Am 1. Mai 2014 wurde das Prokon-Insolvenzverfahren eröffnet. Am 2. Juli dieses Jahres wird es eine nächste Gläubigerversammlung geben. Auf ihr soll entschieden werden, wie es mit Prokon weitergeht. Zwei Möglichkeiten stehen im Raum: Entweder wird Prokon in eine Genossenschaft umgewandelt oder an einen Investor verkauft. Darüber sprachen wir mit Wolfgang Siegel und Rainer Doemen vom Verein "Die Freunde von Prokon e.V."


Insolvenzverfahren Prokon – ein Jahr danach. Ziehen Sie für uns ein Resümee: Was wurde geschafft, was wurde erreicht, wo wurden Fehler gemacht?
FvP: Es waren viele komplexe Probleme sowohl für den Insolvenzverwalter als auch für den Verein FvP zu lösen. Es wurden keine wesentlichen Fehler gemacht, so dass wir jetzt unser Ziel realisieren können, den Erhalt von PROKON als ein ökologisches, soziales, nicht von Banken abhängiges und bürgernahes Unternehmen durch die Umwandlung in eine zukunftsträchtige Genossenschaft. Das Gelingen hängt jetzt nur noch von den Genussrechtsinhabern selbst ab.

Erklären Sie uns bitte das von Ihnen angestrebte „Genossenschaftsmodell“. Was ist der Hintergrund der so genannten "Zwangsanleihe"?
FvP: Der Genossenschaftsverband hat unter der Voraussetzung einer ausreichenden Eigenkapitalquote der Umwandlung der PROKON Regenrative Energien GmbH in eine Genossenschaft (eG) zugestimmt. Diese Zustimmung erfolgte aufgrund einer sorgfältigen Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit. Der Genossenschaftsverband prüft und berät seine von ihm zugelassenen Genossenschaften und wird auch bei PROKON ein zuverlässiger Partner sein. Das höchste Organ ist die Generalversammlung aller Mitglieder als demokratisch legitimiertes Entscheidungsgremium. Dieses wählt den Aufsichtsrat, der wiederum den Vorstand kontrolliert.
Die von Ihnen angesprochene „Zwangsanleihe“ ist ein Kredit, den die Genussrechtsinhaber der neuen PROKON zur Verfügung stellen. Sie ist ein durch die Windkraftanlagen besichertes und an der Börse handelbares Wertpapier. Es hat eine Laufzeit von 15 Jahren mit einer festen Verzinsung über die Laufzeit von 3,5 Prozent. Es ermöglicht den Inhabern, durch den Verkauf jederzeit an Bargeld zu kommen, wenn sie es benötigen, ohne dass hierdurch PROKON selbst wieder in eine Schieflage kommen kann. Bei einer sicheren Verzinsung von 3,5 Prozent ist es heutzutage schon ein gutes Wertpapier, dessen Börsenwert vermutlich nicht sehr schwanken wird.

Wo liegen die Vorteile für die jetzigen Genussrechtsinhaber? Was sind mögliche Nachteile?
FvP: PROKON ist mehr wert, als der Investor EnBW bietet. Das hat der Insolvenzverwalter sogar mit der in Insolvenzverfahren üblichen konservativen gutachterlichen Bewertung festgestellt. Dies wurde auch mit der Unternehmensanalyse des Genossenschaftsverbandes bestätigt. Deshalb besteht die Chance, von der langfristigen Ertragsstärke eines gesunden und zukunftsfähigen Unternehmens zu profitieren. Nachteile sind nicht zu erkennen. Es besteht allerdings bei jeglicher Unternehmensbeteiligung immer das Restrisiko, dass ein Unternehmen insolvent wird. Aber dank der gesetzlichen Pflichtprüfung durch den Genossenschaftsverband sind Genossenschaften die insolvenzsicherste Unternehmensform in Deutschland.

Warum sind Sie so vehement gegen den Verkauf an einen Investor? Immerhin gäbe es gleich Bargeld und einen Schlussstrich. Liegen außer von Capital Stage und EnBW noch weitere Investorenangebote vor?
FvP: EnBW hat durch die Entscheidung des Gläubigerausschusses das Rennen der Investoren gewonnen. Das Gebot von EnBW bestätigt das, was die Freunde von PROKON von Anfang an gesagt haben: PROKON ist werthaltig, sonst würde ein gewinnorientiertes Unternehmen nicht ein solches Angebot machen, nachdem sie PROKON sorgfältig geprüft haben. Aber schließlich wurde das Potential, das in PROKON enthalten ist, von unseren Geldern aufgebaut. Wir sind dagegen, dass jetzt die Gewinne andere abschöpfen. Durch die Insolvenz und durch den Neuanfang in der Genossenschaft wird tatsächlich ein Schlussstrich unter die Vergangenheit mit schweren kaufmännischen Fehlern und ohne Kontrolle durch die Geldgeber gezogen. Aber von dem, was gut war und ist, wollen wir künftig profitieren.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin? Was ist aus Carsten Rodbertus geworden, spielen dessen Aktivitäten noch eine Rolle?
FvP: Die Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter ist fair und sachlich. Unterschiedliche Interessen werden kommuniziert. Dr. Penzlin legt größten Wert darauf, unparteiisch zu sein und beide Insolvenzpläne gleich zu behandeln. Wir sind froh, dass die Gläubiger die Wahl zwischen zwei Plänen und damit eine echte Entscheidungsmöglichkeit haben.
Herr Rodbertus spielt bei PROKON keine Rolle mehr.

Was muss jetzt noch vor der Gläubigerversammlung Anfang Juli 2015 geschehen? Wie könnte das Ergebnis lauten?
FvP: Wir bereiten intensiv unsere zweite Runde der bundesweiten Roadshow vor. Auf den vielen Veranstaltungen werden wir erneut vielen Tausend Genussrechtsinhabern den besseren Weg in die Genossenschaft sachlich und fair darlegen, damit sie die Zustimmungserklärung zum Eintritt in die Genossenschaft und zum Erwerben der Genossenschaftsanteile im Tausch gegen den kleineren Teil ihrer Genussrechte unterschreiben und an den Insolvenzverwalter zurückschicken.
Wir erwarten, dass auf der Gläubigerversammlung am 2. Juli die Genossenschaft beschlossen wird.

Rückblickend: Prokon – gute Idee, schlecht umgesetzt oder waren andere Unbilden schuld?
FvP: PROKON war und ist ein sehr wichtiges, auch gesellschaftlich relevantes Unternehmen. Rund 75.000 Menschen haben ihren finanziellen und ökologisch motivierten Beitrag geleistet. Natürlich hat die vertragliche Verzinsung von 6 Prozent und die tatsächlich ausgezahlte Verzinsung von 8 Prozent in den letzten Jahren vor der Insolvenz die Entscheidung erleichtert. Doch seriös kalkulierte Windparks erwirtschafteten über viele Jahre und unbeeinflusst von der Finanz- und Wirtschaftskrise Renditen zwischen 4 und mehr als 6 Prozent. Zudem hatte Herr Rodbertus auch gute Ideen. Er hatte mit dem Investment der GRI Bankenverbindlichkeiten getilgt. Somit sitzen bei der PROKON-Insolvenz nicht die Banken, sondern die GRI in der ersten Reihe. Die schweren Fehler, die er gemacht hat, lagen nicht im Bereich von Entwicklung und Bau von Windparks, sondern vor allem darin, dass er mit unserem Geld Geschäftsfelder aufgemacht hat, die er offenkundig fehleingeschätzt hat, so dass dort enorme Verluste entstanden sind. Das Schlechte wird in der Genossenschaft korrigiert, das Gute weiter entwickelt.

Wolfgang Siegel ist Vorsitzender des Vereins „Die Freunde von PROKON e. V.“, Rainer Doemen ist Pressesprecher des Vereins.