finanzbildung funktioniert also optimal, wenn sie sich auf ein Thema bezieht, das mich direkt angeht, auf meine ganz persönliche Situation zugeschnitten ist", erläutert er. 

App in Entwicklung
Die Goethe-Universität und das Leibniz-­Institut SAFE, an dem Hackethal das "Pension Finance Lab" koordiniert, entwickeln derzeit eine App, die diese Überlegungen zusammenführt. "Wir setzen auf ein mobiles Tool, weil es verfügbar sein muss, wenn ein Nutzer gerade Zeit und Lust hat, sich mit einem Finanzthema zu beschäftigen. So wird der Teachable Moment erfasst", berichtet Hackethal. Die App ist interaktiv, und der User kann die Inhalte vollständig personalisieren.

Die Anwendung ist bereits zu 90 Prozent entwickelt und bietet sehr viele Möglichkeiten. Auch Finanzberater werden die App nutzen können, da sie eine Funktion "Konto teilen" vorsieht. "Das bedeutet, ein User kann seinen vollständigen Datensatz auf jederzeitigen Widerruf an einen Berater übermitteln, der dann seine gesamte finanzielle Situation, seine Vermögensgegenstände, sein Einkommen, seine Rentenansprüche und vieles mehr sieht", erklärt Hackethal. Er kann dann passgenau ein Produkt vorschlagen und in der App des Kunden anzeigen lassen. Damit kann dieser dann wieder experimentieren. "Die App ist auf jeden Fall auch für Finanzberater ein wichtiges Tool", sagt Hackethal. (am)


Das vollständige Interview mit Andreas Hackethal finden Sie in der aktuellen Ausgabe 4/2023 von FONDS professionell ab Seite 330. Angemeldete Nutzer können den Beitrag auch hier im E-Magazin lesen.