Der ZIA Tag der Immobilienwirtschaft ist vorbei. Tag des Aufbruchs, Umbruchs, Durchbruchs?
Dr. Andreas Mattner: Der Tag der Immobilienwirtschaft war in erster Linie auch ein Tag der politischen Wertschätzung für unsere Branche. Trotz der zähen Koalitionsverhandlungen und des späten Regierungsantritts der Großen Koalition erst vor wenigen Monaten haben zwei Bundesminister, zwei Staatssekretäre und ein EU-Kommissar zu unserer Branche gesprochen. Besonders erfreulich waren die klaren Zusagen von Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, einen engen Dialog mit unserer Branche zu führen. Beide Ministerien sind existenziell für das Wohl der Immobilienwirtschaft. Aber wie gewohnt hätten wir uns mehr konkrete Umsetzungsvorhaben gewünscht. Insbesondere bei der steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung, wie sie im Koalitionsvertrag angekündigt wird, finden sich noch keine Anzeichen einer Einführung. Beide Minister haben zwar angekündigt, sich dafür einzusetzen, doch wir sind aktuell noch skeptisch.
Zuversichtlich sind wir jedoch bei dem für Herbst angekündigten Wohnungsgipfel der Bundesregierung, den Baustaatssekretär Gunther Adler bei unserem Tag der Immobilienwirtschaft als einen „Gipfel der Antworten“ angekündigt hat.

Was erwartet die Immobilienwirtschaft konkret?
Dr. Andreas Mattner: Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD deutet an vielen Stellen daraufhin, dass die Politik die bedeutende Rolle der Immobilienwirtschaft verstanden hat – an einigen Stellen aber auch nicht.
Beim Klimaschutz haben sich die Koalitionäre auf Technologieoffenheit, Wirtschaftlichkeit, Vereinfachung und Freiwilligkeit verständigt. Das ist ebenso der richtige Weg wie die Abkehr von einer weiteren Verschärfung der Energieeinsparverordnung. Denn bereits die EnEV 2016 stellte für mehrere Nutzungsarten der Immobilienwirtschaft die Grenze des heute technisch Möglichen dar. Im Wohnungssektor hat allein diese zu einer Verteuerung von durchschnittlich acht Prozent geführt. Im Koalitionsvertrag stimmen insbesondere die Vereinfachung des Ordnungsrechts und die geplante Bilanzierung von CO2-Einsparungen auf Quartiersebene zuversichtlich. Die geplante steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung ist eine weitere wichtige Triebfeder. Eine solche Abschreibungsmöglichkeit schafft neue Potenziale für die energetische Ertüchtigung von Bestandsgebäuden. Im Themengebiet Klimaschutz/Energiewende fühlen wir uns mit unseren Vorschlägen ernst genommen.
Auch die von der Bundesregierung angekündigte Neubauoffensive ist ein wichtiger Schritt, um die Immobilienmärkte zu entlasten. Ebenso begrüßen wir, dass die Baukostensenkungskommission ihre Arbeit so schnell wieder aufgenommen hat. Damit wurde ein wichtiger Aspekt aus dem Koalitionsvertrag zügig umgesetzt.

Wo muss nachjustiert werden?
Dr. Andreas Mattner: Bei all diesen positiven Erkenntnissen dürfte es im Mietrecht aber wohl die größten Verwerfungen geben. Hier wird die Arbeit vieler Wohnungsunternehmen erschwert. So reduziert die vorgesehene Senkung der Modernisierungsumlage auf acht Prozent künftig Investitionen - insbesondere entfallen energetische Sanierungen. Auch die Kappung von drei Euro der monatlichen Miete auf einen viel zu langen Zeitraum von sechs Jahren ist ein weiterer Modernisierungsblocker. Man kann davon ausgehen, dass in Zukunft bestehende und geplante Vorhaben zur Ertüchtigung von Gebäuden in vielen Fällen kritisch überdacht werden. Der energetischen Modernisierung leisten diese Vorhaben einen Bärendienst.
Außerdem soll der Mietspiegel nicht mehr alle zwei, sondern alle drei Jahre neu aufgestellt werden. Nicht zuletzt streicht man den Wohnungsbauunternehmen auch noch künftige Einnahmen, indem der qualifizierte Mietenspiegel nur noch alle drei Jahre aufgestellt werden muss. Was wie Verwaltungsvereinfachung aussieht, ist eine zusätzliche Mietpreisbremse durch die Hintertür.
Die Absicht der Regierung, den Weg in das Wohneigentum insbesondere für jüngere Käufergruppen zu erleichtern, ist richtig und wichtig. Die dazu beschlossenen Maßnahmen sind allerdings verbesserungswürdig, denn das Baukindergeld etwa setzt an den Kaufpreisen an. Viel wichtiger sind aber die Kaufnebenkosten, die aktuell den größten Stolperstein beim Immobilienkauf ausmachen. Die Koalitionäre hätten sich also vielmehr darauf konzentrieren sollen, wie die Grunderwerbsteuer-Rallye der Länder beendet werden kann. Wir müssen es schaffen, dass die Steuersätze der Länder wieder auf ein gesundes Maß zurückgedreht werden. Eventuelle Freibeträge für einzelne Käufergruppen könnten jedoch das Gegenteil erzeugen und höhere Steuersätze für alle anderen Käufer mit sich bringen. Das dürfen wir nicht zulassen.

Ihr Appell lautet also?
Dr. Andreas Mattner: Was wir jetzt brauchen, um über die angespannten Immobilienmärkte Herr zu werden, sind eine schnelle Umsetzung der Baulandoffensive, schnellere Grundstücksvergaben und Baugenehmigungsverfahren sowie die personelle Aufstockung in den Bau- und Planungsämtern. Insgesamt muss die Richtung lauten: Keine Verkomplizierung bestehender Prozesse und keine Verschärfungen mehr. Stattdessen echte Anreize für den Neubau von Wohn- und Wirtschaftsimmobilien.

Werden wir im Jahr 2019 sagen können: Wohnungsnot gelindert, Büro- und Gewerbeimmobilien ausreichend vorhanden?
Dr. Andreas Mattner: Ganz im Gegenteil, denn das Angebot für die aktuell hohe Nachfrage nach Wohnimmobilien, aber insbesondere auch nach Büroimmobilien werden wir nicht innerhalb eines Jahres lösen können.
Im letzten Jahr kam es laut Frühjahrsgutachten des ZIA bundesweit zu einem sehr starken Einbruch der Fertigstellungszahlen von Büroflächen. Lediglich 1,6 Millionen Quadratmeter Neubaufläche wurden insgesamt in den 127 Büromärkten in Deutschland fertiggestellt. Der Rückgang im Vergleich zum Vorjahr belief sich auf minus 16,5 Prozent beziehungsweise auf ein Minus von rund 320.000 Quadratmetern. Besonders stark gingen die Neubaufertigstellungen in den A-Städten zurück und beliefen sich auf etwa 700.000 Quadratmeter. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies ein Minus von 27,1 Prozent. Der Leerstand ging somit in den 127 deutschen Büromarktstädten zum siebten Mal in Folge zurück.
Diese Zahlen zeigen, dass die Politik die Lage auf den Immobilienmärkten prioritär behandeln muss. Dem Gesetzgeber sollte bewusst sein, dass Büroimmobilien einen ebenso bedeutenden – aus wirtschaftlicher Sicht sogar noch größeren – Anteil an unseren Städten und Gemeinden haben. Mangelt es an Büroflächen, mangelt es mittelfristig auch an Unternehmen, wenn diese keine geeigneten Flächen mehr finden können. Die wirtschaftliche Stärke der Städte steht hier auf dem Spiel, wenn gewichtige Gewerbesteuererträge plötzlich fehlen, weil das Unternehmen die Stadttore hinter sich gelassen hat.

Dr. Andreas Mattner ist Präsident des ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.