Die Bankmutter hat ihre Richtung vorgegeben: Massive Stellenstreichungen, strikter Konzernumbau, Bündelung von Einheiten, mehr Digitalisierung. Wie sieht es bei der Tochter aus? Wir befragten Dr. Andreas Muschter, der seit nunmehr fast vier Jahren das Unternehmen leitet.

Die Commerzbank hat sich einen entschiedenen Konzernumbau verordnet, wo steht die Tochter Commerz Real? Was sind nach interner Umstrukturierung die großen Leitlinien der Sachwerttochter?
Andreas Muschter: Zunächst einmal war die Commerz Real gar nicht Gegenstand der aktuellen strategischen Überlegungen der Commerzbank. Wir sind sehr profitabel und unsere Produkte eine sinnvolle Ergänzung der Angebotspalette der Bank. Geplant ist eher, die Zusammenarbeit mit der Muttergesellschaft in den nächsten Monaten und Jahren auszuweiten. Insbesondere das Mobilienleasing wird von dem neuen Geschäftsbereich Unternehmerkunden der Bank noch mehr profitieren und das Neugeschäft im Small Ticket Bereich ausweiten.

Wir werden unsere Marktposition in den kommenden Monaten weiter ausbauen und stärken. Dazu gehört die Ausweitung des institutionellen Geschäfts mit speziell auf professionelle Investoren zugeschnittene Anlagevehikel sowie die Vorreiterrolle bei der Digitalisierung. Wir wollen der erste digitale Assetmanager und integrierte Investmentdienstleister sein. Ziel ist es, möglichst sämtliche Geschäftsprozesse zu automatisieren sowie unsere Produkte und unsere Arbeit noch transparenter zu machen. Folglich werden das Onlinegeschäft und der Direktvertrieb immer wichtiger.
Aber auch im Assetmanagement sorgt die Digitalisierung als Automatisierung bereits heute für eine höhere Effizienz. Commerz Real hat als eines der ersten Unternehmen im Immobilienanlagebereich gerade ein „Digital-Werk“ gegründet, in dem sich Mitarbeiter ausschließlich mit diesen Themen beschäftigen und einen Prototypen der Commerz Real 4.0 bauen, welcher dann in der Praxis getestet wird.

Schauen wir kurz zurück: Wie war die Stimmung auf der Expo Real?
Andreas Muschter: Die Stimmung war ausgezeichnet. Wir hatten einen enormen Publikumsverkehr auf unserem wirklich großartigen Stand und alle Vertreter der Commerz Real berichteten von spannenden und vielversprechenden Gesprächen. Wir genießen die gestiegene Aufmerksamkeit der gesamten Branche und haben darüber hinaus mehrere sehr vielversprechende Geschäftsansätze mitgebracht.

Der Hausinvest gilt als Cash Cow der Commerz Real. Wie steuern Sie den Mittelzufluss? Stimmt es, dass Sie „Parkgebühren“ erwägen bei der Anlage von sehr hohen Summen, sozusagen eine Art Strafzinsen?
Andreas Muschter: Der Hausinvest ist zu Recht nach wie vor sehr gefragt und immer noch geöffnet. Wir sind über 44 Jahre jederzeit offen geblieben, und ich rechne damit, dass das auch in Zukunft so bleibt. Die Liquiditätsquote ist derzeit bei etwa 23 Prozent. Bis zum gesetzlichen Limit von 49 Prozent ist also noch viel Luft. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir in diese Regionen kommen, werden wir geeignete Mittel zur Steuerung parat haben. Das beste Mittel ist jedoch, die Gelder rasch zu investieren und Immobilien oder Immobilienprojekte zu akquirieren. Dafür sind wir derzeit global unterwegs, und ich gehe davon aus, dass wir einen großen Teil noch in diesem Jahr investieren werden.

Findet das Investmentteam in den heißen Immobilienmärkten noch attraktive Investments? Welche Märkte und Immobiliensegmente sind derzeit besonders interessant für den Hausinvest?
Andreas Muschter: Wir konzentrieren uns auf unseren Heimatmarkt Deutschland, auf den nordamerikanischen Kontinent und schauen uns auch in Australien um.
Aktuell lohnende Investitionsziele sind für uns derzeit beispielsweise Hotels. Hier ist die Disparität – also die Schere zwischen Kapitalbewertung und Cashflow – im Vergleich zu Büroimmobilien bedeutend geringer und wir sehen hier in den kommenden Jahren eine hohe Nachfrage vor allem nach Business- sowie Design- und Boutique-Hotels in den großen Metropolen. Ähnlich sieht es im Bereich Urban Living und Temporäres Wohnen aus. Hier führen eine anhaltende Urbanisierung, ein dynamischer Arbeitsmarkt, der von den Beschäftigten hohe Flexibilität und Mobilität erfordert, sowie die Zunahme von 1-Personen-Haushalten zu einem Anstieg der Nachfrage nach kleinen, aber komplett eingerichteten Wohnungen in Großstädten und Ballungsräumen. In diesen Segmenten werden wir in den nächsten Monaten sicherlich die ein oder andere lukrative Transaktion vermelden.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die offenen Immobilienfonds in Zukunft?
Andreas Muschter: Den größten Einfluss auf die Märkte hat meiner Meinung nach die anhaltende Minuszins-Politik der Europäischen Zentralbank. Diese sorgt weiter für „billiges Geld“ und befeuert so auch den fortgesetzten Boom des Immobilien-Investmentmarkts: Allein das Investitionsvolumen von rund 18 Milliarden Euro im deutschen Gewerbeimmobilienmarkt im ersten Halbjahr 2016 zeigt, dass Investoren weiterhin Real den Financial Assets vorziehen. An diesem Trend wird sich auch in den kommenden Jahren nichts ändern.
Die wohl größte Herausforderung für Investoren aktuell ist es daher, Investitionsziele zu identifizieren, bei denen die Disparität zwischen Kapitalbewertung und Cashflow nicht so stark ausgeprägt ist wie derzeit in den klassischen Nutzungsarten Wohnen, Büro und Einzelhandel. Denn mit den explodierenden Preisen in der Immobilienbewertung konnten die Mietpreise in den vergangenen fünf Jahren nicht adäquat mithalten.

Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Brexits für den Hausinvest und die Gesamtausrichtung der Commerz Real ein?
Andreas Muschter: So enttäuschend die britische Entscheidung auch politisch ist, für den Immobilienmarkt werden die Folgen wahrscheinlich weniger dramatisch ausfallen als vielfach heraufbeschworen. Mal abgesehen davon, dass sie in Gänze noch gar nicht absehbar sind. Wenn aber zum Beispiel Londoner Büroimmobilienpreise jetzt rückläufig sind, so ist das eher eine Normalisierung, nachdem sie in den letzten Jahren auf ungesunde Weise in die Höhe getrieben worden waren.
Was den Hausinvest betrifft, so sind unsere Immobilien in Großbritannien mit die Besten im gesamten Portfolio – komplett vollvermietet und mit einer ausgezeichneten Wertentwicklung. Auswirkungen gab es bislang eher positive, denn der Umsatz in unserem Shoppingcenter Westfield ist signifikant gestiegen, sicherlich auch durch Shopping-Touristen, die die aktuelle Pfundschwäche für zusätzliche Reisen nach Großbritannien nutzen.
Strategisch werden wir den UK-Anteil am Portfolio in den nächsten Wochen und Monaten etwas senken. Nicht jedoch, weil wir Immobilien in Großbritannien verkaufen, sondern weil wir woanders mehr zukaufen. Das hat aber mit der Brexit-Entscheidung nichts zu tun, sondern damit, dass der Anteil die Grenze von 20 Prozent überschritten hat und unsere Allokationsregeln vorschreiben, dass kein Land einen größeren Anteil als rund ein Fünftel am Gesamtportfolio haben sollte.

Sie planen eine hauseigene Crowdinvestingplattform. Was muss sich seitens der Regulierung noch tun, damit es für Commerz Real attraktiv wird, in diesen Markt einzusteigen?
Andreas Muschter: Natürlich finden wir diesen Kanal interessant und beziehen ihn in strategische Überlegungen ein, aber noch steht der Markt am Anfang. Immerhin wurde 2015 in Deutschland ein Crowdinvesting-Volumen von nur knapp 50 Millionen Euro realisiert. Das ist gerade mal soviel wie wir üblicherweise mindestens in ein einzelnes Asset investieren. Es muss sich also alleine von der Nachfrage her noch einiges bewegen. Bis wir uns sicher sind, dass wir ein geeigneter Anbieter für eine Crowdinvesting-Plattform sind, klären wir derzeit noch diverse rechtliche Fragestellungen ab.

Welche Zukunft sehen Sie für den freien Berater/Vermittler? Wird er durch Fin-Technologien überflüssig?
Andreas Muschter: Sicherlich sind FinTechs eine Herausforderung für freie Berater und Vermittler. Technologien machen aber qualifizierte Beratung nicht überflüssig, sondern vielfach erst nötig. Gerade bei Investmententscheidungen, insbesondere wenn es um größere Geldbeträge geht, vertrauen viele Menschen dem Internet nur sehr bedingt. Das zeigen Studien immer wieder. Allerdings werden die Anforderungen an die Qualität und Unabhängigkeit der Beratung höher und auch die Gebührenstrukturen werden, da bin ich mir absolut sicher, sich ändern.

Wie wird Proptech den Markt verändern?
Andreas Muschter: Nicht nur Proptechs, sondern die Digitalisierung insgesamt werden den Markt nachhaltig verändern und zwar in allen Bereichen: auf der Seite der Assets wie innerhalb der Unternehmen. Gesellschaften, die sich des Themas nicht aktiv annehmen und ihre Geschäftsstrategie daran ausrichten, werden über kurz oder lang vom Markt verschwinden. Ich finde das Bild eines Dinosauriers im Angesichts des Meteoritensturms ganz passend: Entweder ich bleibe stehen und lasse mich erschlagen oder ich schaffe den Sprung auf einen Meteoriten um ihn zu steuern.

Dr. Andreas Muschter ist Vorstandsvorsitzender der Commerz Real.