fondstelegramm: Sie haben die Anlagevorschläge von Stiftungsberatern für das Fuchsbriefe Ranking Tops2017 bewertet. Welche Erkenntnis bleibt?
Dr. Jörg Richter: Das Management von Stiftungsvermögen ist eine eigene „Liga“ im Private Banking. Anbieter müssen nicht nur ihr Grundgeschäft, das Portfoliomanagement, beherrschen. Hinzu kommt stiftungsspezifisches Wissen. Denn nicht jeder Ertrag darf ausgeschüttet werden und damit dem Stiftungszweck zur Verfügung gestellt werden.
Wir sehen das gut in der dritten Runde des Performanceprojekts von Dr. Jörg Richter und Verlag Fuchsbriefe. 51 Vermögensmanager verwalten dort das Vermögen einer fiktiven Stiftung in Höhe von fünf Millionen Euro. Auch im abgelaufenen Projektjahr haben einige Anbieter eine gute Performance erzielt, aber die Stiftung vor massive Probleme gestellt, weil kaum ordentliche Erträge wie Zinsen, Fondsausschüttungen oder Dividenden geflossen sind. Da zeigt sich: Es fehlt an Stiftungskompetenz.
Hinzu kommen die Herausforderungen auf der Zinsseite, die riesig sind. Sichere Anleihen bringen häufig Negativrenditen. Längere Laufzeiten liefern vielleicht noch einen kleinen positiven Ertrag, bergen aber große Kursrisiken in sich. Die Vermögensverwaltungskosten können kaum verdient werden, es verbleibt zu wenig für den Stiftungszweck.
Die Alternativen sind unter anderem Aktien bei gleichzeitigem Anstieg der Schwankungsbreite des Vermögens. Da eine Stiftung aber „ewig“ lebt, kann sie sich solche Marktschwankungen in einem gewissen Umfang auch leisten. Diese Erkenntnis setzt sich durch. Dies ist gut in den Portfolien des diesjährigen Tests zu sehen. Die Aktie hat jetzt ihren festen Platz. Waren früher eher 10 bis 20 Prozent Aktienquote festzustellen, liegt diese heute bei 30 Prozent und mehr.

Was hat sich zum Vorjahr verändert?
Dr. Jörg Richter: Die Vorschläge sind laien-verständlicher geworden. Wir mussten in früheren Tests häufig kritisieren, dass die Unterlagen viel zu fachlich orientiert waren. Immer mehr Anbieter verstehen, dass in Stiftungen überwiegend Entscheider tätig sind, die wenig Erfahrungen und Kenntnisse in Vermögensanlagen haben. Das gilt für den Stifter selbst, aber auch für die von ihm zum Beispiel in den Vorstand berufenen Ehrenamtlichen. Deren Herz schlägt für das Soziale. Geld ist Mittel zum Zweck, sozusagen „notwendiges Übel“. Daher ist es um so wichtiger, dass Banken und Vermögensverwalter verständliche und nachvollziehbare Vorschläge liefern. In dieser Kategorie gibt es gute Fortschritte.
Wir haben in diesem Jahr ein kleines „Favoritensterben“ gesehen. Drei Institute, die Baden-Wüttembergische Bank, Sal. Oppenheim und die Deutsche Bank, haben über Jahre durch sehr gute Leistungen überzeugen können. In 2016 schafften die Häuser es nicht, in die Finalrunde, den „Beauty Contest“ einzuziehen. Die Leistungen der drei waren zwar ordentlich, aber es gab 11 bessere Häuser. Wir sind gespannt, ob es nur ein einmaliges Phänomen war oder ob sich in den drei Häusern die Qualität grundsätzlich verändert hat.

Sie sprechen vom Spannungsverhältnis von Rendite, maximalem Verlust und Resistenz gegen einen Zinsschock im Portfolio. Was meinen Sie mit Zinsschock und wann erwarten Sie den?
Dr. Jörg Richter: Anleger erfreuen sich in den letzten Jahren herausragender Renditen bei Anleihen und Anleihefonds. Die Freude resultiert aber nicht daraus, weil die Zinsen so hoch sind, sondern weil der Zinsrückgang die Anleihekurse massiv erhöht hat. Mittlerweile haben wir aber Negativzinsen, ökonomisch betrachtet ein Irrsinn. Die Risiken, die in diesen Anleihen stecken, sehen viele Anleger nicht. Kennziffern wie „Volatilität“ liefern keine ausreichenden Hinweise auf das Problem, denn in den letzten Jahren ging es mit den Anleihekursen stetig bergauf. Die Kennziffer ist klein und signalisiert „wenig Risiko“. Ein Trugschluss.
Der Begriff Zinsschock beschreibt, dass sich die Stimmung am Zinsmarkt plötzlich drehen kann. „Aus dem Nichts“ steigen innerhalb weniger Tage die Zinsen und vice versa fallen die Kurse der Anleihen. Das bedeutet massive Verluste in den Depots, besonders bei Portfolios mit längeren Anleihelaufzeiten.
Einen Vorgeschmack haben wir schon im April 2015 erhalten. Innerhalb weniger Tage waren bei Staatsanleihen Kursverluste von bis zu 10 Prozent zu vermelden. Und ganz aktuell sehen wir ein ähnliches Phänomen in den USA nach der Trump-Wahl. Viele erleben das Wahlergebnis an sich als Schock. Anleger in US-Staatsanleihen spüren zusätzlich den Zinsschock, denn der Zins für 10-Jährige Anleihen ist deutlich gestiegen. Wann der große Zinsschock kommt, kann niemand voraussehen. Und wie stark er ausfällt, steht ebenso in den Sternen. Das Depot, das unsere Testkunden im aktuellen Private Banking-Test vorgelegt haben, war sehr anfällig für solche Zinssteigerungen. Daher war die Aufgabe an die getesteten Banken, ein deutlich robusteres Portfolio zu bauen.

Wie viel Rendite können Stiftungen heute im Durchschnitt überhaupt noch erwirtschaften? Welche maximalen Verluste sind tragbar?
Dr. Jörg Richter: Das Dilemma ist, dass Stiftungen keine Rendite mehr erzielen, wenn sie keine Risiken eingehen wollen oder dürfen. Daher ist die Frage heute eher von der Verlustseite zu beantworten: „Wie viel temporäre Verluste will und darf die Stiftung ertragen?“
Ein realistischer Wert sind 10 Prozent. Dies würde in einer einfachen Rechnung bedeuten, dass – je nach Struktur der Anleiheseite – eine Aktienquote von circa 20 Prozent akzeptabel ist. Das Problem: Dies führt bei Null Ertrag auf der Anleiheseite nach Kosten zu einer Renditeerwartung von 1,4 Prozent, wenn langfristig bei einer weltweiten Aktienanlage mit 7 Prozent pro Jahr gerechnet wird. Hinzu kommt das bereits benannte Problem, dass eine solche Rendite in der Regel nicht voll ausgeschüttet werden darf. Somit ist die Not der Stiftungen deutlich zu sehen. Es ist schwierig, ausreichend Mittel für den Stiftungszweck zu generieren.
Wir empfehlen daher einen professionellen Weg für Stiftungen: Ausgehend von Satzung und speziellen Ausschüttungserfordernissen sollte eine klug durchdachte, auf Kosteneffizienz ausgerichtete Anlagerichtlinie entwickelt werden. Dort ist dann auch das maximale Risiko genau definiert. Diese sollte dem Vermögensverwalter als verbindlicher Vertragsbestandteil übergeben werden.

Hat das professionelle Vermögensmanagement von Stiftung zugenommen? Was sagen Ihnen Ihre Ansprechpartner?
Dr. Jörg Richter: Ich spreche viel mit Stiftungsverantwortlichen. Aus meiner Sicht gibt es ein langsames, zugleich böses Erwachen. Noch haben viele Stiftungsvorstände das Problem nicht im ganzen Umfang realisiert. Die Performance im Anleihebereich ist ja noch gut, solange ein Bestand an alten Anleihen vorhanden ist. Nicht gesehen wird die Rendite „nach vorne“. In manchen Portfolien ist die zukünftige Rendite bereits jetzt nach Kosten negativ. Die Ansprechpartner werden sehr nachdenklich, wenn sie mit dem Phänomen intensiv konfrontiert werden.
Vielleicht ist der Druck bei Stiftungen noch nicht groß genug, aber er wird zunehmen. Dann wird auch die Bereitschaft wachsen, kritisch zu hinterfragen, ob der bisherige Vermögensverwalter noch der richtige Begleiter bei der Vermögensanlage ist. Wie gesagt: Die Verwaltung von Stiftungsvermögen ist eine andere Liga als die Vermögensverwaltung für Privatkunden.

Dr. Jörg Richter ist ist Geschäftsführer des Dr. Richter | IQF - Institut für Qualitätssicherung und Prüfung von Finanzdienstleistungen GmbH und Partner der Private Banking Prüfinstanz (Verlag Fuchsbriefe & Dr. Richter | IQF).