Herr Harmeling, Sie beschäftigen sich seit 2014 mit Stiftungsinvestitionen besser gesagt: der Asset Allocation deutscher Stiftungen im Niedrigzinsumfeld. Was hat sich getan in den letzten drei Jahren?
Tilman Harmeling: In den letzten Jahren haben wir zwei Trends gesehen: Zum einen nähern sich Stiftungen zunehmend risikoreicheren Assetklassen, wie der der Aktien, an. In kürzlichen Gesprächen mit Vermögensverwaltern und Asset Managern zeigte sich, dass bei Neugründungen von Stiftungen aktuell sogar Aktienquoten von bis zu 100 Prozent in den Anlagerichtlinien zugelassen werden. Das ist ein interessanter und positiver Trend, der verdeutlicht, dass die alten Muster der Vermögensanlage deutscher Stiftungen zunehmend gebrochen werden.
Zum anderen haben wir bei unserer neuesten Studie ein leichtes Stiftungssterben erlebt. So wurde uns von einigen Adressaten unseres Stiftungsverteilers kürzlich mitgeteilt, dass die Stiftung nicht mehr existierte. Nach Rückfragen wurde das häufig auf das andauernde Niedrigzinsumfeld zurückgeführt.

Ihre diesjährige Studie beschäftigt sich mit dem Framing-Effekt bei Stiftungen. Was genau ist das?
Daniel Heumann: Der Framing-Effekt ist eine Anomalie innerhalb der Theorie der rationalen Entscheidungen. Er beschreibt, dass inhaltlich identische Informationen zu unterschiedlichen Entscheidungspräferenzen führen können. Ausschlaggebend dabei ist, ob die Darstellung der Information eine Verlustsituation - das „Glas ist halb leer“ - oder einer Gewinnsituation - das „Glas ist halb voll“ - suggeriert. Man stelle sich folgende Situation vor: Sie haben 90.000 € investiert. Für die meisten Menschen klingt es attraktiver, wenn man 78.000€ ihrer Investition sicher „rettet“, als wenn sie 12.000€ ihrer Investition sicher „verlieren“, obwohl die Information in beiden Alternativen die Gleiche ist. „Retten“ suggeriert eine Gewinnsituation, für welche man sichere Alternativen bevorzugt, während man sich in (suggerierten) Verlustsituationen deutlich öfter auf Unsicherheit einlässt. Grundlage dessen bildet die herausragende Forschung des Nobelpreisträgers Daniel Kahneman und seines Kollegen Amos Tversky.
Für die Forschung ist es zum einen interessant, ob Stiftungen als sehr konservative Investorengruppe anfällig für den Framing-Effekt sind. Zum anderen war es das Ziel herauszufinden, ob der Framing-Effekt auch dann auftritt, wenn man sein Investment nicht komplett verlieren kann. Aus diesem Grund wurde die Anlageklasse der „Wertsicherungsfonds“ gewählt.

Welche Ergebnisse brachte Ihre Studie ein?
Daniel Heumann: Die Studie zeigte einen signifikanten Zusammenhang zwischen Informationsdarstellung und Entscheidungspräferenz. Der Framing-Effekt trat demnach auch bei Investmentexperten innerhalb der risikoaversen Investorengruppe der Stiftungen auf. Das Ergebnis war trotz eines im Vorhinein limitierten Risikos, dargestellt durch Wertsicherungsfonds, signifikant. Die reine Darstellung oder Präsentation eines Investments hat folglich großen Einfluss auf die menschliche Wahrnehmung und kann Entscheidungen verzerren. Eine gesteigerte Aufmerksamkeit hinsichtlich solcher Entscheidungsphänomene kann helfen, Investitionsentscheidungen zu optimieren.

Wie erleben Sie aus wissenschaftlicher Sicht Stiftungen als Investorengruppe?
Tilman Harmeling: Stiftungen sind eine besondere Investorengruppe aufgrund der zugrundeliegenden Gesetzgebung und des ausgesprochen risikoaversen Anlageverhaltens. Die gesetzlich vorgeschriebene Mündelsicherheit ist zwar in allen Bundesländern mittlerweile abgeschafft worden, ein Bewusstsein dafür bleibt allerdings noch bei vielen Stiftungsvorständen bestehen. Daher haben wir beschlossen neben der praktischen Ausführung der Investmenttätigkeit auch die psychologischen Aspekte in die Forschung miteinzubeziehen.

Wie sehen Sie das Thema Nachhaltigkeit in der Stiftungsanlage?
Tilman Harmeling: Ein ausgesprochen interessantes Thema, besonders für Stiftungen. Allerdings sind einige Aspekte bei der Investition in nachhaltige Wertanlagen zu beachten. Beispielsweise ob die Wertanlage mit den Anlagerichtlinien einer Stiftung konform ist? Wer garantiert mir, dass mein Investment wirklich nachhaltig ist? Handelt es sich beispielsweise um einen zertifizierten Nachhaltigkeitsfonds oder nur um eine Erfindung der Marketingabteilung? Ist mein Portfolio noch ausreichend diversifiziert? Verzichte ich auf Rendite? Wie Sie sehen, kommen da einige Fragen auf die Stiftung zu.

Welche Stiftungsfelder interessieren Sie noch, was wollen Sie sich noch anschauen?
Tilman Harmeling: Die von Ihnen angesprochene Nachhaltigkeit ist durchaus ein interessantes Thema. Nur wurde in dem Bereich bereits viel geforscht. Auch interessant ist die Güte diverser quantitativer Investmentfonds für Stiftungen. Besonders solche, die das Zinsänderungsrisiko absichern und eine hohe, von Stiftungen gewollte Transparenz aufweisen. Leider fehlt vielen Stiftungen allerdings das nötige Hintergrundwissen und häufig auch die Zeit, sich mit komplizierten Investments tiefer auseinanderzusetzen – Stiftungen glänzen, wenn es um die Ausführung des Stiftungszwecks geht, auf Seiten der Vermögensverwaltung fehlt aber oft die Expertise.
Ebenfalls interessant, wäre eine jährliche Anpassung der Asset Allocation deutscher Stiftungen. 2014 haben wir so angefangen und 2016 noch eine Aktualisierung im absolut report veröffentlicht. Leider sind wir bald mit dem Studium fertig und bis dahin finden wir hoffentlich noch einen Nachfolger, der an der TUM in dem Bereich weiterforscht.

Tilman Harmeling und Daniel Heumann sind Herausgeber der Studie ”Implikationen des Framing-Effekts für das Risikoverhalten deutscher Stiftungen anhand von Wertsicherungsfonds“. Leser des fondstelegramms können die Studie unter der E-Mail Adresse tilman.harmeling@tum.de bestellen.