Angebot. Die Villa Vitalia Gesundheit & Pflege AG bietet Anlegern an, sich an einer AG & Co. KG zu beteiligen, die ein Grundstück im niedersächsischen Fredenbeck erwerben, Pflege-, Senioren- und Wohn-Appartements planen und bereits vor ihrem Bau veräußern will. Laut Anbieter soll die Beteiligungsgesellschaft schon vor Baubeginn und Betrieb des Pflegezentrums nicht mehr Immobilieneigentümer sein und damit auch nicht als Bauherr und Betreiber fungieren. Das Eigenkapital inklusive Agio beläuft sich auf rund 3,6 Millionen Euro. Ab 10.000 Euro zuzüglich drei Prozent Agio können sich Anleger an der Gesellschaft beteiligen. Zehn Prozent der Pflichteinlage sind im Handelsregister als Haftsumme einzutragen. Anleger erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Sie dürfen ihre Beteiligung mit einer Frist von sechs Monaten frühestens zum geplanten Ende der Laufzeit der Beteiligungsgesellschaft, dem 31. März 2019, kündigen. Zeichner können sich ein Appartement reservieren lassen. Die Finanzanlage unterliegt nicht dem KAGB, da es sich um ein operatives Geschäft handelt, so der Anbieter.

Zielmarkt. Der Gemeindeverband Fredenbeck gehört zum Landkreis Stade. Nach Angaben der GMB Beratung Schwerin waren im Jahr 2015 von den 12.780 Einwohnern des Gemeindeverbands Fredenbeck 146 stationär pflegebedürftig. In 2020 rechnet GMB mit 163 Personen, die einer stationären Pflege bedürfen. Nach Angaben des Pflegelotsen gibt es im Umkreis von zehn Kilometern um Fredenbeck herum zwölf Pflegeheime mit insgesamt 1.005 vollstationären Pflegeplätzen. Da das Konzept nicht dem eines herkömmlichen Pflegeheims entspricht, sieht der Anbieter mit seinem Mehrgenerationenmodell in den bestehenden Pflegeheimen keine Konkurrenz.

Historie. 1982 wurde die R+P Dr. Röhr & Partner gegründet, die 1999 zur Villa Vitalia Gesundheit & Pflege AG umfirmierte. 2014 wurde sie als KVG registriert. Dr. Wolfgang Röhr hält alle Aktien der Villa Vitalia und bildet gemeinsam mit Rolf Matthies ihren Vorstand. Das Unternehmen beschäftigt nur einen Mitarbeiter. Mit Dr. Röhr besteht ein außergewöhnlich hohes Schlüsselpersonenrisiko. Villa Vitalia erwirtschaftete 2014 einen Jahresüberschuss von rund 27.000 Euro, bei einer Bilanzsumme von rund 1,26 Millionen Euro. Ihr Grundkapital beträgt 300.000 Euro.
Villa Vitalia hat bislang zwei Projekte realisiert. Im Jahr 2009 hat sie einen Fonds mit 2,9 Millionen Euro Eigenkapital emittiert, der die Schlossanlage Bernsdorf in ein Biohospiz umgewandelt hat. Das Hospiz wurde 2015 in Betrieb genommen. Die 16 Pflege-Apartments und sieben Angehörigen-Apartments sind inzwischen fast vollständig ausgelastet, so der Anbieter. Für das Anlaufjahr 2015 erhielten die Anleger 3,5 Prozent Auszahlungen. Das zweite Projekt ist eine Anlage für Betreutes Wohnen in Boitzenburg, ein 2012 aufgelegtes Private Placement mit rund einer Million Euro Eigenkapital.
Die Mercurion Asset Management GmbH hat die Konzeption der Finanzanlage begleitet, kümmert sich um die Einwerbung der Investoren und um den Vertrieb der Apartments. Die GMB GmbH soll den Betreiber auswählen. Ein Mittelverwendungskontrolleur wurde nicht bestellt.

Immobilie. Das Pflege-, Gesundheits- und Gemeinschaftszentrum soll in einem Wald- und Naherholungsgebiet, an einem Golfplatz errichtet werden. Die nächsten Nahversorgungseinrichtungen sind zehn Kilometer entfernt. Einen Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel gibt es noch nicht, deshalb soll ein Shuttle-Service eingerichtet werden, so der Anbieter.
Es liegt ein Grundstückskaufvertrag mit der aufschiebenden Bedingung vor, dass der Bebauungsplan geändert wird. Nach dem derzeit gültigen Bebauungsplan ist die Realisierung des Bauvorhabens der Beteiligungsgesellschaft nicht möglich. Der Landkreis, die Gemeinde und die Beteiligungsgesellschaft müssen hierüber verhandeln. Derzeit liegt der erste Entwurf zur Änderung des Bebauungsplans vor. Es soll ein vereinfachtes Bauleitplanverfahren ohne Umweltprüfung geben. Die Kosten der B-Plan-Änderung trägt die Beteiligungsgesellschaft. Sollte der Grundstückserwerb nicht bis Ende 2016 zustande gekommen sein, haben beide Vertragsparteien ein Rücktrittsrecht.
Das Grundstück wurde noch nicht vermessen. Es soll 2,3 ha umfassen. Für jeden zusätzlichen Quadratmeter müsste die Beteiligungsgesellschaft 70 Euro je Quadratmeter zahlen. Der Kaufpreis ist vier Wochen nach Inkrafttreten des Bebauungsplans fällig. Der Gemeinde sind keine Bodenverunreinigungen bekannt, laut Anbieter handelt es sich um ein Naturschutzgebiet. Ob ein Bodengutachten vorliegt, weiß der Anbieter nicht. Etwaige Entsorgungskosten müsste die Beteiligungsgesellschaft tragen. Die noch andauernde Erschließung des Grundstücks übernimmt der Verkäufer. Obwohl das Grundstück weder vermessen ist, noch die Bedingungen für den Grundstückskaufvertrag erfüllt sind, muss die Beteiligungsgesellschaft seit dem 1. Januar 2016 4,25 Prozent des Kaufpreises jährlich an den Grundstücksverkäufer entrichten. Der Anbieter ist sich auf Nachfrage nicht sicher, ob das eine notwendige Vertragsformulierung ist oder ob die Zinsen tatsächlich gezahlt werden müssen. Kommt der Grundstückskauf nicht zustande und liegt die Ursache dafür bei der Beteiligungsgesellschaft, muss diese 150.000 Euro zahlen. Das gilt auch, wenn der Bebauungsplan nicht geändert werden konnte.
Bislang liegt nur ein grober Entwurf einer Bauplanung vor. Es steht momentan noch nicht definitiv fest, was genau gebaut werden soll. Ein Bauantrag konnte folglich noch nicht gestellt werden. Auch die Partner beispielsweise für die Bauplanung und Baudurchführung stehen noch nicht fest. Die Detailplanung soll im ersten Halbjahr 2016 erfolgen. Da man noch nicht weiß, wer der Betreiber der Pflegeeinrichtungen sein wird, können seine Forderungen beim Bau nicht berücksichtigt werden. Der Betreiber müsste die Planung akzeptieren, so der Anbieter. Gerade das Bauen von Pflegeeinrichtungen erfordert Spezialkenntnisse in diesem Bereich.
Angesichts des derzeitigen Projektentwicklungsstands erscheint der geplante Baubeginn am 1. Oktober 2016 sehr ambitioniert. Die Fertigstellung ist für den 31. März 2019 vorgesehen.
Geplant sind im Wesentlichen: 73 barrierefreie Ein- bis Dreizimmer- und Penthousewohnungen und 60 Pflegeapartments mit insgesamt 80 Pflegeplätzen, Räumlichkeiten für die Tagespflege, ein Café, ein Bistro, ein Wellnesszentrum, ein Pflegehotel, Wohnungen für Mitarbeiter und Angehörige der Pflegeeinrichtung sowie eine Kindertagesstätte. Ohne letztere soll die Nutzfläche 10.785 Quadratmeter betragen.

Verkaufsansätze. Die avisierten Rückflüsse im ersten Jahr stellen Vorabauszahlungen dar, denen noch keine Einnahmen gegenüber stehen. Alle weiteren Rückzahlungen sollen aus den Verkaufserlösen der Appartements stammen. Die Wohnungen sollen im Durchschnitt für 2.930 Euro je Quadratmeter veräußert werden. Für Neubauwohnungen in Stade werden Preise in dieser Größenordnung verlangt.
Der Anbieter rechnet mit Wohnungsmieten von 10,30 Euro je Quadratmeter. Es gibt im Umfeld ein seniorengerechtes Neubauprojekt mit nahezu demselben Mietansatz. Ansonsten liegen die Mieten für neue, herkömmliche Wohnungen im Umkreis darunter.

Finanzierung und laufende Nebenkosten. Der Prospekt verwirrt den Leser dahingehend, dass er nicht eindeutig erkennt, wann die Beteiligungsgesellschaft aus dem Projekt wieder aussteigt, ob sie den Bau der Immobilie begleitet oder nicht. Tatsächlich finanziert die Beteiligungsgesellschaft nur den Grundstückserwerb und die Planungskosten.
81,1 Prozent des Eigenkapitals inklusive Agio sollen für den Grundstückserwerb, die Grundstückserwerbsnebenkosten und die Planungskosten ausgegeben werden, 7,0 Prozent sind für Pre-Openingsaufwendungen des Betreibers vorgesehen. Leicht erhöhte 11,9 Prozent sind Nebenkosten der Beteiligungsgesellschaft.
Es fallen jährlich 2,3 Prozent des Eigenkapitals für Nebenkosten der Beteiligungsgesellschaft an, das sind rund 83.000 Euro, der relativ hohe Prozentsatz dem kleinen Gesamtvolumen geschuldet sein.

Rückfluss. Sofern die Anleger ihr Eigenkapital zuzüglich acht Prozent vor Steuern jährlich zurückerhalten haben, gehen 25 Prozent der darüber hinaus gehenden Erträge an den Komplementär. 0,1 Prozent des vom Treuhänder verwalteten Kapitals erhält er bei Liquidation der Gesellschaft.
Der Anbieter geht davon aus, den Anlegern acht Prozent des Eigenkapitals (ohne Agio) jährlich, allerdings vor Steuern der Beteiligungsgesellschaft und vor Steuern der Anleger auszahlen zu können. Leider kann man mit einer Vorsteuerbetrachtung auf Gesellschaftsebene nicht viel anfangen. Am voraussichtlichen Ende der Beteiligungsgesellschaft sollen die Anleger ihren Einsatz zurückerhalten und an etwaigen Mehrerlösen beteiligt werden.

Vertragsgestaltung. Sofern ein Treugeber sein Weisungsrecht nicht wahrnimmt, stimmt der Treuhänder nach eigenem Ermessen ab.

Eignung für Stiftungen. Das Produkt ist nicht für Stiftungen geeignet, da der Kapitalerhalt gefährdet ist.

fondstelegramm-Meinung. Villa Vitalia ist ein sehr kleines Unternehmen, das im Wesentlichen auf einer Schlüsselperson basiert. Der Anbieter hat seit 2009 zwei Projekte umgesetzt. Ein Publikumsfonds zahlte 2015 das erste Mal aus. Der Prospekt ist nicht in allen Belangen klar und verständlich. Der Gedanke an ein Mehrgenerationen-Objekt ist sicherlich fortschrittlich und würde für die künftigen Bewohner viele Vorteile bieten. Das Projekt befindet sich jedoch noch in einem sehr frühen Stadium: Der Bebauungsplan ist für die Realisierung des Projekts zu ändern, es liegt erst eine Grobplanung vor, der Betreiber steht noch nicht fest. Das heißt, es ist noch gar nicht klar, ob das Projekt überhaupt und in welchem Rahmen es letztendlich realisiert werden kann. Das Grundstück liegt abseits von Nahversorgungseinrichtungen, so dass die künftigen Bewohner für Einkäufe, die über den Kiosk-Bedarf hinausgehen, auf einen Shuttle-Service angewiesen sind, wenn sie kein Auto mehr fahren können.

Hundert Prozent Risiko, keine sichere Kapitalanlage