Mietpreisbremse, Änderung des Mietspiegels, Brexit, Blasenbildung – die Schlagworte im Immobilienmarkt der vergangenen Monate. Wie entwickeln sich die Märkte in den kommenden Monaten? Was steht der Branche bevor? Wir sprachen mit Dr. Thomas Beyerle Chefresearcher bei Catella.

Wo steht der deutsche Immobilienmarkt, wo der europäische gerade?
Thomas Beyerle: Der deutsche Immobilienmarkt genießt im internationalen Kontext eine außergewöhnliche hohe Wertschätzung, sei es wegen des geringen Investmentrisikos, der Diversifikationspotenziale oder der herausragenden wirtschaftlichen Stabilität. Diese Entwicklung sehe ich auch für die kommenden drei Quartale – trotz oder gerade aufgrund der politischen Verwerfungen in UK und gegebenenfalls in den USA. Allerdings kann das angekündigte US-amerikanische gigantische Konjunkturprogramm durchaus globale Kapitalströme in die USA weg von Europa locken – ob die Lücke durch asiatische Investoren gefüllt werden ist gegenwärtig schwer abzuschätzen. Europa stehen bedeutende Wahlen ins Haus – gleichwohl neige ich zur Einschätzung, dass dies kurzfristig kaum Spuren an den fundamentalen wirtschaftlichen Indikatoren nach sich ziehen wird.

Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Brexits auf die europäischen Immobilienmärkte ein? Setzt der prognostizierte Run auf Frankfurt oder Paris ein?
Thomas Beyerle: Ich bin bei „Wie viel kommen in Frankfurt, Dublin oder Paris an?“ sehr vorsichtig. Grundsätzlich ist es natürlich zu begrüßen, dass jetzt schnell Klarheit herrscht, wie sich die Finanzbranche auf dem Kontinent aufstellt. Aber etwas wird vergessen in den Zahlenspielen: Die – gerade in der Finanzbranche messbar um sich greifende –Digitalisierungswelle wird meines Erachtens deutlich weniger Menschen umziehen lassen, als noch vor einem Jahr erwartet. Internetknotenpunkte, EZB-Standort, Milieu an finanzaffinen Erwerbstätigen – hier spricht in der Tat einiges für Frankfurt – gleichwohl sehe ich Dublin und nicht Paris als den großen Wettbewerber zur Stadt am Main.

Was sind die größten Herausforderungen für den Immobilenmarkt in den kommenden Monaten? Kreditklemme? Zinswende? Überbewertung? Politische Entscheidungen? Welche Auswirkungen könnte die Bundestagswahl haben?
Thomas Beyerle: Fluch und Segen zugleich sind natürlich die „günstigen Zinsen“ beziehungsweise das Anleihenankaufprogramm der EZB. Wie soll die Wende geschafft werden? Harter Schnitt wie seinerzeit in der Schweiz oder ein langsames Abschmelzen der Ankäufe? Solange aber das Zinsumfeld sich so weiter entwickelt – also bis mindestens Q4/2017 – sehe ich keine großen Verwerfungen. Die Bundestagswahl wird ein eher dynamisches Momentun für die Branche zur Folge haben ab Sommer 2017.

Wie bewertet Catella die steigende Kapitaleinwerbung für Immobilien durch Crowdinvesting? Gibt es Überlegungen dazu in Ihrem Haus?
Thomas Beyerle: Für uns kein bisher messbares Marktsegment – strategisch sicher zu beobachten, aber an den Märkten an welchen wir Zuhause sind ist dieses Phänomen nicht sichtbar. Letztlich sehen wir hier ein Risiko für den Endverbraucher durch den Mezzanine-Charakter, aber für risikofreudigere Investoren sicher eine Option in überschaubaren Objektvolumina bis 25 Millionen Euro.

Wo wird sich Catella in den kommenden Monaten verstärkt engagieren?
Thomas Beyerle: In Deutschland sehen wir gerade die B-Standorte im Fokus sowohl auf der Ankaufsseite für unsere Fonds als auch auf der Beraterseite im Kundenauftrag beziehungsweise Wertermittlung. Dabei liegt auch ein deutlicher Fokus auf dem Wohnsegment – hier speziell Geschosswohnungsbau und Student Housing – in der Größenklasse 10-35 Millionen Euro. In Europa haben wir hohe Erwartungen an die Wohnungsmärkte und die Aktivitäten in den Logistikclustern. Was in Deutschland und international immer stärker auf uns als Catella zukommt ist das Thema „urban development“ – dabei reicht die Bandbreite von Entwicklung von mischgenutzten Gebäudeensembles bis hin zu Quartieren zum Beispiel in Düsseldorf und Kopenhagen.

Dr. Thomas Beyerle ist Managing Director der Catella Property Valuation GmbH.