Die Reederei NSB ist eine der führenden Containerreedereien der Welt. Neben der Bereederung von Containerschiffen, Tankern und Schiffen zur Errichtung von Offshore-Windparks ist NSB in der Betreuung von Schiffsneubauten und im Retrofitting eigener und fremder Schiffe aktiv. Wir sprachen mit Chief Financial Officer Lutz Weber.

Eine aktuelle Meldung Ihres Hauses berichtet vom ersten erfolgreichen Schiffs-Widening bei der MSC Geneva. Was bedeutet Widening? Welche technischen Herausforderungen stellt eine derartige Retrofitting-Maßnahme? Wie profitiert das betroffene Schiff und dessen Eigner? Bieten Sie die Umbaumaßnahmen auch für Dritte an?
Lutz Weber: Die Entwicklungen beim Bau von Containerschiffen sind rasant. Schiffe der Panmax-Klasse, die ab 2005 vom Stapel gelaufen sind, fahren heute nicht mehr konkurrenzfähig. Bisher droht die kostspielige Verschrottung vor Erreichen der geplanten Lebensdauer. Mit dem innovativen Konzept des Widening gehen wir neue Wege und machen ältere Containerfrachter durch Verbreiterung wieder konkurrenzfähig. Bei dem Umbau wird das Schiff vor den Aufbauten, am Bug und dann in Längssrichtung geschnitten, um je nach Schiffstyp bis zu vier Containerreihen verbreitert zu werden, das entspricht einem Plus von 30 Prozent Ladekapazität. So kann unser erstes verbreitertes Schiff die MSC Geneva statt vormals 4.872 nun 6.336 Container aufnehmen. Neben der Tragfähigkeit steigert der Umbau außerdem die Querstabilität – bei einer geringeren Menge an Ballastwasser. Vorteile bietet das Widening auch für die Energieeffizienz: Der CO2-Ausstoß pro Ladungstonne reduziert sich erheblich. Die Schiffe halten bereits jetzt den IMO Efficiency Design Index von neu gebauten Schiffen ein, der ab dem Jahr 2025 gilt.
Wir bieten das Widening über unser Tochterunternehmen, die NSB Marine Solutions, auch anderen Reedereien und Ship Managern an.

Welche Retrofitting-Maßnahmen planen Sie noch beziehungsweise sind bereits in Ausführung?
Lutz Weber: Das Widening stellt einen neuen Meilenstein im Rahmen des umfangreichen Retrofitting-Portfolios dar, mit deren Hilfe wir Schiffseinheiten dank zeitgemäßer Technologien fit für die Zukunft machen. Das Angebot reicht dabei von effizienzsteigernden Maßnahmen wie der Installation eines optimierten Wulstbugs, Propellers und Turbo Charger-Cut Outs bis hin zu computergestützten Trimmassistenten und Performance Monitoring Tools.

Wie groß schätzen Sie den Markt für technische Weiterentwicklungen für Frachter? Anhand welcher Kriterien wird entschieden, ob sie sich wirtschaftlich lohnen?
Lutz Weber: Wir sehen im Bereich der technischen Weiterentwicklung von Schiffen einen Markt mit großem Entwicklungspotenzial. Letztlich wird sich aufgrund der erwarteten Rückflüsse aus einer Investition für technische Neuerungen entschieden, ob diese für ein Schiff in Angriff genommen werden oder nicht. Dabei geht es um die übliche kaufmännische Bewertung nach Return on Investment.

Wie bewerten Sie die derzeitigen Schiffsmärkte? Wo liegen die Gefahren, wo Möglichkeiten?
Lutz Weber: Im ersten Halbjahr hat sich der Chartermarkt für klassische Tramptonnage wieder erholt. Zwar ist das Charterratenniveau in den letzten Wochen saisonal bedingt etwas gesunken, doch es befindet sich noch weit über dem Vorjahresniveau. Da die Segmente unterhalb von 5.000 TEU seit Jahren unterbaut sind, haben wir in Bezug auf das kommende Jahr verhalten positive Erwartungen. Gegenwärtig ist eine Abschwächung der Konjunktur in China zu beobachten und es bleibt abzuwarten wie sich das auf Ladungsvolumina und die Liniendienstplanung der Carrier auswirkt. Neben der Entwicklung der Weltwirtschaft und des Ölpreises, werden die Integrationsfähigkeit von Neubautonnage, sowie das Bestellverhalten der Reeder für die zukünftige Chartermarktentwicklung entscheidend sein.

Zur Kapitalisierung: Welche Bedeutung hat für Schifffahrtunternehmen mittlerweile der amerikanische Raum? Welchen Stand hat Asien bei der Kapitalsuche mittlerweile?
Lutz Weber: Wir beobachten eine starke Polarisierung in Bezug auf Schiffsfinanzierungen zwischen den Märkten USA und Asien, hier vornehmlich China. Während der europäische Finanzierungsmarkt für Schiffe weiterhin schwach ist und die vormaligen Top Player weiterhin mit der Sanierung ihrer alten Portfolien beschäftigt sind. Der chinesische Finanzierungsmarkt ist nach unserer Beobachtung gekennzeichnet durch die Bereitschaft größere Finanzierungsvolumina für Corporate Finance auf der Basis von Schiffsneubauprogrammen für chinesische Werften zur Verfügung zu stellen. US Kapital tritt unserer Beobachtung nach im Wesentlichen als opportunistische Käufer von Tonnage auf der Basis der Spekulation auf große Wertsteigerung der Schiffe auf. Nur so sind dort die hohen Renditeziele von 15 Prozent und mehr argumentierbar.

Oltmann und Conti haben neue Schiffsfonds angekündigt. Wird es ein Comeback der Schiffsbeteiligung geben? Welche Alternativen werden zusätzlich oder stattdessen mehr kommen?
Lutz Weber: Wir rechnen fest damit, dass die Schiffsbeteiligung in ihrer neuen, dem Kapitalmarktgesetz unterliegenden Struktur einen festen Platz in den Portfolien deutscher Investoren finden wird. Zusätzlich können wir uns vorstellen, dass kleinere Gruppen von Investoren, aber auch institutionelle Anleger den Weg in professionell und transparent gemanagte Schiffsinvestmentstrukturen finden.

Ende 2014 haben Sie die komplette Ausflaggung aller Schiffe bis Juni 2017 beschlossen. Warum? Wo werden die Schiffe wieder eingeflaggt? Welche Vor- und Nachteile entstehen dabei für Ihr Haus?
Lutz Weber: Aufgrund der hohen Mehrkosten, die die deutsche Flagge Einschiffsgesellschaften aufbürdet, war dieser Schritt unumgänglich, da ansonsten der Fortbestand der Einschiffsgesellschaften und der Reederei NSB gefährdet gewesen wäre. Da die ausgeflaggten Schiffe weiterhin das Privileg der Tonnagesteuer genießen, ist es von uns beabsichtigt, den überwiegenden Teil der auszuflaggenden Tonnage unter eine europäische Flagge zu bringen, die gegenüber der deutschen wettbewerbsfähiger ist. Hier kommt für uns insbesondere Madeira und Malta in Frage.

Was erwarten Sie von der 9. Nationalen Maritimen Konferenz am 19. und 20. Oktober 2015 in Bremerhaven?
Lutz Weber: Eine Stärkung und Neuausrichtung der deutschen Schifffahrtspolitik hin auf eine hohe Wettbewerbsfähigkeit. Das Vorhandensein von Schifffahrtskompetenz für die weltweit zweitstärkste Exportnation ist lebenswichtig. Der Schifffahrtsstandort Deutschland muss seiner internationalen Bedeutung entsprechend Bestand haben. Wir hoffen, dass die 9. Nationale Maritime Konferenz dies transportiert.

Lutz Weber ist CFO der Reederei NSB.