Angebot. In der Mariannenstraße, Ecke Reichenbergstraße in Berlin-Kreuzberg soll ein Mehrfamilienhaus gebaut werden. Das Grundstück ist bereits im Eigentum einer dafür gegründeten Projektgesellschaft. Darlehensnehmer ist die Projektentwicklungsgesellschaft Außenalster WPB Wohnungsbau GmbH aus Hamburg. Sie will die Finanzierung des mit 7,86 Millionen Euro veranschlagten Bauprojekts mit Crowdmitteln in Höhe von 400.000 Euro ergänzen. Investoren gewähren ein Nachrangdarlehen ab 250 Euro. Es soll knapp drei Jahre laufen und mit jährlich 6,25 Prozent endfällig verzinst werden.

Crowdinvesting-Plattform. Reacapital ist die jüngste Neugründung der Plattformen für Immobilien-Crowdinvestings. Die Trägergesellschaft Reabiz Crowd Capital GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 Euro ist eine 100-prozentige Enkelgesellschaft der Reafina AG, die seit 2014 im Bauträgergeschäft in Hamburg aktiv ist, aber über eine Holdingstruktur alle Glieder der Immobilien-Wertschöpfungskette abdeckt. Aktuell ebenfalls in der Fundingphase ist das Projekt Kita Bramfeld.

Projektentwickler. Projektentwickler Außenalster WPB Wohnungsbau GmbH wurde 1996 von Eckart von Seydlitz gegründet, der nach wie vor Geschäftsführer und Eigentümer der Gesellschaft ist. Zunächst auf Sanierungen und den Verkauf von Hamburger Wohnungen spezialisiert ist das Unternehmen inzwischen vor allem im Neubau tätig. Auf der Homepage kommuniziert das Unternehmen 15 bisherige Projekte, Crowd-Erfahrung hat es bereits beim Exporo-Projekt "Ostseebad Zingst" gemacht. Zu bisherigen Projektvolumina und wirtschaftlichen Ergebnissen machen die Projektentwicklungsgesellschaft und Reacapital keine Angaben. Das erschwert es, den wirtschaftlichen Erfolg der bisherigen Projekte zu beurteilen.

Darlehensnehmer. Darlehensnehmer ist die Projektgesellschaft Außenalster WPB Wohnbau selbst, nicht ihre Tochtergesellschaft Außenalster M37 GmbH, die Eigentümerin des Grundstücks ist. Dass die Projektentwicklungsgesellschaft selbst Darlehensnehmerin ist, hat den Vorteil, dass sie mit ihrem gesamten Vermögen für die Verpflichtungen aus dem Darlehen einstehen muss. Es hat jedoch den Nachteil, dass die Möglichkeit eher gegeben ist, dass die Mittel des Crowddarlehens auch für andere Zwecke genutzt werden. Zwar ist im Darlehensvertrag formuliert, dass das Darlehen ausschließlich zur Begleichung der Emissionskosten und zur Realisierung dieses Bauvorhabens verwendet werden dürfen. Im VIB heißt es hingegen etwas offener, dass die Emissionserlöse ausschließlich zur Finanzierung dieses Projekts verwendet werden "sollen". Denkbar ist daher auch, dass sie zur Ablösung des Exporo-Darlehens, das im Frühjahr dieses Jahres fällig wird, genutzt werden.

Projekt. Im Herzen Kreuzbergs, an der Ecke Mariannenstraße/Reichenberger Straße, entsteht ein Neubau mit 20 Wohn- und einer Gewerbeeinheit im Erdgeschoss. Die verkaufbare Wohnfläche beträgt 1.700 Quadratmeter. Erlöse, mit denen das Darlehen getilgt und verzinst werden soll, sollen aus dem Abverkauf der Wohnungen generiert werden. Damit wird die die Bewocon Berliner Wohnbau Consult GmbH Anfang 2019 beginnen. Wie der Stand der Baugenehmigung ist, geht aus den Unterlagen nicht hervor, auf Nachfrage teilt Reacapital mit, dass noch keine Baugenehmigung vorliegt. Fertigstellung ist für September 2019 vorgesehen.

Standort. Die Immobilie befindet sich auf halbem Wege zwischen dem sehr prominenten, idyllischen und begehrten Ufer des Landwehrkanals und dem Kottbusser Tor, das derzeit noch Schlagzahlen als Drogenumschlagsplatz und wegen seines prekären Milieus macht. Trotz der Nähe des "Kotti" ist die Wohnlage sehr begehrt. Der Kiez zeichnet sich durch seine Kneipen- und Restaurantszene aus. "Friedrichshain-Kreuzberg ist in ganz Berlin am dichtesten bebaut und spürt am stärksten den Mangel an Neubauflächen", schreibt die Berlin Hyp in ihrem aktuellen Wohnungsmarktbericht, und die Preise für Wohneigentum steigen jährlich zwischen 8 und 10 Prozent. Gleichwohl bewegen sich die durchschnittlichen Kaufpreise für Wohneigentum in diesem Bezirk gemäß dem aktuellen JLL-Report bei im Vergleich mit anderen Metropolen niedrigen 3.800 Euro je Quadratmeter, für Neubauflächen liegt der Durchschnittswert bei 4.500 Euro.

Finanzierung. Für das Projekt ist ein Gesamtkostenvolumen in Höhe von 7,86 Millionen Euro veranschlagt. Für Fremdkapital in Höhe von 7,3 Millionen Euro wurde bereits ein Vertrag geschlossen, 400.000 Euro sollen über die Crowd kommen. Die veranschlagten 160.000 Euro Eigenkapital machen gerade mal 2 Prozent der Bausumme aus. Das ist extrem wenig. 93 Prozent sind vorrangig zu bedienendes Fremdkapital, was vergleichsweise viel Risiko in die Finanzierungsstruktur trägt.

Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Kalkulationsgrundlage ist der erzielbare Erlös beim Verkauf der 1.700 Quadratmeter Wohnfläche. Reacapital rechnet mit einem Erlös von je 5.000 Euro, also einem Gesamterlös von 8,5 Millionen Euro. Die mit dem Verkauf betraute Bewocon hält ihn für erzielbar. Der kalkulierte Quadratmeterpreis liegt über den von einschlägigen Research-Unternehmen aktuell ausgewiesenen Preisen. Gegebenenfalls dennoch erzielbar erscheinen sie, wenn sich die aktuelle Entwicklung stetig steigender Preise noch in den kommenden beiden Jahren fortsetzt. Break-even wäre mit einem Quadratmeterpreis von 4.600 Euro zu schaffen.

Risiken. Die wesentlichen Risiken bei Projektentwicklungen dieser Art sind neben Planungsfehlern ungeplante Kostensteigerungen, Bauzeitverzögerungen, Mindereinnahmen durch Abweichungen vom kalkulierten Verkaufspreis und Liquiditätsengpässe, die sich etwa durch einen zu schleppend verlaufenden Abverkauf der Wohnungen ergeben können. Es handelt sich hier um ein "qualifiziertes" Nachrangdarlehen, das heißt, dass Tilgungs- und Verzinsungsansprüche dann nicht geltend gemacht werden können, wenn das einen Grund für ein Insolvenzverfahren darstellen würde. Kommt es dennoch zu einer Insolvenz des Darlehensnehmers, müssen zuerst die Forderungen nicht nachrangiger Gläubiger bedient werden, hier würde sich der sehr hohe Fremdkapitalanteil besonders negativ erweisen. Aufgrund des eigenkapitalähnlichen Charakters des qualifizierten Nachrangdarlehens ist sein Totalverlust möglich. Ein weiteres Risiko besteht schließlich in der einstweilen noch nicht vorliegenden Baugenehmigung.

Risikobegrenzungsmaßnahmen. Die Einschaltung eines externen Treuhänders und eines Zahlungsabwicklers schafft zusätzliche Beobachtungs- und Kontrollinstanzen. Zur Besicherung wurde zugunsten des Treuhänders eine erstrangige Grundschuld über 1,4 Millionen Euro auf die Immobilie Gluckstr. 57 in Hamburg-Barmbek im ersten Rang ins Grundbuch eingetragen. Es liegt ein Verkehrswertgutachten vor, das den Wert der Immobilie mit 2 Millionen Euro taxiert. Der Treuhänder ist beauftragt, diese Sicherheit im Bedarfsfall zu verwerten. Zwei Einschränkungen schmälern indes die Sicherheit dieser Maßnahme. Erstens werden auch bisherige und künftige Projekte über dieselbe Immobilie besichert, so dass im Falle mehrerer Sicherungsfälle die Verwertungserlöse gegebenenfalls nicht ausreichen, alle Ansprüche zu befriedigen. Zweitens kursieren unterschiedliche Einschätzungen, was die rechtliche Tragfähigkeit dergleichen Besicherungsmaßnahmen betrifft, stehen sie doch tendenziell alle im Widerspruch zum qualifizierten Nachrang des Darlehens. Allerdings gibt es in dieser Hinsicht noch keine belastbaren Erfahrungswerte.

Kosten. Für den Abschluss des Darlehensvertrags entstehen dem Anleger keine direkten Kosten. Die Außenalster WPB Wohnbau GmbH zahlt an Reacapital für die Vermittlung des Darlehens eine einmalige Provision in Höhe von 4,4 Prozent und circa 1 Prozent für den Zahlungsabwickler und den Treuhänder sowie 6,25 Prozent pro Jahr an die Darlehensgeber. Weil die Gebühren einmalige Zahlungen sind und keine zusätzlichen jährlichen Verwaltungskosten anfallen, ist das Angebot vergleichsweise kostenschlank.

fondstelegramm-Meinung. Mitten im Szeneviertel Kreuzberg in der Nähe von Plan- und Maybachufer neu gebauten Wohnraum anbieten – da kann eigentlich nichts schief gehen, meint man. Tatsächlich ist Wohneigentum in diesem Kiez sehr begehrt und die Wahrscheinlichkeit, dass die über aktuellem Marktdurchschnitt kalkulierten Quadratmeterpreise erzielt werden können, ist hoch. Weil es jedoch in erster Linie das eigene Exposure des Projektentwicklers und seine Erfahrung sind, die über den wirtschaftlichen Erfolg eines Neubauprojekts entscheiden, ist hier ein kräftiger Schluck Wasser in den Wein zu schütten. Die Informationsdichte der Unterlagen könnte höher sein, insofern ist insbesondere der Vergleich, den Reacapital anstellt, dass hier 6,25 Prozent möglich seien, auf Tages- und Festgeldkonten jedoch nur Renditen unter 1 Prozent, ärgerlich bis nicht ganz seriös.

Projektentwicklung in Spitzenlage, die aber viel Fremdkapitalrisiko schultern muss.