Anbieter und Investoren scheinen in der KAGB-Welt angekommen zu sein. Dass dabei viele Anbieter auf der Strecke geblieben sind, war vom Gesetzgeber so gewollt. Sachwerte haben entsprechend ihre Nische gefunden, wenn auch auf vergleichsweise niedrigem Niveau. fondstelegramm sprach mit Ludger Wibbeke über neue Strömungen und bevorstehende Herausforderungen.

Herr Wibbeke, wie geht es den Sachwertinvestitionen, insbesondere den AIF-Konstrukten nach deutschem Recht?
Ludger Wibbeke: Insbesondere im Immobilienbereich zeigt sich, nach dem durch die Regulierung erzwungenen Neustart der Beteiligungsbranche, ein spürbares Wachstum auf Angebotsseite und eine zumindest prozentual beeindruckende Zunahme der Investments. Aber auch bei anderen Assetklassen ist eine gewisse Belebung zu verzeichnen. Das kann als Beleg dafür dienen, dass Anbieter und Investoren mittlerweile angekommen sind in der KAGB-Welt. Ganz im Sinne des Regulators haben dabei einige Anbieter den Markt verlassen. Andere haben die regulatorischen Anforderungen auf unterschiedliche Weise umgesetzt und mit Spezial- und Publikums-AIF nun Produkte im Angebot, die anders als die geschlossenen Fonds vergangener Tage regulatorisch auf dem gleichen Niveau wie klassische offene Investmentfonds stehen.

Welche Sachwerte spielen für Anleger neben Immobilien überhaupt noch eine Rolle?
Ludger Wibbeke: Private Equity, Infrastruktur, Flugzeuge und Erneuerbare Energien sind für einige Investorengruppen weiterhin interessant. Hier wird sich der Trend der vergangenen Jahre fortsetzen. Überdurchschnittlich an Bedeutung gewinnen wird dagegen sicherlich die Asset-Klasse Debt. Zwar bleiben die regulatorischen Rahmenbedingungen für Kreditfonds in Deutschland eng gesteckt, insbesondere hinsichtlich der originären Darlehensvergabe, aber gerade im Bereich des Darlehenserwerbs durch AIFs sehen wir erhebliches Potenzial. In Luxemburg sind Debt Funds bereits seit über 20 Jahren ein Erfolgsmodell.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Branche in den kommenden Monaten?
Ludger Wibbeke: Sowohl für Publikums- als auch für Spezialfonds wird es immer anspruchsvoller, geeignete Objekte zu finden. Das gilt aufgrund der enormen Nachfrage vor allem im Immobilienbereich, in dem sich extrem viele institutionelle Investoren tummeln und die Preise in teilweise nicht nachhaltig vernünftige Höhe treiben. Die dadurch insgesamt gesunkenen Ertragserwartungen können es zudem schwierig machen, weiterhin so erfolgreich Investoren für Spezialfonds zu finden. Dies gilt naturgemäß erst recht für den nicht mehr ganz unwahrscheinlichen Fall, dass sich das allgemeine Zinsniveau in absehbarer Zukunft normalisiert.
Eine weitere entscheidende Herausforderung ist es, im Wettbewerb mit den weit weniger regulierten Anbietern von Vermögensanlagen zu bestehen. Denn anders als vielfach behauptet, ist der graue Kapitalmarkt durch die KAGB-Regulierung keineswegs komplett abgeschafft worden. Neben den regulierten AIF gibt es weiterhin sogenannte Vermögensanlagen, die nicht unter das KAGB fallen. Dazu zählen etwa Unternehmensbeteiligungen, Nachrangdarlehen, Direktinvestments und Genussrechte. Diese haben 2016 ein deutliches Wachstum verzeichnet und dürften in der Anlegergunst weiter steigen. Größte Mängel dieser nur über das Vermögensanlagengesetz regulierten Vehikel sind ein geringerer Anlegerschutz und geringere Transparenz. So gibt es weder Anforderungen an ein umfassendes Risikomanagement noch eine Verwahrstelle, die bei den regulierten AIF gemeinsam für ein hohes Maß an Sicherheit und Transparenz sorgen.

Was halten Sie vom Thema Crowdinvesting?
Ludger Wibbeke: Grundsätzlich begrüßen wir bei Hauck & Aufhäuser Crowdinvestings und stehen dieser neueren Entwicklung sehr aufgeschlossen gegenüber. Allerdings haben sie bislang den genannten Nachteil: Im Gegensatz zu KAGB-konformen AIFs bewegen sich Crowdinvestments noch im Graumarktbereich. Ja, sie sind nicht vollständig unreguliert, aber über das Regulierungsniveau der AIF verfügen sie nicht. Meiner Meinung nach sollte auf gleicher Regulierungsbasis jeder Player mit seinen unterschiedlichen Stärken zum Vorteil der Investoren glänzen können. Dabei habe ich ausschließlich den Investorenschutz vor Augen. Sinnvoll und gleichzeitig Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg könnte die Einbindung einer Kontrollstelle – ähnlich wie bei regulierten AIFs die Verwahrstelle – zur Mittelverwendungskontrolle und einer strengeren Beobachtung der Zahlungsströme sein.

Die Inflation stand im Januar 2017 bei 1,9 Prozent und hat bei anhaltendem Nullzinsniveau reale Vermögensverluste zur Folge. Wie ist Ihr ganzheitlicher Blick auf die Märkte? Was ist zu erwarten?
Ludger Wibbeke: Gerade das Zinsumfeld macht Real Assets für sämtliche Investoren so interessant. Bereits seit Jahren suchen sie händeringend nach Alternativen zu ihren Zinsanlagen, die einerseits Stabilität und andererseits auskömmliche Erträge versprechen. Hier können Sachwerte ganz klar punkten und regulierte AIFs bieten sowohl institutionellen als auch privaten Investoren einen einfachen Zugang. Dass die Erträge gerade im Immobiliensegment angesichts der großen Nachfrage nicht mehr in den Himmel wachsen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um stabile Investments handelt, deren Erträge sich gut kalkulieren lassen. Ich kann nicht nachvollziehen, wie einige Marktteilnehmer von stark sinkenden Verkehrswerten bei Immobilien sprechen können. Möglicherweise gibt es eine Seitwärtsbewegung; aber insbesondere das Wohnimmobiliensegment wird weiterhin von steigender Mietnachfrage bei gleichzeitiger Knappheit des Angebots profitieren. Die Menschen zieht es weiter vom Land in die Großstädte. Eine bessere Arbeitsplatzsituation, attraktive Freizeitangebote, eine moderne Infrastruktur, insbesondere auch im Sinne medizinischer Versorgung und der Trend zu einem urbanen Lebensstil sind wesentliche Gründe.

In Ihrem Haus gibt es auch eine große Stiftungsbetreuung: Ist das Bonmot „Keine Rendite ohne Risiko“ bei den von Ihnen betreuten Stiftungen angekommen? Welche Rolle spielen dort Sachwertinvestitionen?
Ludger Wibbeke: Zunächst geht es Stiftungen in aller Regel nicht so sehr um die Rendite. Vielmehr liegt ihr Fokus allein schon aufgrund auch gesetzlicher Vorgaben auf einem Kapitalerhalt, der die Erfüllung des Stiftungszwecks nachhaltig sicherstellt. Richtig ist aber wie erwähnt, dass sich ein realer Kapitalerhalt im aktuellen Marktumfeld allein mit klassischen Zinspapieren nicht erzielen lässt. Das ist den in den Stiftungen für die Kapitalanlage zuständigen Akteuren durchaus bewusst. Genau wie andere Investorengruppen suchen sie daher nach alternativen Anlageformen. Sachwerte spielen hier durchaus eine Rolle, wobei Immobilien als Klassiker unter den Real Assets klar dominieren. Dabei reicht die Bandbreite von der selbst genutzten Immobilie über Direktinvestments bis zu unterschiedlichen Fondslösungen.

Blick nach vorn: Wird sich nach der Bundestagswahl etwas am Investitionsumfeld ändern?
Ludger Wibbeke: Das ist schwierig zu beurteilen, zumal sich die Parteien im Wahlkampf erfahrungsgemäß gern gegenseitig mit Ideen zur Ausweitung der Kapitalmarktregulierung überbieten und um den Posten des besten Anlegerschützers konkurrieren. Grundsätzlich zeichnet sich aber nach derzeitigen Umfragen ab, dass eine Regierungsbildung ohne Martin Schulz und die Sozialdemokraten zumindest kompliziert werden könnte. Und es hätte aller Wahrscheinlichkeit nach eine Wende von der Geld- zur Fiskalpolitik zur Folge: Eine neue Bundesregierung könnte Infrastrukturmaßnahmen, Programme zur Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit ergreifen und weitere staatliche Mittel zur Verfügung stellen – nicht zuletzt, um den Populisten ein wenig Wind aus den Segeln zu nehmen. Ähnliche Entwicklungen könnten sich in Frankreich und den Niederlanden ergeben, auch wenn Marine Le Pen vermutlich im zweiten Wahlgang scheitern wird und in Den Haag eine Regierung ohne die Wilders-Partei zustande kommt. Während also bislang EZB-Chef Mario Draghi die Arbeit für Wolfgang Schäuble und einige seiner europäischen Kollegen übernommen und die Märkte mit Geld geflutet hat, könnte er künftig zunehmend von einigen Regierungen abgelöst werden. Das hätte, wie schon in den USA, aller Voraussicht nach steigende Zinsen zur Folge. Auf längere Sicht könnte dies das Umfeld für Sachwertinvestments belasten.

Rechtsanwalt Ludger Wibbeke ist Leiter Real Assets bei Hauck & Aufhäuser Asset Servicing und Spezialist AIFM-Richtlinie und deren Implementierung ins KAGB.