Was haben der ÖPNV und Finanzvermittler gemein?
Gar nichts, will man meinen. Beide sind jedoch gerade Gegenstand eines politischen Aktionismus′ geworden, wie er im Lehrbuch stehen könnte, wenn es denn eine Wissenschaft für ungebremsten aber wirkungslosen Tatendrang gäbe.

Deutschland droht eine Klage der EU-Kommission, weil zahlreiche deutsche Städte die Stickoxid-Grenzwerte nicht einhalten. Zur Beschwichtigung der Kommission hat die Bundesregierung nun "laut darüber nachgedacht", durch Umstellung des öffentlichen Nahverkehrs auf kostenfreie Nutzung die Abgasbelastung zu reduzieren. Man solle das Auto stehen lassen und stattdessen kostenfrei Bus und Bahn nutzen. Prima Plan. Aber leider verfehlt er sein Ziel. Denn bis sich daraufhin eine Luftverbesserung einstellen würde, müssten die Kapazitäten des ÖPNV drastisch ausgebaut werden. Dafür reicht die Zeit gar nicht, von den notwendigen Milliarden ganz zu schweigen. Der Plan kann getrost floppen, keiner wird dafür zur Rechenschaft gezogen.

Anders sieht es mit einem weiteren aktionistischen Vorhaben aus: "Wir werden zur Herstellung einer einheitlichen und qualitativ hochwertigen Finanzaufsicht die Aufsicht über die freien Finanzanlagevermittler schrittweise auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen", heißt es im Koalitionsvertrag, der vergangene Woche ausformuliert wurde. Wenn hier eine mögliche Groko schließlich einräumen müsste, dass sie das Verhältnis von Aufwand und Wirkung dieser Maßnahme völlig falsch eingeschätzt hat, dann müsste sie sich vorwerfen lassen, Koalitionsversprechen gebrochen zu haben.

Die freien Finanzvermittler sind entsetzt. Der Sprecher ihres Verbands, Norman Wirth vom AfW, drückt es diplomatischer aus: "Wir haben erst seit 2013 ein neues Zulassungs- und Aufsichtssystem durch die IHKen, Gewerbeämter und Wirtschaftsprüfer. Dieses System hat sich weitgehend bewährt. Es ist kein überzeugendes Argument für eine grundlegende und mit erheblichem finanziellem und bürokratischem Aufwand verbundene Änderung so kurz nach der Einführung dieses Systems ersichtlich." Weniger diplomatisch ausgedrückt heißt das, man möge Dinge nicht wieder zu Tode regulieren.

Apropos: Wie wenig die Regulierung des Finanzmarkts bewirkt hat, zeigt sich zum Beispiel, wenn man sich etwa die aktuellen Produkte von REA oder Westfalia Real Estate genauer anschaut. Ich will damit nicht sagen, dass mehr reguliert werden müsste. Im Gegenteil: Man anerkenne, dass jede Regulierung ihre Grenzen hat und nicht alles durch Regulierung besser wird.

Eine gute Woche wünscht
Tilman Welther