Capital Pioneers ist Vertrieb oder Plattform?
Linus Sluyter: Capital Pioneers wurde mit der Absicht gegründet, eine digitale Vermittlung und Abwicklung von Sachwerten zu ermöglichen, um eine breitere Zielgruppe von Anlegern und deren Vermittlern zu erreichen. Wir haben uns im Vorfeld viele Gedanken gemacht, wie wir die Kunden möglichst leicht für diese Idee begeistern können. Die meisten Privatanleger haben bereits eine Vertrauensperson, die sie bei Fragen zu Vorsorge und Vermögensaufbau unterstützt. Dies kann ein Bankberater, ein freier Finanzvermittler oder auch ein Versicherungsmakler sein. Dieses Vertrauensverhältnis ist für einen rein digitalen Anbieter nur schwer zu erreichen. Auf der anderen Seite sehen wir jedoch auch, dass viele Vertriebspartner Sachwerte nur selten oder gar nicht anbieten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Deshalb verbindet Capital Pioneers die zahlreichen Vorteile einer digitalen Plattform mit den Stärken des klassischen Vertriebs.

Die Transformation des Offline-Vertriebs in die Online-Welt: Was bieten Sie Vertriebspartnern?
Linus Sluyter: Capital Pioneers ist ein reines B2B-Modell, dass ausschließlich auf die Kooperation mit Vertriebspartnern setzt. Wir sehen uns ganz klar in der Rolle eines Partners, der dem klassischen Vertrieb durch digitale Lösungen neue Möglichkeiten eröffnet. Mit den Vertrieben arbeiten wir auf Basis einer Servicepartnerschaft zusammen. Deren Kunden werden zu Capital Pioneers eingeladen und können dort selbstständig die Produkte auswählen und zeichnen. Für die Servicepartner ergibt sich daraus kein Haftungsrisiko. Die Anleger profitieren von einer breiten Produktauswahl, der Plausibilitätsprüfung und der von uns durchgeführten Angemessenheitsprüfung, sowie dem Komfort einer digitalen Plattform. Im Rahmen einer Kooperation erhalten die Servicepartner zusätzlich von uns einen sehr umfassenden und dauerhaften Kundenschutz, eine direkte vertriebliche Betreuung, eine attraktive Vergütung der Serviceleistung und umfangreiche Marketingunterstützung.

Sie bieten also das Haftungsdach für Vermittler, die keine 34 f GewO Lizenz besitzen, an. Wie stellt sich das rechtlich dar?
Linus Sluyter: Anders als bei einem Haftungsdach sind die an uns angebundenen Servicepartner nicht selbst in die Anlagevermittlung involviert. Wenn der Kunde auf unserer Plattform aktiv wird und Produkte zeichnet, dann erfolgt die Vermittlungsleistung über uns. Somit übernehmen wir auch alle Pflichten aus der Vermittlung. Wir übernehmen die Verantwortung dafür, dass die Vermittlung der Produkte gesetzeskonform und für den Kunden verständlich abläuft. Sollte es dennoch mal zu Problemen kommen, muss also nicht der Servicepartner, sondern Capital Pioneers für die Vermittlung einstehen. Im Gegenzug muss sich der Servicepartner jedoch auch an einige Spielregeln halten und darf seine Kunden nicht zu den auf der Plattform angebotenen Produkten beraten.

Frau Riecke, bitte geben Sie uns eine Einschätzung zum Markt: Wie geht es der Branche für Sachwertinvestments?
Bettina Riecke: Die Platzierungszahlen aus dem vergangenen Jahr sind im Jahresvergleich leicht gestiegen – also stabil aber auf einem niedrigen Niveau. Ursächlich sind zahlreiche Skandale im Zusammenhang mit Sachwerten: Jüngstes Beispiel P&R. Viele Vertriebspartner haben das Geschäft deshalb eingestellt. Die Angst, Kunden durch Betrüger oder schlechte Performance zu verlieren, ist groß. Die Regulierung trägt nur einen Teil zur Verbesserung bei und ist sicher ein richtiger Schritt. Wichtiger ist es aber, das Anlegervertrauen zurückzugewinnen. Zusätzlich muss der Vertrieb wieder überzeugt sein, um neue Kunden zu gewinnen. Hier möchten wir einen wesentlichen Beitrag mit unserem Geschäftsmodell leisten.

Wird die Digitalisierung den nötigen Push bringen?
Bettina Riecke: Wir sind davon überzeugt! Der Vertrieb muss neu denken und das Potenzial der Digitalisierung nutzen. Wer diese Innovationen in Zukunft nicht forciert und keine Strategien entwickelt, wird dem Markt hinterherlaufen und bekommt ein Problem – ganz besonders im Vertrieb. Viele Unternehmen sitzen auf einem wahren Schatz, haben einen großen Fundus an Kunden, wissen diesen jedoch nicht wirklich zu nutzen. Die Kunden bestimmen den Kurs.

Wird der Anleger bei Ihnen bald den risikogemischten AIF ab 1.000 Euro auf der Plattform direkt zeichnen können?
Linus Sluyter: Das ist durchaus möglich. Wenn wir es schaffen, nicht nur den Vertrieb, sondern auch die Abwicklung von Sachwertanlagen zu digitalisieren, dann können wir auch ein AIF Investment ab 1.000 Euro über die Plattform anbieten. Erste konkrete Ideen, wie dies in der Praxis aussehen könnte, haben wir bereits vorliegen. Diesen Weg können wir jedoch nur zusammen mit den Produktemittenten beschreiten.

Frau Riecke, Sie sagten im Vorgespräch: „Nie wieder wird die Digitalisierung so langsam sein.“ Wie meinen Sie das?
Bettina Riecke: Die Digitalisierung lässt sich ebenso wenig aufhalten, wie vor etwa zweihundert Jahren die industrielle Revolution. Unsere Gesellschaft muss sich darauf einstellen – vor allem im Kopf. Wer sich dieser Entwicklung heute noch widersetzt, weil er sich überrollt fühlt von der scheinbar rasanten Veränderung, steht vor einem bösen Erwachen. In Deutschland wurden seit der Jahrtausendwende gut ein Viertel aller Bankfilialen geschlossen, weil die Menschen ihre Geldgeschäfte lieber bequem zu Hause am Rechner erledigen. Viele Branchenkenner prophezeien, dass der technologische Fortschritt nie mehr so langsam sein wird, wie im Moment.

Linus Sluyter ist Chief Product Officer, Bettina Riecke ist Sales Managerin von Capital Pioneers.