Das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen hat eine ganz schöne Welle geschoben. Selten, dass sich die sonst so um Nüchternheit und Professionalität bemühten Vertreter der Immobilienwirtschaft so echauffierten.

Anlass: Ein Satz. Im Kern besagt er: In Berlin wird es, in anderen deutschen Metropolen könnte es im Laufe des Jahres zu einem Trendbruch bei Wohnungskaufpreisen kommen. In den seit Jahren gestiegenen Kaufpreisen für Wohnungsneubauten seien nämlich zukünftige Mietsteigerungen bereits eingepreist und ob die sich auch einstellen, wenn sich die Zuwanderung abschwächt, sei ungewiss. Der Satz stammt von Professor Harald Simons, Vorstand der Empirica und Mitautor des Gutachtens.

Mit am heftigsten gegen diese Einschätzung wehrte sich interessanterweise Bulwiengesa, deren Vorstand Andreas Schulten Mitglied im Rat der Immobilienweisen und entsprechend Mitautor des Frühjahrsgutachtens ist. Vor allem widerspricht Bulwiengesa der These abnehmender Zuwanderung, da müsse man differenzierter hinschauen und etwa Bildungs-, Arbeits- und Flüchtlingsmigration unterscheiden. Aber auch viele andere Vertreter der Immobilienwirtschaft meldeten sich zu lautstarkem Wortwechsel: Bauträger, Projektentwickler, Investmentgesellschaften, Forschungsinstitute.

Einerseits wundert man sich über die Schärfe und die Vehemenz der Diskussion, und es entsteht der Eindruck, dass eine Branche im Erfolgsrausch sich wie im Reflex gegen einen Mahner und Schwarzseher verbündet, der doch lediglich zu bedenken gibt, dass die Party auch mal vorbei sein könnte. Andererseits muss man auch dankbar sein, dass es solche leidenschaftlichen Debatten gibt. Denn hier kommen in kurzer Zeit und auf anschauliche Weise ganz unterschiedliche Einflussfaktoren der Immobilienwirtschaft zur Diskussion, wie man ihnen sonst nur in langatmiger und schwer verdaulicher Lektüre von Fachliteratur begegnet.

Selbst wer eher amüsiert und nur vom Rande aus die Diskussion verfolgt hat, konnte von ihr schon viel lernen. Zum Beispiel das hier: Kritik muss offenbar immer viel besser argumentiert werden als Affirmation.

Eine gute Woche wünscht
Tilman Welther