Seit einigen Jahren wird mit einem unterschiedlichen Maß an Leidenschaft, aber beharrlich wiederkehrend über eine gesellschaftspolitische Vision debattiert: das bedingungslose Grundeinkommen. Damit ist die Vorstellung gemeint, dass jeder Bürger, und zwar ohne jegliche Bedingungen und ohne jegliche Gegenleistung, ein Grundeinkommen ausbezahlt bekommt.

Wer das sofort als weltferne Spinnerei abtut, der verkennt, dass verschiedene Modelle weltweit und auf ernstzunehmende Weise diskutiert werden und auch keine der großen Parteien sich des Themas programmatisch verschließt. Während die einen sagen, es sei niemals finanzierbar, sagen die anderen, dass die Summe aller gegenwärtiger sozialer Transferleistungen, also nicht nur Hartz IV sondern beispielsweise auch das Kindergeld, bereits ausreichen würde, dass man die Sache also nur anders organisieren müsste.

Bleibt die psychologische Komponente. Auf der einen Seite würde ein zu hohes Grundeinkommen den Anreiz senken, arbeiten zu gehen, das Steueraufkommen würde sinken und die Finanzierbarkeit des Grundeinkommens sich selbst strangulieren. Auf der anderen Seite würde ein völlig neues Verständnis der Arbeit etabliert: Es ginge nicht mehr um Existenzsicherung. Stattdessen könnten Entfaltung individueller Stärken und Neigungen das Motiv sein, arbeiten zu gehen. Es wäre nicht das Ende der Leistungsgesellschaft. Im Gegenteil: Leistung würde sich gleich in mehrfacher Hinsicht wieder lohnen, denn sie würde den Charakter, eine anstrengende Übung der Entbehrung zu sein, verlieren.
Aber bevor ich zu sehr ins Schwärmen gerate: Einstweilen bleibt es eine gesellschaftspolische Utopie. Und eine nette sozialtheoretische Gymnastikübung.

Eine gute Woche wünscht
Tilman Welther