Axion berät seit 2001 Pflege- und Gesundheitseinrichtungen, Kapitalgeber, Banken und Projektentwicklungsgesellschaften. Wo liegen die Herausforderungen der Pflege in den kommenden Jahren? Wir sprachen mit Branchenkenner Nikolaos Tavridis.

Was waren die bedeutendsten Veränderungen in der Pflege in den vergangenen Jahren? Und wo steht der Pflegemarkt heute?
Nikolaos Tavridis: Durch die Pflegestrukturgesetze (PSG 1 – 3) hat der Gesetzesgeber die Refinanzierung der Pflege zwar nachhaltig gesichert, jedoch auch das Gleichgewicht zwischen ambulanter und stationärer Pflege neu austariert. Die vollstationäre Pflege ist für die niedrigen Pflegrade zunehmend wirtschaftlich unattraktiver. Darüber hinaus wird auch bei höheren Pflegegraden die ambulante Pflege begünstigt, da durch die Kombination von unterschiedlichen Leistungen – genannt sei hier beispielsweise die Tagespflege - Möglichkeiten bestehen, deutlich höhere Zuschüsse als in der stationären Pflege zu bekommen. Dazu stiegen im Pflegemarkt sowohl auf der Betreiber- als auch auf der Immobilienseite seit zirka 2015 die Kapitalzuflüsse enorm und erreichten 2016 neue Rekordstände. Der Trend besteht weitgehend ungebrochen fort und ist in dem Liquiditätsüberschuss in den Finanzmärkten, kombiniert mit dem Mangel an Anlagealternativen, begründet.

Der amerikanische Finanzinvestor Oaktree hat Pflegen & Wohnen und Vitanas gekauft. Beide Unternehmen zählten mit zusammen rund 8.370 Plätzen zu den größten privaten Heimbetreibern in Deutschland. Der amerikanische Finanzinvestor Carlyle wiederum bereitet den Ausstieg aus der Pflegeheimkette Alloheim vor. Wie bewerten Sie das?
Nikolaos Tavridis: Der immer noch stark fragmentierte Betreibermarkt erscheint aus Sicht von Finanzinvestoren, aber auch ausländischen Betreibern, als reif für eine Konsolidierung. Der Investitionsdruck auf den Finanzmärkten tut hier sein Übriges. Kombiniert haben wir ein hohes Interesse, an der Konsolidierung des Betreibermarktes zu partizipieren. Das führt allerdings derzeit zu Höchstpreisen für Betreibergesellschaften – es bleibt abzuwarten ob diese langfristig zu rechtfertigen sind. Auf alle Fälle schreitet die Konsolidierung der Branche schneller als je voran.

Gute Pflegeimmobilien sind derzeit rar oder täuscht das?
Nikolaos Tavridis: In der Tat gibt es mehr Kapital als Objekte zu erwerben. Das führt zu hohen Preisen und einem Mangel an qualitativen Objekten.

Wer sind die derzeitigen Hauptprotagonisten auf Investorenseite? Spielen Stiftungen eine Rolle?
Nikolaos Tavridis: Die Protagonisten sind zum einem institutionelle Anleger wie Pensionskassen und Versicherung aber vor allem dominante Immobilienfonds und zum anderen Aufteiler. Stiftungen sind nur vereinzelt präsent.

Aufteiler kaufen seit einiger Zeit verstärkt Pflegeimmobilien auf und vermarkten die einzelnen Einheiten. Ist das ein lohnendes Investment für Anleger?
Nikolaos Tavridis: Pflegeimmobilien sind Anlageprodukte, die eine hohe Kompetenz bei der Verwaltung benötigen. Darüber hinaus ist das Risiko nicht zu unterschätzen. Meines Erachtens ist im Aufteilergeschäft eine Goldgräberstimmung zu spüren, bei der beide obigen Aspekte zu kurz kommen. In solchen Fällen sind Ausfälle programmiert.

Was erwarten Sie im Pflegebereich politisch? Wie werden länderspezifische Eigenheiten wie unterschiedliche Zusatzzahlungen, Vorgaben zu Mindestgrößen von Zimmern oder Höchstzahlen für Doppelzimmer den Markt zukünftig beeinflussen?
Nikolaos Tavridis: Das sind regionale Fragen, die unterschiedlich gehandhabt werden. Gerade in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen und Baden Württemberg werden die unmittelbar anstehenden Veränderungen dazu führen, dass einerseits das jetzige Angebot schrumpft, weil Doppelzimmer zu Einzelzimmer umgewandelt werden und andererseits der Neubau durch Größenrestriktionen und Einschnitte der Refinanzierung unattraktiver wird. Angesichts der demographischen Entwicklung kann es dann dazu führen, dass künftig die stationäre Infrastruktur nicht mehr ausreicht und es zu Versorgungsengpässen kommt. Das könnte für die Bestandshalter positiv sein, aber für die Pflegebedürftigen ein Problem darstellen.

Nikolaos Tavridis ist Geschäftsführender Gesellschafter der Axion Unternehmensgruppe.